Mit Volldampf durch den Kreis - 150 Jahre Eisenbahn - Teil 9



Gürtelbahn als Rettung
Kölner Stadtanzeiger vom 7.1.1986

Doch der Krieg machte ehrgeizigen Plänen Strich durch die Rechnung

Von Helmut Weingarten

Erftkreis - „Der vielgepriesene Landreis Köln“, so schrieb ein Leser im Januar 1910 an den „Kölner Local-Anzeiger“, „ist im Vergleich zu anderen Kreisen in der Nachbarschaft von Köln rückständig.“ Seine Vorwürfe erzielten auf die Verkehrserschließung ab.

Der Leser kritisierte: „Eine große Reihe ländlicher Orte um die Großstadt Köln müssen Elektrische, Dampfstraßen- und Kleinbahn-Verbindungen entbehren.“ Aus vielen Dörfern der Eifel komme man bequemer und schneller nach Köln „als aus einigen Gegenden des Landkreises“.

Der Mann hatte nicht unrecht. Im Vergleich zu den Nachbarn Bergheim, Euskirchen, Bonn und Neuss, wo es bereits Kreisbahnen gab, sah das Kölner Umland nicht unbedingt vorteilhaft aus.

Das fand wohl auch der Landkölner Kreistag, denn er machte die unzureichenden Verkehrsanbindungen zum Thema einer Sitzung. Wie aus den Protokollen hervorgeht, bemängelten die Vertreter der damaligen Gemeinde Frechen in „scharfer“ Form das Fehlen von Bahnverbindungen gerade auch im Nordwesten und Norden des Kreises.

Über Projekte nachgedacht

Nun wurde über Projekte nachgedacht. Ins Gespräch kam eine Kreisbahn, die als „Ringbahn“ von Brühl über Hürth, Gleuel, Frechen, Brauweiler, Sinthern, Pulheim und Sinnersdorf bis an den Rhein nach Worringen (das damals noch zum Landkreis Köln gehörte) führen sollte. Diese Bahnlinie hatte auch den Beifall der Braunkohlenindustrie im Raum Brühl und Frechen und der zahlreichen Ziegeleien gefunden.

Dabei war der Ruf nach einer Bahn schon 1890 laut geworden. Damals lag dem Kölner Regierungspräsidenten das Ersuchen der Handelskammer Köln vor, eine Ringbahn von Kalscheuren bis Longerich / Worringen zum Rhein zu bauen.

Landrat Dr. von Dreyse hatte seinerzeit vor einem wirtschaftlichen Rückgang im Kreis Köln gewarnt und mit seinen Plänen bei der Handelskammer und der Königlichen Eisenbahn-Direction offene Türen eingelaufen.

Die Bezirksregierung Köln versprach sich allerdings nur für den Landkreis Vorteile von dieser Bahn. Den Interessen von Arbeiterbevölkerung und der Kölner Bürgerschaft diene eine solche Verbindung kaum, meinte sie.

Andererseits aber wollte sie auch nicht sofort ablehnen. Ihre Antwort: „Gegenwärtig vollzieht sich die Zufuhr zu den Kölner Märkten aus der Umgebung noch in der althergebrachten, wirtschaftlich durchaus unvollkommenen Weise durch Wagen, Karren und menschliche Arbeitskräfte, die sich mühsam auf der Landstraße fortbewegen und dem Verkehr auf den Rheinbrücken und den Straßen der Stadt auf das Äusserste behindern.“

Eine Absage aber kam im Dezember 1890 vom „Königlichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten“. Folgender Wortlaut: „Die Anlage einer Eisenbahn von Kalscheuren über Frechen nach Lövenich und Worringen oder Longerich ist aus militärischen Rücksichten nicht für zulässig erachtet worden und kann daher nicht weiter verfolgt werden.“

Damit war das Projekt vorerst gestorben. 1910 tauchte es plötzlich wieder auf, nun unter der Bezeichnung „Gürtelbahn“. Diesmal setzte sich die Handelskammer Köln sehr nachhaltig für die Bahn ein, die sich halbförmig wie ein Gürtel um die Stadt Köln legen sollte. Von der Linie versprach man sich Vorteile für die Stadt und den Landkreis Köln.

Vom Ausgangspunkt Worringen sollte die Gürtelbahn nach Süden über Roggendorf, Sinnersdorf, Pulheim, Geyen, Brauweiler, Frechen, Gleuel, Hermülheim, Kalscheuren, Rondorf bis Rodenkirchen bzw. Wesseling führen. Die 40 Kilometer lange Planstrecke sah auch Anschlüsse an die Nachbar- und die Staatsbahnen vor.

Die „Gürtelbahn“ sollte das Haupttransportmittel für die Industrie, speziell für die Braunkohlenindustrie, werden. Hinzu kam der Transportbedarf der Tonröhrenproduzenten mit 20 Fabriken im Raum Frechen / Hermülheim und der Landwirtschaft. Als Träger der „Gürtelbahn“ schlug die Handelskammer die Stadt und den Landkreis Köln vor.

1911 war der Kreis der Befürworter so groß geworden, daß sich der Kölner Oberbürgermeister und der Landrat des Kreises Köln gemeinsam entschlossen, einen Antrag auf Baugenehmigung einer Kleinbahn zu stellen. Doch dabei blieb es - die „Gürtelbahn“, in die so viele Hoffnungen gesetzt worden waren, kam über das Planungsstadium nicht hinaus. Der Krieg machte das Projekt zunichte.

Zu Teil 10 der Serie
Zurück zur Serienübersicht

© Copyright 2001 Helmut Weingarten
©
Copyright 2001 wisoveg.de

Zur Homepage