Wie die Eisenbahn den Weg in die Eifelberge fand
Von Peter Esser










Mechernich wurde Schnellzugstation. Kommern ergab sich widerstandlos der jetzigen Linienführung

Als der Engländer James Watt im Jahre 1769 ein Patent auf die von ihm erfundene erste brauchbare Dampfmaschine erhielt, konnte er nicht ahnen, daß seine Erfindung einen Siegeszug in der ganzen Welt einleiten würde. Der Weg zu einer schnelleren Industrialisierung war freigegeben, das Zeitalter der Eisenbahn war nicht mehr fern. Es waren jedoch noch viele Einzelerfindungen notwendig, bis am 27. September 1825 die erste Strecke der Welt für Personen- und Güterverkehr zwischen Stockton und Darlington befahren werden konnte. Damit waren die Würfel gefallen, die zu Industriestaaten drängenden Nationen befaßten sich intensiv mit dem Bau von Eisenbahnen.

Die erste Eisenbahn auf deutschem Boden verkehrte 1835 von Nürnberg nach Fürth. Zehn Jahre später hatte das Eisenbahnnetz in Deutschland bereits eine Länge von 2500 km erreicht und damit stand Deutschland an 2. Stelle von allen Ländern Europas. 1838 gründete August Borsig in Berlin eine Lokomotivfabrik, die schon wenige Jahre später 1200 Arbeiter beschäftigte und damit zum größten Eisenbahnwerk in Europa wurde. In unserer engeren Heimat wurde im Jahre 1841 die Strecke Köln-Düren-Aachen als erste Eisenbahnlinie in Betrieb genommen.

Von da ab wurden die Forderungen um den Bau von Eisenbahnen immer lauter. Den Hauptanstoß zum Bahnbau im Voreifeler Raum gab um die Mitte des verg. Jahrhunderts die Eifeler Eisenindustrie. Sie brauchte statt Holzkohle jetzt Steinkohle, die aber nur dann wirtschaftlich war, wenn sie auf dem billigen Schienenweg herangeschafft werden konnte. Die Eifeler Indsutriellen, namentlich aus dem Raum des Schleidener Tales und dem Mechernich-Kommerner Bleibergbaugebiet machten eine Eingabe um die andere und erreichten schließlich auch eine Zustimmung um Bahn bau durch den damaligen Präsidenten der Rheinischen Eisenbahngesellschaft Gustav Mevissen. Da Düren bereits eine Verbindung mit Köln hatte, war eine Verbindung Dürens mit Schleiden geplant. Die Strecke war 1845 bereits bis Kommern vermessen, dann mußten die Arbeiten wegen Geldmangel jedoch wieder eingestellt werden. Die Revolution von 1848 wirkte sich natürlich auch nicht fördernd auf das geplante Vorhaben aus. Vier Jahre später, 1852, erhielt das Bauvorhaben einen neuen Auftrieb durch einen mit vielen Argumenten untermauerten Schritt des Schleiden-Düren-Euskirchener Ausschusses beim 10. Rheinischen Provinziallandtag. Der Staat kümmerte sich nämlich geldlich nicht um den Bau von Eisenbahnen und begnügte sich nur mit der Erteilung der Erlaubnis. Es fand sich aber eine englische Firma, die die Bahn bauen wollte. Die kriegerischen Verwicklungen auf der Krim in den Jahren 1854/55 zwangen die Firma zu einem Rückzug von ihrem Zugeständnis und trotz der von preußischer Seite angedrohten gerichtlichen Maßnahmen, ließ sich die Firma nicht bewegen, die Bahn zu bauen. Da wurde es wieder still um den Bahnbau, bis dann die Rheinische Eisenbahngesellschaft wieder auf den Plan trat. Von den Eifeler und Voreifeler Industriellen immer wieder aufgefordert, betrieb sie nunmehr energischer als bisher die Fertigstellung der Bahn. Sie ließ sich jedoch nicht unter Druck setzen, daß der Bahnbau bis 1862 beendet sein müsse. Man kam aber auch diesmal noch keinen Schritt weiter, weil inzwischen ein anderer Plan aufgetaucht war. Es ging diesmal um eine andere Linienführung und zwar von Düren über Zülpich auf das wirtschaftlich stark aufstrebende Euskirchen zu und von da über Satzvey, Mechernich, Kall, Blankenheim nach Trier. Der erste Plan des Bahnbaues von Zülpich über Kommern in Schleidener Tal gefiel den Euskirchenern nicht, denn diese Linie wurde direkt an ihrer Nase vorbeigeplant. Ein neuerer Plan gefiel ihnen schon besser und die Stadtverwaltung erklärte sich bereit als erste Zugabe einen Teil der auf 400 Taler veranschlagten Vermessungskosten zu tragen. Bedingung war jedoch, daß die Bahn in unmittelbarer Nähe zur Stadt gebaut und in vorhin erwähnter Richtung weitergebaut werde. Führende Männer des Euskirchener Wirtschaftslebens, an der Spitze Tuchfabrikant und Bürgermeister Ruhr, machten jetzt ihren Einfluß zugunsten der Euskirchener Linienführung geltend und erreichten, daß man von dem mehr als ein Jahrzehnt umstrittenen Plan der Linienführung über Enzen-Kommern nach Schleiden abging und den Plan Düren-Zülpich-Euskirchen-Mechernich zur Eifel endgültig sicherte. Die damals wohl größte Wirtschaftsgruppe der ganzen Eifel und Voreifel, der im Jahre 1859 gegründete Mechernicher Bergwerks-Actien-Verein begünstigte die neue Linienführung durch die Hergabe einer Beihilfe von 40000 Talern.

Kommern, damals infolge seines gutgehenden Bergbaues auch ein stark aufwärts strebender Ort, verpaßte die Gelegenheit. Nachdem Euskirchen als Bahnstation gesichert war, hätte Kommern um eine Linienführung nahe des Ortes kämpfen müssen. Führende Persönlichkeiten hatten aus Gründen zu großer Landhergabe, kein Interesse für den Bahnbau durch Kommerner Gemarkungen, und so mußte Kommern leer ausgehen, eine Maßnahme, die einen Wendepunkt in seiner Geschichte bedeutete und die ihm einen starken wirtschaftlichen Rückschlag brachte. Kommern mußte als Bahnstation endgültig ausscheiden, obschon der Bahnhof Mechernich in Kommerner Gemarkung zu liegen kam. Fast ein ganzes Jahrhundert hat dieser Zustand gedauert, dann wurde die Eingliederung des Kommerner Bahnhofszipfels in Mechernicher Gebiet vollzogen. Mit dem Ausscheiden Kommerns als Bahnstation verlor auch sein Bleiberg an Zugkraft, zudem gingen die Erzfelder immer mehr zurück und auch der starke Fuhrwerksverkehr auf der Köln-Luxemburger Prämienstraße, von dem manche Kommerner Fuhrwerkshalter gut leben konnten, ließ merklich nach.

Mit den Bahnbauarbeiten wurde 1862 begonnen, nach zweijähriger Bauzeit war Düren mit Euskirchen nach einen eingleisigen Schienenstrang verbunden. Der 6. Oktober 1864 war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte der Städte Düren und Euskirchen, als der erste Zug die neue Strecke befuhr. Die beiden Städte, besonders aber Euskirchen, sahen mit gutem Recht ein Mittel zu einem ungewohnten Aufstieg. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: „Von einer herrlichen Oktobersonne beschienen, dampfte der erste Zug, bestehend aus 7 Wagen, gezogen von der Lokomotive Roer (Lokomotiven waren früher mit Namen gekennzeichnet) vom Bahnhof Euskirchen ab nach Düren, umjubelt und teils auch mißachtet von der Bevölkerung, die an den Haltestellen die Ankunft erwarteten.“

Meter um Meter wurde dann die Linie fortgesetzt. Neun Monate später, im Juli 1865, wurde der Anschluß an Mechernich erreicht, am 1. November 1867, war das Teilstück bis Kall vollendet. Auf dem letzten Teilstück machte der Kaller Tunnel den Erbauern manche Schwierigkeiten. Mehr als 300 000 Taler hat der Tunnel gekostet, allein der Einbau des Stützholzes erforderte die Summe von fast 31000 Taler. Am 8. August 1867 wurde der Tunnel in Anwesenheit des Erbauers, Geheimer Oberbaurat Hartwig und vieler Staats- und Kreisvertreter seiner Bestimmung übergeben. Der damalige Landrat des Kreises Schleiden, Freiherr von Harff, bezeichnete den Tunnel als ein goldenes Tor, durch das ein goldenes Zeitalter in die Eifel einziehen möge.

Die Fortführung der Linie geriet dann ins Stocken. Es dauerte bis zum 25. März 1871, ehe der erste Zug heimkehrender Männer aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 von Trier nach Euskirchen geleitet werden konnte. Fast vier Monate lang diente die Strecke noch militärischen Zwecken, bis sie am 15. Juli 1871 auch dem reisenden Publikum zur Verfügung stand. Man hatte alle Ursache bei der Eröffnungsfeier stolz zu sein, denn auf der Strecke von Euskirchen bis Trier erforderte der Bahnbau die Erstellung von 10 Tunnels, 53 großen und kleinen Brücken mit einem Gesamtkostenaufwand von mehr als 15 Millionen Mark. Da die Rheinische Eisenbahngesellschaft die kostenlose Hergabe des erforderlichen Geländes verlangte, hatte der Kreis Schleiden fast 49000 Taler an Grundstücksentschädigungen zu bezahlen, wobei das abgetretene Eigentum den Gemeinden und das des Grafen Beißel auf Burg Schmidtheim nicht einberechnet war. Am 3. August 1892 wurde die Strecke für den Einsatz von Schnellzügen erprobt. Es wurde eine Schnellzuglokomotive, System Lank, eingesetzt, wie sie damals in Nordafrika und auf der Pacificbahn schon länger verkehrten. Der Probezug bestand aus 21 Achsen, bei dem gewohnten Verkehr schon eine Belastung für zwei Maschinen. Erschwerend waren noch die starken Steigungen in die Eifelberge und die vielen Kurven, die in einem fast rechten Winkel ausarteten. Die Hoffnungen der Eisenbahnverwaltung, den Zug mit einer Geschwindigkeit von einem Kilometer in der Minute verkehren zu lassen, hatten sich erfüllt und es dauerte nicht lange bis die Strecke Köln-Trier für den Schnellzugverkehr freigegeben wurde. Auch Mechernich wurde mit den Stationen Euskirchen, Kall und Blankenheim-Wald Schnellzugstation, wo täglich zwei Schnellzugpaare aus Richtung Köln und Trier anhielten.

Die Eifeler hatten jetzt wohl ihre Eisenbahn, mußten aber immer noch, um in die rheinische Metropole nach Köln zu kommen, über Euskirchen-Düren fahren. Es dauerte noch fast 6 Jahre, ehe eine direkte Verbindung von Euskirchen über Weilerswist-Liblar erreicht wurde. Die Brikettfabrikation im Raume Liblar-Kierberg konnte auch auf den Schienenweg nicht mehr verzichten und eine im Jahre 1874 an den damaligen Reichskanzler Fürst Bismark gerichtete Bitte führte dazu, daß die Lücke Euskirchen-Liblar-Köln am 1. Oktober 1876 geschlossen werden konnte.

Dem Mechernicher Bleibergbaugebiet brachte die Eisenbahn eine ungeahnte Entwicklung. Die Verwaltung des Bleibergs ließ in den siebziger Jahren des verg. Jahrh. Eine Werksbahn bauen, auf der sie ihre Güter bis in die entlegendsten Teile ihrer weiten Anlagen transportieren konnte. Besonders segensreich erwies sich die Werksbahn, als in den Jahren 1911/12 der damalige Bergrat Emil Kreuser zur Sicherung neuer Arbeitsplätze dem Bergbau eine Waggonfabrik angeliederte. Die vielen Waggons, monatlich bis zu 100 Stück hergestellt, mußten vor der Übergabe in das staatliche Eisenbahnnetz eingefahren werden und hierfür bot der viele Kilometer lange Schienenstrang vom „Mechernicher Bahnhöfchen“ bis weit hinter den Schafsberg die beste Gelegenheit.

Für die Eisenindustriellen des Schleidener Tales, deren Betriebe damals Weltruf hatten, kam der Bahnbau jedoch zu spät. Schon zu Beginn der sechziger Jahre begannen sie mit der Verlegung ihrer Werke an die Wasserstraße des Rheins, so die Poensgen, Inden, Hösch u.a. Auch der Bahnbau Kall-Gemünd-Schleiden-Hellenthal, dessen Inbetriebnahme am 12. März 1884 erfolgte, konnte den rückläufigen Gang nicht mehr bremsen. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war der Bahnbau jedoch für die Kalkindustrie in Sötenich, die ihre Erzeugung weit ausbauen und später noch die Zementfabrikation aufnehmen konnte.

Die Verbindung von Euskirchen nach Bonn wurde am 1. Juni 1890 eröffnet und im Jahr 1923 zweigleisig ausgebaut. Der 1. Oktober 1890 brachte die Inbetriebnahme der Linie Euskirchen-Münstereifel. Am 1. Mai 1913 wurde die Ahrtalbahn zwischen Blankenheim-Wald und Ahrdorf mit Anschluß an die Strecke Köln-Trier ihrer Bestimmung übergeben.

Ein kurzer Rückblick sei noch gestattet auf die Fahrpreise der damaligen Zeit. Es gab damals vier Wagenklassen: 1.2.3. und 4. Klasse. Die 4. Klasse war nur notdürftig ausgerüstet, auf Holzbänken konnten 8 - 10 Personen in einem Abteil Platz nehmen. Es war die Klasse des Durchschnittsreisenden, der Fahrpreis betrug hier nur 2 Pfennig je Kilometer. Man konnte für 30 Pfennig nach Euskirchen und für 1,10 Mark nach Köln fahren. Für die Benutzung der Wagenklasse 3 mußte man schon 3 Pfennig, für die 2. Klasse 5 Pfennig und für die 1. Klasse, die jedoch nur in kleinem Umfang in Schnellzügen geführt wurde, 7 Pfennig bezahlen. Entsprechend niedrig waren auch die Gütertarife. So kostete z.B. ein Waggon Briketts, meist waren es 15 Tonnenwagen, von Kierberg bis Mechernich nur 18 Mark.

So sehr die stählerne Schiene in Gefahr um das andere eroberte und in gleichem Umfange auch der Eisenbahnverkehr anstieg, umso schneller gingen die bis dahin üblichen Postlinien zurück. Die bespannten Postkutschen konnten sich bis nach dem ersten Weltkrieg noch erhalten, zuletzt die Linien Kommern-Euskirchen und Euskirchen-Flamersheim, die dann 1920 von den Postkraftwagen endgültig abgelöst wurden. Mit dem Verschwinden der Postkutschen war ein Stück Reiseromantik für immer dahingegangen.

Peter Esser








Quelle: Unbekannt - Mechernicher Veröffentlichung
Archiv: Anton Könen Mechernich









Sammlung Anton Könen, Mechernich

- Die Euskirchener Kreisbahn
- Volkswirtschaftl. Artikel, Aufbau der Rheinischen Bahn, Verstaatlichung und Eifelbahn 1853 - 1875
- Die Rheinische Bahn - Bekanntmachungen und kleine Artikel von 1846 - 1933
- Inserate rund um die Rheinische Bahn und Eifelbahn 1865 - 1922
- Bau der Strecke Düren - Euskirchen - Call - Schleiden - Hellenthal 1867 - 1914
- Weiterführung in die Eifel und Weiterführung nach Münstereifel betreffend
- Französische Besatzungszeit und Artikel 30er Jahre
- 40er Jahre und Artikel der Nachkriegsjahre
- 50er und 60er Jahre, Artikel der 70er Jahre bis 2004

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