Geschichtsseiten für Bad Münstereifel und Umgebung
Wirtschafts-, Verkehrs-, Heimat- und Kulturgeschehen





Münstereifel - Kurort und Kneipp-Heilbad - Von Dr. Heinz Renn
Geschichte, Sehenswürdigkeiten, Spaziergänge, Autofahrten


A. Münstereifel im Wandel der Jahrhunderte
B. Führung durch die Stadt
C. Sonstiges Wissenswertes in und um Münstereifel
D. Spazierwege um Münstereifel
E. Wanderungen in die Umgebung
F. Autofahrten durch die Eifel
G. Münstereifeler Werbewelt





A. Führung durch die Stadt



Wir beginnen die Stadtführung an der Wiege Münstereifels, wo um das Jahr 830 die Benediktinermönche der Abtei Prüm ein Kollegiatstift errichteten. Es bestand aus einer Gemein­schaft von Klerikern, die Stiftsherren genannt wurden.

Stiftskirche

nannte man damals ihr Gotteshaus, und so heißt es noch heute. Schräg gegenüber dem Rathaus, an der Bus­haltestelle zwischen dem Hotel Kolvenbach und dem Pfarr­haus (1830), nehmen wir unseren Standpunkt ein. Hier haben wir den schönsten Blick auf den dreischiffigen Bruchsteinbau der romanischen Pfeilerbasilika mit dem halbkreisförmig ge­schlossenen Hochchor. Unsere besondere Aufmerksamkeit er­weckt das stattliche Westwerk, das aus der Vorhalle, den zwei schlanken Treppentürmen und dem mächtigen viereckigen Glockenturm besteht, an den sich zu beiden Seiten zwei­geschossige Querflügel anschließen. Solche Westwerke - ähnliche besitzen die Klosterkirchen Werden, Corvey und St. Pantaleon in Köln - sind Sinnbilder der Abwehrkraft gegen das Böse, das symbolisch wie die Nacht vom Westen hereinbricht. Für die Symbolik spielt es keine Rolle, daß die Kirche in Wirklichkeit von Nordosten nach Südwesten ver­läuft. Wahrscheinlich hat die Erft, die früher näher am Gottes­hause vorbeiführte, diese Ausrichtung verursacht. Im großen und ganzen stand die Kirche schon vor 800 Jahren so, wie sie sich jetzt noch dem Beschauer darbietet. Allerdings ist jeder ihrer Türme einmal umgefallen, der rechte im 16. Jh., der linke im 19. Jh. (Gedenktafeln zeigen die genauen Daten an: 2. 5. 1584 und 4. B. 1872). 1957 begann der ganze Bau zu wanken und ist seitdem baupolizeilich gesperrt.

Es wird Jahre dauern, bis die Restaurationsarbeiten abgeschlossen sein werden. Im Innern birgt die Kirche zahlreiche Kostbar­keiten: das Hochgrab des Grafen Godfried von Jülich, Herrn zu Bergheim und Münstereifel (1335 t), eines der besten gotischen Grabmäler des Rheinlandes (in der Krypta), eine gotische Muttergottesstatue und eine Apolloniafigur, beide aus dem frühen 14. Jahrhundert und ein Vesperbild der Schmerzhaften Muttergottes aus dem Anfang des 15. Jh. Die Sakristei bewahrt kostbare Kunstschätze an Kelchen, Zibo­rien und Gewändern, von denen ein Meßgewand aus dem Brautkleid der Kaiserin Maria Theresia verfertigt sein soll. Die Stufen zum Hochaltar, die dreiteilige Altarplatte und einige Säulen des Chores bestehen aus dem Kalksinter des mehr als 1800 Jahre alten römischen Eifelkanals; der Stein bildete sich aus den stark kalkhaltigen Wassern als Rück­stand.

Anwesen und Häuser der Stiftsherren.

Einst stand die Kirche in einer etwa sechs Morgen großen Anlage, die durch Mauern, Wall und Graben abgegrenzt und geschützt war. Südöstlich der Kirche lag der Friedhof (bis 1818), und in nordwestlicher Richtung schlossen sich an das Gotteshaus zunächst ein Kreuz­gang und dann die Stiftsgebäude an. Sie verfielen im Laufe der Jahrhunderte und wurden im 18. Jh. abgerissen (1769). Das an gleicher Stelle errichtete Kapitelhaus hatte keinen lan­gen Bestand; die Franzosen verkauften es 1803 zum Abbruch. Die Schuttmassen verteilte man jedesmal rings um die Kirche, so daß man sich heute auf stark erhöhtem Gelände befindet und stufenabwärts die Kirche betritt, die ursprünglich auf ebener Erde zugängig war. Sicherlich sollte der Aufschutt vor allem die Kirche gegen die häufigen Erftüberschwemmungen schützen. Wir gehen links am Gotteshause vorbei, sehen an der Längsseite zwei jetzt vermauerte Türausgänge zum frühe­ren Kreuzgang, wobei wieder die Erhöhung des Geländes deutlich wird. Mitten auf dem Platz, wo sich einst die Kloster­gärten befanden, verweilen wir mit dem Blick nach Osten zur Burgruine. Jetzt gewinnen wir einen Eindruck aus der Zeit der Stiftsherrlichkeit. Rechts lagen die Klostergebäude und der an die Kirche angrenzende Kreuzgang. An den übrigen drei Seiten, auch auf dem westlichen „Klosterberg", reihte sich Haus an Haus, in denen die Stiftsherren oder Kanoniker wohnten.


Partie an der Erft mit Burg

Einige „K'nönische Häuser" aus der Zeit vor 1800 stehen noch; die meisten Neubauten befinden sich auf den Fundamenten der alten Stiftshäuser. In der nordöstlichen Ecke geht ein Sträßlein zur Alten Gasse, mit welcher der Stifts­bezirk in östlicher Richtung abschloß. Das Sträßlein, in dem sich die Bäckerei des Stiftes befand, heißt immer noch Pisto­rei (pistor = Bäcker). Rechts der Ziegelsteinbau, heute Be­rufsschule, neben dem 1961 errichteten Feuerwehr-Geräte­haus, diente der Stadt von 1872-1930 als Rathaus (siehe unten 5.52). Nun gehen wir nach Westen und biegen rechts in die Langen Hecke ein. Gleich das 2. Haus läßt uns ein­halten.

Das romanische Haus,

das ebenfalls zum Stifte gehörte, ist das älteste Wohngebäude Münstereifels, ja eines der ältesten Steinhäuser romanischer Bauweise in den Rheinlanden; es gehört dem 12. Jh. (etwa 1160) an. Als es 1959 einzustürzen drohte, entschloß man sich, das Haus zu erhalten und den früheren Zustand wiederherzustellen. Man entdeckte einen gro­ßen offenen Kamin, eine Zwischentür mit Rundbogen und verborgene Nischen und Wandschränke. Es wurden vier ro­manische Arkaden freigelegt, deren Zwischensäulen ebenfalls aus dem Kalksinter des Römerkanals bestehen. Ursprünglich waren 12 derartige Rundbogenfenster vorhanden. Der Nordgiebel des romanischen Hauses bildete an dieser Stelle zugleich die nördliche Abgrenzung des Klosterbezirks. An der linken Frontseite erkennt man noch die Ansatzsteine der Kloster-Umfassungsmauer, die von hier in westlicher Richtung bis zur Stadtmauer verlief.

Das Marienkrankenhaus

befindet sich ein wenig weiter, eben­falls in der Langen Hecke. Die Stadt erbaute das Hospital 1873 und erweiterte es 1928. Das Haus gehört den Cellitinnen, genannt Augustinerinnen aus dem Mutterhaus St. Maria in der Kupfergasse zu Köln. Die Schwestern kamen 1865 nach Münstereifel.

Die evangelische Kirche

gegenüber dem Krankenhaus wurde 1956 nach dem Entwurf des einheimischen Architekten Dr. Steinmann vollendet.


Erft an der Fibergasse

Im Unterbau des Gotteshauses be­findet sich der Gemeindesaal mit einem Nebenraum. Bruch­steinstufen führen durch einen kleinen Windfang in die Kirche, die mit Empore 220 Sitzplätze hat. Die Glasfenster der Längsseiten sind in Betonfachwerk eingelegt. Der links neben der Kirche stehende gotische Giebelbau soll in das neue Pfarr­haus einbezogen werden. Die evangelische Gemeinde zählt etwa 1100 Seelen, von denen 600 in Münstereifel und 500 in mehr als 20 umliegenden Ortschaften wohnen. Die meisten evangelischen Christen stammen aus Mitteldeutschland oder den ehemaligen deutschen Ostgebieten; noch um 1900 zählte man in der Stadt kaum 20 Protestanten. Eigene Pfarrstelle ist Münstereifel seit 1957.

Wir gehen ein Stückchen Weg zurück, biegen links in die Kapuzinergasse ein und freuen uns an dem schönen Blick der vor uns liegenden Burgruine. Kindergarten und Jugendheim der katholischen Pfarrgemeinde entstanden 1960 an der rechten Straßenseite. An der Kreuzung mit der Alten Gasse bleiben wir stehen. Zur Orientierung sei gesagt, daß wir die Kapuzinergasse von Westen nach Osten gegangen sind und die Alte Gasse, wohl Münstereifels älteste Straße, von Norden nach Süden verläuft.

Vier Klosterbezirke

nachbarn hier. In dem Südwestblock unter­hielten die Schwestern von St. Salvator von 1594-1831 eine Mädchenschule, siedelten dann in das ehemalige Karmelitissen­kloster neben dem Rathaus über. Die Gründerin oben ge­nannter Schwestern-Genossenschaft ist die Münstereifelerin Margarete Linnery (1576-1622). - In dem südöstlichen Vier­tel stand in den Jahren 1716-1828 die Schule der Schwestern zum hl. Namen Jesu, die ein Münstereifeler Kanonikus ge­gründet hat. - Abgesehen von dem schönen Fachwerkhaus vor uns, früher dem einzigen nicht-kirchlichen Gebäude in diesem Bezirk, gehörte das nordöstliche Viertel den weißen Mönchen der nahen Abtei Steinfeld. Die Prämonstratenser unterhielten hier vom 16.-18. Jh. einen Wirtschaftshof. - Der Nordwestbezirk stellt das ehemalige Areal der Kapuzinermönche dar, die 1618 nach Münstereifel kamen, hier seelsorglich wirkten und eine Tuchfabrik betrieben. Schließlich versorgten sie die Mönche aller 36 Klöster der niederrheinischen Ordenspro­vinz mit Tuchen aus Münstereifel. Nach der Säkularisation ging das Gelände 1805 für 666 Rheintaler in Privatbesitz über. Ein Fabrikant aus Kuchenheim führte die Tuchfabrik zu­nächst weiter. Sein Nachfolger ließ die Kirche und einen Teil der Klostergebäude niederreißen und verwandte das Stein­material zum Aufbau einer Brauerei. Wir folgen nördlich der Alten Gasse, welche hier die beiden früheren Klosterbereiche der Prämonstratenser zur Rechten und der Kapuziner zur Linken abgrenzt. Abgesehen von dem ersten Hause, einem Bau des 19. Jh., stammen die zwei weiteren Gebäude links aus dem Ende des 18. Jh., also noch aus der Zeit der Klosterherrlichkeit; sie dienten als Webhaus (der mittlere Bau) und Wohngebäude. Zwischen ihnen bemerken wir ein altes zu­gemauertes Eingangstor und rechts daneben die Jahreszahl 1701.

Der Mauerbering,

von dem wir an dieser Stelle ein eindrucks­volles Bild erhalten, umschließt die Stadt unter Anpassung an die natürliche Lage in einem unregelmäßigen Fünfeck. Wir haben hier das seltene Beispiel, daß die Befestigung das ganze Tal abriegelt (Talsperre). Fünf starke Rundtürme sichern die Ecken der Befestigungen und 13 breite Rechtecktürme ver­stärken in ziemlich gleichmäßigen Abständen die Anlage, je vier an der Ost- und Westseite, drei im südlichen und zwei hier im nördlichen Bering. Wir stehen vor dem sogenannten Bürgerturm, der ehemals als Gefängnis diente und durch den heute die Straße führt. Die meisten Turmnamen wurden nach den Anliegern oder den Bewohnern genannt. Denn in fried­lichen Zeiten waren die Türme in der Regel bewohnt, wäh­rend sie im Kriege den Wachsoldaten als Unterkunft dienten. Auf der Innenseite verlaufen über hohen Bogenführungen die ehemals überdachten Wehrgänge. In jedem zweiten Bogen­feld ist eine Schießscharte eingebaut. Wir durchschreiten das Mauerwerk und kommen in die „auswendige Stadt", so lesen wir in Urkunden aus früheren Jahrhunderten. Auch von dieser Seite überschauen wir den Nordbering, der im Westen mit einem mächtigen Eckturm, dem Trappenturm, abschließt. Dann gehen wir die nach Pfarrer Sebastian Kneipp benannte Allee abwärts, vorbei an dem Ehrenmal, das die Stadt 1929 ihren Gefallenen aus dem 1. Weltkrieg errichtete, und stehen jetzt an der Bundesstraße 51. In nördlicher Rich­tung führt diese zum Bahnhof, zur Otterbach, zum Kirchhof (1818), zum Ehrenfriedhof (1954) und zum Schleidtal, wo sich die Rechtspflegerschule (1958) und der Kurpark (1953) befinden.

Das Werther Tor

ist eine der vier großen Torburgen, die mit dem Bering zu Ende des 13. und Anfang des 14. Jh. angelegt worden sind. Eine furchtbare Überschwemmung im Jahre 1416 hat das Tor niedergerissen. Gegen Ende des 15. Jh. ist es neu aufgebaut worden. Majestätisch erhebt sich der vier­eckige dreigeschossige Torturm mit kleinen Rechteckfenstern und schönem Kleeblattbogenfries unter dem Turmhelm. Nach einem Brande vor 70 Jahren wurde das Dach erneuert, an das ursprünglich die beiden Rundtürme heranreichten. Die unteren Fenster sind erst später gebrochen worden, als dort ein Gewahrsam errichtet wurde. Auch heute finden hier Ob­dachlose eine Bleibe. Oberhalb der spitzbogigen Toröffnung hängt das Doppelwappen der Herzöge von Jülich und der Stadt Münstereifel. Eine dreifache Sicherung verwehrte den Feinden den Zugang zur Stadt: eine breite mit Wasser ge­füllte Grabenanlage, die außerhalb an Tor und Mauer vor­beilief, ein Fallgatter, das zwischen den doppelten Spitzbögen der Außenseite zeitweise herabgelassen wurde, und mächtige Torflügel an der Innenseite (bis I818). Die Stadt konnte man hier nur über eine Zugbrücke betreten, die „nach Tores­schluß" hochgezogen wurde. Für das 12. Jh. ist am Eingang des Schleidtales ein „Vicus Werthe" bezeugt. Nach diesem Gehöft leitet sich wohl mit Sicherheit der Name Werther Tor ab. - Dann überschreiten wir die Straße, sehen vor uns den halbverfallenen nordöstlichen Eckturm und gehen links vom Werther Tor wieder in die „inwendige Stadt". Über dem in­neren Torbogen bemerken wir die Ansätze des Wehrgangs, von dem man durch eine jetzt zugemauerte Tür in das In­nere des Turmes gelangte, und eine Rundbogennische, in der bis in unsere Zeit eine Madonnenfigur stand.

Der Steinfelder Hof.

Auf der rechten Seite der Werther Straße fällt uns ein dreigeschossiger Bruchsteinbau aus der Zeit der Spätgotik auf. Es ist das ehemalige Haus der Prämonstra­tenser, der sogenannte Steinfelder Hof. Das Hintergelände sahen wir von der Alten Gasse aus. Erbaut wurde das Haus 1513; das Wappen zeigt einen Bischofsstab mit zwei ge­kreuzten Pfeilen und drei Lilien.

Der Nordostbering.

Unmittelbar hinter dem Postgebäude, das durch Kriegseinwirkung völlig zerstört und 1952 an alter Stelle neu aufgebaut worden ist, biegen wir links ein und gehen am östlichen Bering vorbei. Durch zahlreiche Über­flutungen der Erft ist der Boden hier angeschwemmt, und deshalb liegt ein Teil des Mauerwerks, das sonst sichtbar wäre, im Boden. Allerdings besaß der östliche, offenbar nicht so gefährdete Teil nie dieselbe Höhe wie der nördliche Be­ring. Der Wehrgang war an dieser Stelle nicht in Stein hoch­gezogen, sondern aus Holz gezimmert, wie man an den Löchern und Schlitzen der Mauer, wo Stützbalken eingesetzt waren, erkennen kann. Inzwischen sind wir an jenem vier­eckigen Wehrturm angekommen, der sich über der Erft er­hebt. Er umspannt diese in zwei gleichmäßigen Bögen, die durch Fallgitter geschlossen werden konnten. Wir stehen an der „Unteren Schoßpforte", durch die das Erftwasser aus der Stadt hinausschießt. Im Jahre 1416 wurde den Bewohnern das Gatter zum Verhängnis. An ihm hatten sich eines Nachts Heu und Reisig so verwickelt, daß das Wasser nicht ablief, sondern innerhalb der Stadt hoch und höher stieg. Eine große Anzahl von Menschen und Tieren kamen damals um, worauf wir später noch einzugehen haben. Die Mauer verlief weiter den Steilhang hinauf, wo sich die Burg mit starken Türmen in die Befestigungsanlage einfügt. Zwischen Schoßpforte und Burg ist die einzige Stelle, wo der Bering unterbrochen ist. Beim Bau der Fabrik standen die Mauern im Wege und wur­den abgerissen. Der Geruch der Eichenlohe hat uns längst verraten, daß sich hier eine Gerberei befindet; sie beschäftigt etwa sechs Arbeiter. Um die Mitte des vorigen Jh. gab es in Münstereifel noch 15 Gerbereien, allerdings meistens Familien­betriebe. Inzwischen sind wir wieder in die Hauptstraße ein­gemündet und gehen weiter erftaufwärts bis zur Burgbrücke.


Marien-Krankenhaus Langenhecke


Evangelische Kirche


Werther Tor

Der Burgaufgang

bestand ursprünglich nicht. Er wurde zu Ende des 19. Jh. angelegt, um die in der Burgruine neu ein­gerichtete Gaststätte besser zugänglich zu machen. Damals holte man auch den Torbogen, der zum Steinfelder Hof führte, an diese Stelle. Seine nähere Betrachtung lohnt sich. Die beiden Frauen, die Vasen tragen, sind Sinnbilder der Keusch­heit und Frömmigkeit. Links auf dem Spruchband lesen wir: „Lucretia casta a. d. 1591", rechts: „Judith pia a. d. 1591". Das Tor stammt also aus dem Jahre des Herrn (anno domini) 1591. Es ist die Zeit der Renaissance, wo man nicht mehr allein biblische, sondern auch antike Motive darstellte. „Die keusche Lukretia" stößt sich selbst das Schwert in den Leib, da der Sohn des letzten römischen Königs Tarquinius Superbus sie geschändet hat. „Die fromme Judith" hat den assyrischen Feldherrn Holofernes enthauptet. Die Stärke versinnbildlicht Simson, der mit dem Löwen ringt, wobei der Kinnbacken weit durch die Luft fliegt. Ausdruck der Kraft sind auch die beiden Löwenköpfe am Rundbogen und die drei Löwen, die über der Mitte des Bogens ein kleines Wappen mit einer Lilie halten. Im Wappenfeld stehen die Buchstaben P. A. (= Pann­hausen Abbas). Abt Pannhausen leitete die Abtei Steinfeld von 1582-1606. Ob die Köpfe neben dem Wappen be­stimmte Personen bezeichnen oder nur charakteristische Re­naissanceköpfe sind, läßt sich kaum entscheiden. Im Hinter­grund an der Mauer steht ein altes vermoostes Flurkreuz. Wir steigen nicht den Zickzackweg zur Burg hinauf, sondern gehen stadteinwärts weiter, wobei wir auf einer der nächsten Brücken die Erft überqueren, damit wir uns ungestört vom flutenden Verkehr der Straße die schönen Fachwerkhäuser am Entenmarkt, in der Werther Straße und vor uns am Markte ansehen können. Wo die 4. Brücke in die Johannisstraße führt, bleiben wir stehen und bemerken an dem linken Eck­haus eine Plakette.

Der hl. Doktor von Moskau

erhielt diese Gedenktafel 1953, 100 Jahre nach seinem Tode. Wir lesen: „Dem großen Sohne unserer Stadt, dem hl. Doktor von Moskau Dr. Friedrich Josef Haass, der in diesem Hause Anfang August 1780 als Sohn des Apothekers Haass geboren wurde, zum ehrenden Andenken." Wer ist dieser Dr. Haass? Als junger Augen­arzt ging er nach Moskau und kam dort schnell zu Wohl­stand und Ehren. Er wurde Chef eines Krankenhauses, machte wissenschaftliche Reisen, entdeckte Mineralquellen, schrieb ein gelehrtes Buch und erhielt vom Zaren das Adelsprädikat. Dann kam für ihn - er war 49 Jahre alt - der große Wende­punkt seines Lebens. Als Mitglied eines Schutzkomitees für Gefangene hatte er Zutritt zu den Gefängnissen. Hier er­lebte er, wie unmenschlich die Insassen behandelt, wie un­zulänglich die Kranken betreut und wie Tausende mit schweren Fußketten nach Sibirien getrieben wurden. Das Schicksal der Gefangenen ließ ihn nun nicht mehr los. Er richtete für sie ein Gefängnishospital ein, betreute die Kran­ken und stand den Gefangenen in allen Fragen bei. Dann gab er alles auf, seine Praxis, seine Stellung als Chefarzt, ver­kaufte seine Villa und bezog eine Kammer im Gefängnis, um sich mit ganzer Kraft nur noch den Haftierten widmen zu können. Als Haass mit 73 Jahren starb, war er so arm, daß er auf Staatskosten begraben werden mußte. Aber 20 000 Menschen gaben ihrem hl. Doktor das letzte Geleite, 1909 setzten ihm die dankbaren Moskauer ein Denkmal; noch immer schmücken sie das Grab des großen Münstereifelers mit grünen Zweigen und frischen Blumen. Der Wolgadeutsche Hans Harder machte ihn zur Hauptperson eines Romans „Der deutsche Doktor von Moskau", Stuttgart 1950; Margarete Passon Darge gibt uns einen Lebensabriß „Friedrich Josef Haass, Bildnis eines Christen", Rothenburg/Tauber, 1952.

Die Johannisstraße,

in die wir jetzt einbiegen, ist nach der früheren, Johannes dem Täufer geweihten Pfarrkirche (14. bis 18. Jh.) benannt. Sie wurde 1808 abgerissen. Da die Stifts­kirche viel ehrwürdiger und geräumiger war, machte man diese damals zur Pfarrkirche. Schon sehen wir die steile Treppe, die von hier aus ins Gotteshaus führte. Links in der Gebetsnische steht die Statue des hl. Johannes. Auf der steil hochgezogenen, efeuüberwucherten Mauer erinnert eine In­schrift an die verheerende Überschwemmung vor 550 Jahren: „Im Jahre 1416, am 14. Juli, war nachts eine solche Über­schwemmung, daß 1500 Menschen und 3000 Stück Vieh um­kamen. Das Wasser stieg bis zu dieser Steinplatte." Es ist die Übersetzung eines lateinischen Textes auf einem alten steinernen Kreuz an dieser Stelle. Selbst in der Kölner Chronik, die zu Ende desselben Jh. gedruckt wurde, fand diese Katastrophe ihren Niederschlag: ,,. .. da ertranken viele Leute und Kinder und auch viel Vieh, so daß man wohl 200 Men­schen tot und mehr denn 3000 Stück Vieh fand im Umringe von P/s Meilen. .." Sicher ist die Zahl der Toten auf der Inschrift übertrieben. Vielleicht machte der Steinmetz eine Null zuviel. Die Zahl 150 läge dann nahe bei 200, der Angabe in dem Kölner Geschichtswerk. Übrigens befindet sich die Steinplatte 10 m über der Brücke an der Johannisstraße. Die Häuser der unteren Stadt standen demnach ganz im Wasser. Fast hätten wir vergessen, in die Kettengasse hin­einzuschauen, die links vor der Johanniskirchtreppe abgeht. Sie besitzt ein Straßenpflaster aus alter Zeit, hieß früher Kurtengasse (curtis = Hof) und war wohl die Zugangs­straße zum Burghof. Das letzte Stück der Johannisstraße geht sich mühsam. Aber die Anstrengung lohnt sich. Wir genießen einen wunderbaren Blick über die Stadt und die jenseitigen Höhen. Bei genauem Zusehen erkennt man den Verlauf des westlichen Berings.

Die Burganlage.

Auf dem Wege zur Burg sehen wir rechts den Schießplatz (seit 1880) der schon im 15. Jh. nachweis­baren Sebastianus Schützenbruderschaft und einen Teil der östlichen Stadtmauer. Die Burganlage, die zu den schönsten im Rheinlande gehört, thront auf steilem Bergvorsprung, auf einem zum Eingang schmäler werdenden Viereckgrundriß. Vier hohe Rundtürme und die gewaltigen Mauern sind Zeugen von der ursprünglichen Stärke des Befestigungswerkes, das aus Eifel-Bruchsteinen errichtet worden ist. Den Burgbau begann der Graf von Jülich 1272. Auf ihr residierte 1312-1335 Graf Godfried von Jülich, Herr zu Bergheim und Münstereifel, dessen Hochgrab sich in der Stiftskirche befindet. Sein Bruder Wilhelm I. (1328-1361; seit 1356 Herzog) machte Nideggen zur Residenzstadt der Herzöge von Jülich. Zeitweise wohnten noch Angehörige des Geschlechtes in Münstereifel. Doch im allgemeinen war die Burg der Sitz des herzoglichen Amt­mannes und des Vogtes. Der Palas stand an der Nordseite, wo sich heute die Burgschänke befindet. Im Westen schlossen sich Nebengebäude an, und im Osten ragte der Bergfried her­aus. Der Burgbrunnen in der Mitte des Hofes sicherte die Wasserversorgung. Seine obere Einfassung liegt jetzt als Treppe vor dem St. Josefshaus in der Alten Gasse. 1689 steckten die Franzosen bei ihrem Abzug aus Münstereifel die Burg in Brand, die seitdem eine Ruine ist. Wir gehen denselben Weg zurück, erfreuen uns nochmals an dem Schönen Blick über die Stadt, betrachten das z. T. bebaute Gelände, wo sich einst die Johanniskirche befand, und biegen dann links ab.

Das Johannistor

diente dem Verkehr zur mittleren Ahr. Im Innern des gotischen Turmbaues hatte man zwei große Schießscharten angelegt, um die Seitengräben bestreichen zu können. An der Außenseite war ein Fallgatter angebracht. Die Kragsteine an den Außenwänden trugen Pechnasen und Gußerker. Der einst mit Wasser gefüllte Wallgraben südlich des Tores wurde als Sportanlage ausgebaut und gehört dem St.-Michael-Gymnasium. Im Tore selbst befindet sich das Jugendheim des N. D. (Neu-Deutschland). Wir gehen einige Schritte zurück und folgen stadteinwärts der „Delle" (Ver­tiefung).

Das alte Pfarrhaus

der ehemaligen Johanniskirche, gleich das 3. Haus rechts, zeigt uns selbst seine Entstehungszeit an. Die Inschrift über der Haustür ist nämlich ein Chronogramm, in dem die Summe der römischen Zahlbuchstaben (I, V, X, C, D, M) in Kapitalschrift die Jahreszahl ergibt. Unser Distichon führt zur Zahl 1619:
ex censu vulgi plebani nuper ad usus consule Schoenauio denuo structa fui „Mit den Geldern des Volkes bin ich zur Wohnung für den Leutepriester unter dem Bürgermeister Schönau von neuem aufgebaut worden."

Die Jesuitenkirche

mit ihren mächtigen Strebepfeilern erregt nun unsere Aufmerksamkeit, aber zunächst genießen wir den Blick auf den Marktplatz und die Marktstraße mit den schönen Fachwerkhäusern und dem gotischen Rathaus, dazu im Hinter­grund auf das städtische Kneipp-Kurhaus (erbaut 1929). Die Jesuitenkirche erbauten Laienbrüder des Ordens in den Jahren 1659-1669. 1670 erfolgte die feierliche Konsekration des Gotteshauses, für das die Jesuiten aus Rom die Gebeine eines frühchristlichen Heiligen (2. Jh.), des hl. Donatus, überführten. Als Patron gegen Unwetter, Blitz und Feuersbrunst wurde er bald nicht nur im ganzen Rheinland, sondern auch in Belgien, Luxemburg, Süddeutschland und Österreich verehrt. Unsere Kirche war im 18. Jahrhundert eine bedeutende Wallfahrts­stätte. Auch heute noch pilgern Gläubige einzeln und in Pro­zessionen zum Reliquienschrein des hl. Donatus. Zum Haupt­fest des Heiligen im Juli zieht wie am Fronleichnamstage immer noch die Donatusprozession durch die Stadt. Nach der Auflösung des Jesuitenordens (1773) blieb das Gotteshaus Gymnasialkirche bis zum Jahre 1944. Dann dauerte es 14 Jahre, bis die größten Kriegsschäden beseitigt waren. Im August 1958 fand wieder der 1. Gottesdienst statt. Seitdem dient das Gotteshaus als Pfarrkirche und zwar so lange, bis die langwierigen Restaurationsarbeiten an der eigentlichen Pfarrkirche abgeschlossen sein werden. Das hölzerne Portal mit Knorpelstildekoration, ein großes Rechteckfenster mit gotisierendem Maßwerk, vier Rundbogenfenster an den


Jesuitenkirche und Staatl. St. Michael-Gymnasium

Seiten und die Donatusstatue in einer Nische des Giebel­feldes beleben die Fassade der Kirche. - Der einschiffige Innenraum ist von einem hölzernen Netzgewölbe überspannt. Durch ein kleines achteckiges Türmchen an der Nordseite führt eine Treppe zu den freischwebenden Emporen. Die großen Barockaltäre, die der Entstehungszeit angehören, sind von dem einheimischen Restaurator Göntges 1959/60 farblich aufgefrischt worden. Dargestellt werden: die Errettung aus dem Fegfeuer durch Christus, Maria und das Altarssakrament, die Kreuzigung und Mariä Verkündigung. Die Kirche birgt nicht nur den Reliquienschrein und die Büste des hl. Donatus, sondern bis zur Wiederherstellung der eigentlichen Pfarr­kirche auch den kunstvollen Reliquienschrein des hl. Martyrerehepaares Chrysanthus und Daria.

Das staatliche St.-Michael-Gymnasium

befindet sich in den ehemaligen Kloster- und Schulgebäuden der Jesuiten, die 1625 nach Münstereifel kamen und die Stadt zum kirchlichen Zentrum für die gesamte Nordeifel machten. Das neben der Kirche gelegene kleine Portal zeigt in dem Chronogramm „Domini salus hac intranti" sein Baujahr an: D+M+I+I+ L+V+C+I+I = 1659. Das Geleitwort „Des Herrn Segen dem hier Eintretenden" ermutigt uns, den Innenhof des früheren Klosters zu betreten. Eisenanker zeigen an, daß der Ostteil 1654 und das westliche Gebäude 1674 fertiggestellt worden sind. Um 1680 standen alle Gebäudeteile. Aus der Klosterzeit besitzt das Gymnasium den wesentlichen Bestandteil der alten Bibliothek mit über 2000 Bänden. 76 Bücher sind Inkunabeln, sind also vor 1500 gedruckt worden. Mehr als 300 Bände haben Seltenheitswert. Die Gesamtbibliothek umfaßt 20 000 Bände; sie ist die wertvollste Schulbücherei im Lande Nord­rhein-Westfalen. Als Erbe des nicht versteigerten Kloster­vermögens besitzt das Gymnasium etwa 150 Hektar Lände­reien, die es selbst verwaltet. - Nach dem Verlassen des Qua­drums sehen wir uns draußen die gesamte Front an. Der rechte Straßenflügel, erbaut 1724-1727, trägt aus alter Zeit die Aufschrift: Deo - Urbi - Patriae = für Gott, Stadt und Vaterland. Das Oberlicht des Renaissanceportals enthält ein halbes Rad mit Apfel und Schlange in dessen Mitte. Über dem Portal steht eine Marienstatue; der Dachreiter birgt ein Glöcklein, das die Abiturienten unmittelbar nach dem Be­stehen ihrer Reifeprüfung läuten. Das Tor führt in die Schule, zu den beiden Spielhöfen, zur Sportwiese und zur 1957 er­bauten Turnhalle im gegenüberliegenden Hang. Eine Plakette im Innenhof der Schule zeigt den geistlichen Gymnasialdirek­tor Jakob Katzfey, der die Schule von 1825-1862 leitete und sie über die Krisen jener Zeit hindurch gerettet hat. In den Jahren 1954-1960 sind im Innern alle Gebäudeteile völlig erneuert worden. Erhalten blieb die 300 Jahre alte Holztäfe­lung im ehemaligen Refektorium; sie ist heute der besondere Schmuck der kleinen Aula des Gymnasiums. Die Außenmauern des Gebäudes stehen noch aus alter Zeit. - Gegen­über auf der anderen Straßenseite fällt uns am Haus der Druckerei Schulte, einer früheren Tuchweberei, ein rundes Türmchen auf. Hier wurde die Wolle in einem heißen Was­serbade entschweißt, dem 5% Soda und 15 % Urin beigege­ben waren. Die kleinen Löcher dienten der Entlüftung. Weiter oberhalb auf derselben Straßenseite steht unter zwei großen Kastanien ein kleines Johanneskapellchen.

Die Orchheimer Straße,

wahrscheinlich benannt nach einem früheren Gehöft oder Flurnamen Orchem = Orchheim im Vorstadtgelände, führt durch die obere Stadt, dem eigentlichen Bereich der Bürger, wo es keine Klostergebäude gab. Auf beiden Seiten stehen zahlreiche Fachwerkhäuser, davon meh­rere im Stockwerküberbau. Leider hat man zu Beginn unse­res Jh. viele Gebäude ganz verputzt. An dem vorspringenden Elektrogeschäft - dort stand einst die Stadtmühle - halten wir ein und betrachten gegenüber das schöne Kaufmannshaus mit einer Hausmarke über dem Eingang. An dem Erker und auf den Balken des 1. und 2. Obergeschosses stehen folgende Aufschriften: „Si Deus pro nobis, quis contra nos?" (Wenn Gott für uns, wer wird gegen uns sein?); „Wer nicht hört die Stimm' der Armen und sich ihrer nicht tut erbarmen, den er­hört Gott nicht, wann er kommt vor sein Gericht, Johann Zimmermann 1659", „0 Gott, ich will Dir treulich klagen, gross' Neid und Abgunst kann Dir nicht behagen; mit Sorg' und Arbeit nähre mich, gib täglich Brot, das bitt' ich Dich." - Auf der rechten Seite gehen wir weiter und bleiben nach 50 m unwillkürlich vor einem der schönsten Fachwerkhäuser des Rheinlandes stehen; es ist das nach seinem Erbauer ge­nannte Windeckhaus. Bis zur Fertigstellung vergingen 2.0 Jahre, wie die Zahlangaben 1644 und 1664 beweisen. Es war das Haus eines gut gestellten Kaufmannes, der im Erd­geschoß einen zur Straße hin offenen Laden unterhielt, in dem eine große Waage angebracht war. Die oberen Geschosse dienten wohl als Lagerräume. Schöne Schnitzereien schmücken die beiden doppelfenstrigen Hängestubenerker. Darüber stützen buntbemalte Maskenkonsole aus Holz, zwischen denen schön gegliederte Wandfüllungen angebracht sind, sechs nebeneinander liegende Fenster. Die Pfosten und Fensterbänke sind reich geschnitzt. Auf einem breiten Klötz­chenfries ruht der obere Teil mit den weißen Fachwerk­feldern und den zur steilen Giebelhöhe hinaufwachsenden Fensterreihen. In seiner klaren Gliederung und der feinen Farbabstimmung wirkt das Haus besonders harmonisch.



Natürlich hat sich auch eine Geschichte um die Figuren gebildet: Ein Geselle aus Holland (der Kopf in der Mitte) ver­liebte sich in des Meisters Tochter (oberhalb). Die Eltern des Mädchens (auf den Erker-Zwischenpfosten) sagten nein. Dann kam ein Kind (linkes unteres Feld) die beiden Bürger rechts wenden sich von dem Gesellen ab; zwei Priester dürfen nicht reden, ihnen ist durch Beichtgeheimnis der Mund ver­schlossen. Die beiden Bürger links stehen auf der Seite des Gesellen und strecken der besonders hartnäckigen Schwieger­mutter die Zunge heraus.

Am Orchheimer Tor,

am Ende der Straße, haben wir den südlichen Bering erreicht. Rechts und links vom Tor be­merken wir einige Häuser, die sich dicht an das Mauerwerk heranschmiegen. Dort wohnten in früheren Jahrhunderten die armen Leute. Zu einem eigenen Hause benötigte man nur drei oder sogar nur zwei Mauern. Das Tor selbst ist ein schlichter Bau, der lange bewohnt war. 25 Jahre lang befand sich hier das Heimatmuseum der Stadt (1912-1936), zu dem die seit­liche Tür führte. Das Glöckchen oben auf dem Tor hing einst in der nahen, jetzt nicht mehr vorhandenen Apollonia-Kapelle. Der tonnenförmig gewölbte Durchgang schließt stadteinwärts mit einem spitzen, nach außen mit einem runden Bogen ab. Der Mauerdurchbruch an der rechten Seite erfolgte 1961. Außerhalb des Tores erblicken wir in 100 m Entfernung die Gebäude des Erzbischöflichen Konvikts, die in den Jahren 1896-1899 errichtet worden sind. Der vordere Anbau, in dem sich Einzelzimmer für Primaner befinden, entstand 1960. Unter Leitung zweier Weltpriester wohnen im Erzbischöflichen Konvikt etwa 230 Jungen, die das staatliche St.-Michael-Gymnasium besuchen. Die Gebäude gleich links gehören zu einer Gerberei, die 1958 ihren Betrieb schloß. Wir biegen außerhalb der Stadtmauer rechts ab, gehen durch die Anlage an der kleinen Stadtbleiche, gelangen durch eine Mauerlücke wieder in die „inwendige Stadt" und folgen links der Turm­straße, vorbei an dem verfallenen und z. T. wieder aufgerich­teten Mauerwerk.


Windeckhaus

Die obere Schoßpforte.

Nun stehen wir an der Stelle, wo die Erft in die Stadt hineinschießt „An den Rauschen". Die Ringmauer überquert den Fluß mit 2 Bogen auf einem mäch­tigen Pfeiler. Die Bogen, in denen sich einst Fallgatter be­fanden, bieten den Wassern in starkem Gefälle Durchlaß. Die noch sichtbaren Widerlager an dem Pfeiler und den Seitenwänden lassen erkennen, wie hoch man das Wasser staute, um den südlichen Wallgraben bis zum Orchheimer Tor mit Wasser zu füllen. Über der Brücke stand ein hoher Wehr­turm, der zeitweise als Schützenhaus und dann als Armen­haus (Hospital) diente. Eine Überschwemmung im Jahre 1818 beschädigte ihn so stark, daß er abgetragen wurde. Um die Fallgatter hochzuziehen und zu schließen, befand sich im Wehrturm eine technisch hervorragende Sperr- und Hebe­vorrichtung „das Werk", nach welcher ehemals der Turm und heute noch die Brücke genannt wurde, bzw. genannt wird (Werkbrücke). Die Nepomukfigur auf dem Steinsockel hat eine Künstlerin unserer Zeit in Sandstein gehauen (1953). An der Stelle des neu aufgebauten Fachwerkhauses auf der rechten Erftseite, heute ein Hotel, stand jahrhundertelang eine Mühle, die bis 1945 in Betrieb war. Das große Gebäude in nördlicher Richtung ist der Klassenflügel des Mädchen­gymnasiums.

Das Heisterbacher Tor,

das 4, und letzte Stadttor, befindet sich nur einige Schritte aufwärts. Es trägt seinen Namen nach dem jetzt verrohrten Bache Heistert, der unweit vorbeifließt. Über dem Spitzbogen an der Innenseite erkennt man die Ansatz­punkte des früheren hölzernen Wehrganges. Von der Nische aus im Innern der gewölbten Halle konnte man den Außen­graben übersehen und nötigenfalls unter Beschuß halten. Zwischen dem doppelten Spitzbogen an der Außenseite hing früher das Fallgatter. Die Kämpfer an den Außenbogen sind mit frühgotischem Laubwerk geziert. Das sich anschlie­ßende Mauerstück des Berings ist steil hochgezogen, da hier der Graben wegen des ansteigenden Geländes nicht mit Wasser gefüllt werden konnte und deshalb dieser Teil er­heblich gefährdet war. Der ganze westliche Wallgraben ist heute Kurpromenade, die an der Sebastian-Kneipp-Straße endet.

Die Heisterbacher Straße

gehen wir nun stadteinwärts. Ihr geben die vielen leider zum Teil überputzten Fachwerkhäuser ein besonderes Gepräge. Unsere Aufmerksamkeit fesselt vor allem das Haus „An den Rauschen", das nach starker Zerstörung im Kriege 1956 neu errichtet worden ist.



Es ist ein typischer Ständerbau mit breitem Überhang aus spätgotischer Zeit. Der Türsturz gibt uns als Entstehungsjahr 1553 an. Ein wenig weiter auf der rechten Seite steht ein Notstall, in dem noch vor einigen Jahrzehnten die Pferde beschlagen wurden.

Das Mädchengymnasium St. Angela.

Inzwischen haben wir wieder die Marktstraße erreicht und sehen rechts die breite Front der Ursulinenschule. An dieser Stelle wohnten ab 1625 die Jesuitenpatres, bis sie 1654 in das Kollegsgebäude jenseits der Erft übersiedelten. Karmelitessenschwestern aus Düssel­dorf, seit 1657 in Münstereifel, errichteten gegen Ende des 18. Jh. die heutigen Gebäude. Nach der Säkularisation zogen hier die städtischen Behörden ein. 1831 verlegten die Schwe­stern von St. Salvator ihre Mädchenschule in dieses Gebäude. Als sie 1879 infolge des Kulturkampfes nach Holland aus­wanderten, errichtete man hier ein staatliches Lehrerinnen­seminar (1879-1921). Der linke Teil des Gebäudes, der noch deutlich als frühere Klosterkirche zu erkennen ist, brannte in seinem oberen Teile 1879 ab, wurde aber 1881 neu auf­gebaut, wie zwei Chronodistichen oberhalb der ehemaligen Kirchpforte der Nachwelt überliefern:

Ignibus hasce citus vulcanus perculit aedis,
undique succurrunt; nil valuere viri.
Liquimus en cineres, sic nos liquisse iuvabit:
surgo ut avis phoenix; urbs iubet atque deus.

Das 1. Chronodistichon ergibt die Zahl 1879, das 2. die Zahl 1881.

„Stand in Flammen im Nu dies Haus vom Brande getroffen; Allseits eilt' man zu Hilf; nichts erreicht man indes;

Mussten es lassen in Asche, doch nur mit diesem Gelöbnis: Wirst aus der Asche erstehn; so wollen wir's und auch Gott."

Die Schwestern, die sich in Holland mit den Ursulinen aus Düsseldorf zu einer neuen „Genossenschaft der Ursulinen von St. Salvator" verbunden hatten, kehrten 1921 nach Münstereifel zurück und eröffneten ein Lyzeum, das zur mitt­leren Reife führte. Seit 1957 unterhalten die Schwestern ein neusprachliches Mädchengymnasium, dem seit 1961 ein modernes Internat, in einem Hang des Otterbachtales gelegen, angeschlossen ist.


Rathaus

Das Rathaus

gliedert sich deutlich in zwei Gebäudeflügel. Das Untergeschoß des rechten Teiles aus dem 14. Jh. öffnet sich in einem Laubengang mit drei Spitzbögen, die auf starken acht­eckigen Pfeilern ruhen. Die Darstellungen der beiden Lands­knechte, von denen der eine ein Szepter, der andere eine Standarte trägt, versinnbildlichen städtische Gewalt und Ge­richtsbarkeit. Unter dem Mittelfenster führte eine Tür vom Bürgermeisterzimmer auf einen Balkon. Die beiden Löwen sind die Wappentiere von Jülich und Berg. Zwischen den Fenstern des Obergeschosses hängt rechts das Wappen der Stadt Münstereifel und links das fünfteilige Wappen des früheren Landesherrn, des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg­-Mark und Ravensberg. Es gehören der Löwe zu Jülich, die Lilienhaspel zu Kleve, der Löwe zu Berg, das Schachbrett­muster zu Mark und die drei Sparren zu Ravensberg. Der linke Bau aus dem 16. Jh., der tief in die Gasse hineinreicht, enthält im Untergeschoß ein Kreuzsprossenfenster und zwei Rundbogenportale mit spätgotischen Profilen. Über dem größeren Portal hängt das Doppelwappen der Stadt und des Herzogtums Jülich. Drei Kreuzsprossenfenster bilden das Mittelgeschoß. Der Treppengiebel des Obergeschosses ist an den beiden Seiten mit Erkertürmchen geziert, die spitze Helme tragen. Beredtes Zeugnis früherer Gerichtsbarkeit ist der vor dem Rathaus stehende Schandpfahl, an den Gesetzesübertreter gebunden wurden. Über dem rechten Spitzbogen sieht man noch die Haltevorrichtung, an welcher der „Käks" aufgehängt war. Die in dem mannshohen, drehbaren Gitterhäuschen eingesperrte Person war dem allgemeinen Gespött besonders ausgeliefert. - Merkwürdig ist die Geschichte des Rathauses in den letzten 150 Jahren. 1821 verkaufte es die Stadt für 800 Taler an eine Brauerei, der es 90 Jahre lang als Lager­raum diente. Die Stadtverwaltung glaubte, im säkularisierten, ehemaligen Karmelitessenkloster nebenan besser erhaltene Räumlichkeiten vorzufinden und siedelte dorthin über. Als sich die im gleichen Gebäude (seit 1831) befindliche Mädchen­schule weiter aufwärts entwickelte und die Schwestern ein Lehrerinnenseminar zusätzlich einrichteten, kam es zu Raum­not und Differenzen um entstehende Baukosten. Um die Stadtverwaltung loszuwerden, bauten die Schwestern der Stadt 1872 auf dem Klosterplatz ein neues Rathaus. 1912 er­warben die Stadtväter das an die Brauerei verkaufte Rathaus für 12000M zurück.



Mitveranlaßt durch den 1. Weltkrieg, dauerte es 18 Jahre, bis es 1930 nach gründlicher Wiederher­stellung bezogen wurde. Seitdem nennen die Münstereifeler das noch nicht 100 Jahre bestehende Gebäude auf dem Klosterplatz das „alte Rathaus", während dieser altehrwürdige Bau allenthalben das „neue Rathaus" heißt. Das im 2. Welt­krieg schwer beschädigte Gebäude wurde 1948/49 mit staat­licher Unterstützung wiederhergestellt und 1950 erneut be­zogen. In seiner schönen und maßvollen Gliederung nimmt es unter den alten Rathäusern im Rheinland eine beachtens­werte Stellung ein.

Wer noch länger in Münstereifel verweilt, möge auch noch durch die anderen Straßen und Gassen spazieren: durch die Unnau- und Teichstraße und die Fiber-, Stumpf- und Ketten­gasse. Überall stehen rechts und links die jahrhundertealten Fachwerkhäuser. Münstereifel heißt mit Recht „das rheinische Rothenburg".


Am Markt





Entnommen: Dr. Heinz Renn, Münstereifel, Kurort und Kneipp-Heilbad, Geschichte Sehenswürdigkeiten Spaziergänge Autofahrten, Verlag F. Schulte, Münstereifel, 1967





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