Mit Volldampf durch den Kreis - 150 Jahre Eisenbahn - Teil 8



Traum der Militärs: eine Bahn vom Rhein ins lothringische Industrierevier

Champignons im Tunnel
Kölner Stadtanzeiger vom 3.1.1986

Der erste Weltkrieg und der Braunkohleabbau machten Pläne zunichte

Von Helmut Weingarten




So sah der Bahnhof Liblar einmal aus: Er sollte Kreuzungspunkt der geplanten „strategischen Bahn“ mit der Staatsbahn werden. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Inzwischen sind auch die Gebäude abgerissen.

Schon in den Anfangsjahren der Eisenbahn betrachteten die Militärs dieses neue Verkehrsmittel mit Argwohn. Sie befürchteten, die Bahn könnte in die Hände des Gegners fallen, der damit ein bequemes Transportmittel hätte. Was für die Verteidigung bedeutet hätte, wagten sie sich nicht auszudenken. So schauten bei den Genehmigungsverfahren für neue Strecken in Berlin nicht nur die Ministerialen des Innenministeriums in die Akten der damals noch privaten Gesellschaften, auch der Generalstab hatte ein gewichtiges Wort mitzureden.

Schon die Rheinische Eisenbahn Gesellschaft, eine der führenden westdeutschen Bahngesellschaften, bekam das in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu spüren, als sie die Strecke Köln-Aachen baute. Um das Ziel Köln zu erreichen, mußte der Schienenstrang den damals noch bestehenden Festungsgürtel durchqueren. Das stellte die Planer wegen des starken Funkenfluges der ersten Lokomotiven vor erhebliche Probleme - immerhin lagen an der Strecke Munitionslager. Schließlich fand man doch noch eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung.

Die Militärs erkannten später aber auch für sich den strategischen Nutzen der Eisenbahn für den Transport von Truppen und Material. Zu diesem Umdenkungsprozeß hatten der Krieg 1870/71 und Erfahrungen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg den Ausschlag gegeben.

So entstand bei den preußischen Generalstäblern wenige Jahre vor Beginn des Ersten Weltkrieges der Plan für eine besonders leistungsfähige, „strategische Bahn“. Sie sollte - ohne Köln zu berühren - linksrheinisch das Rhein-Ruhr-Gebiet mit dem lothringischen Industrierevier verbinden.

Vorgesehen war eine Strecke von Neuss über Rommerskirchen, Bergheim, Horrem, Liblar und Rheinbach nach Dernau an der Ahr. Gleichzeitig sollte diese „strategische Bahn“ die bestehende linksrheinische Eisenbahn entlasten. Die Planung für das Projekt und der Streckenausbau wurden mit großem Eifer betrieben.


Aus dem Jahr 1917 stammt diese Karte mit der eingezeichneten (gestrichelten) Linie der „strategischen Bahn“. Bei den Strecken 3 und 4 handelt es sich ebenfalls um militärische Linien.

Doch dann kam alles anders: Das Kriegsende und der Versailler Vertrag bedeuteten das Aus für die Bahn. Ein herber Schlag, denn auf der Strecke von der Ahr bis Liblar waren schon beachtliche bauliche Vorleistungen erbracht worden.

Heute noch sind Einschnitte, Dammaufschüttungen, Brückenbauwerke und Tunnel vorhanden. Die Bürger machten aus der Not eine Tugend und nutzten die Vorgaben der gescheiterten Bahnbauer. In den Tunnels züchteten sie Champignons, an den Dämmen wurden Rebstöcke gepflanzt und ein Teil der Trasse wurde als Radwanderweg und Straße ausgebaut. Die Erfttalstraße liegt zum Teil auch auf dieser Trasse.

Aber in einem Abschnitt ging die „strategische Bahn“ doch in Betrieb, und zwar zwischen Rommerskirchen-Mödrath und Liblar. Allerdings verkehrten hier keine Militärzüge, sondern Kohletransporte.

Dabei hatte es gerade auch für Mödrath große Pläne gegeben. Diese Station sollte als Eisenbahn-Knotenpunkt und als Hauptbetriebswerk ausgebaut werden. Doch der Braunkohlenbergbau machte die Planungen zunichte.

Die einzige befahrene Strecke der in die Fachliteratur als „Unvollendete“ eingegangenen strategischen Bahn, gehörte ursprünglich den Bergheimer Kreisbahnen und der Mödrath-Liblar-Brühler-Eisenbahn. Beide übernahm im Jahre 1913 der Staat.

Teile der Strecke wurden später stillgelegt, so am 23. Mai 1971 der Abschnitt Rommerskirchen-Niederaußem. Der letzte Personenverkehr verkehrte im Mai 1961 zwischen Liblar und (dem 1956 neu angelegten Bahnhof) Mödrath.


Blick vom Stellwerk auf den ehemaligen Bahnhof Mödrath. Die Aufnahme entstand um 1960. Der Bahnhof sollte großzügig als Knotenpunkt ausgebaut werden.

Zu Teil 9 der Serie
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