Auszug aus den stenografischen Berichten des Hauses der Abgeordneten








Sitzung vom 30. Januar 1868.

(Schluß)

Präsident: Ich eröffnet die Spezial=Diskussion über §. 1 des Gesetzes, über den im 1 des Gesetzes in Bezug genommenen Vertrag und über das Amendement Förster.

Ich ertheile das Wort dem Herrn Abgeordneten v. Dechend.

Abgeordneter v. Dechend: Ich habe zunächst dem Vortrage des Herrn Abgeordneten Förster einige Bemerkungen hinzuzufügen, die sich speziell auf den Kreis Schleiden beziehen. Wie Sei aus dem Kommissionsberichte ersehen haben, ist von allen betheiligten Kreisen der Kreis Schleiden der einzige gewesen, welcher die Verpflichtung zur Hergabe von Grund und Boden unbedingt in vollem Maße übernommen hat. Es hat indessen mit diesem Beschluß eine ganz eigenthümliche Bewandniß gehabt. Die Regierung hatte viele Jahre mit dem Kreise verhandelt wegen der Uebernahme dieser Verpflichtung, aber ohne Erfolg. Das Hauptbedenken des Kreises war, daß er außer Stande sein werde, diese Verpflichtungen zu tragen, namentlich so lange er nicht übersehen könne, welcher Umfang von Lasten daraus für ihn hervorgehen würde. Um diese Bedenken zu beseitigen, legte die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft dem Kreise einen Plan nebst Kostenberechnung vor, worin zwei Linien verzeichnet waren und die Kosten angegeben wurden für die eine Linie zu 48,000, für die andere Linie zu 38,000 Rthlrn. Diese Berechnung ist allen Verhandlungen zu Grunde gelegt und auch dem Beschlusse, der schließlich die Sache beendigt hat.

Ich will hierbei gleich bemerken, daß sich hinterher ergeben hat, daß die Kosten bei Weitem nicht ausreichen. Die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft verlegte willkürlich und ohne Rücksicht auf die Wünsche und Interessen des Kreises die Linie von der Bergabhängigen in das Thal, wodurch die Kosten nach den angestellten Ermittelungen fast um das Doppelte erhöht werden. Sodann hatte der Kreis das Bedenken, ob denn die übrigen Kreise nicht etwa besser behandelt werden würden. Man wollte gern für die Sache, die dem Kreise begreiflicherweise sehr am Herzen lag, Opfer bringen, aber sich doch nicht schlechter behandeln lassen als die übrigen Kreise. Um diese Bedenken zu erledigen, erklärte der damalige Regierungs=Kommissar, der Präsident der Regierung, zu dem der Kreis Schleiden gehört, daß gar nicht davon die Rede sein könnte, den Kreis Schleiden an seine Verpflichtung für gebunden zu halten, wenn die übrigen Kreise etwa nicht dieselben Verpflichtungen übernähmen. Es kommt auf den Wortlaut an. Es heißt in der Eingabe, welche der Kreis an das Hohe Haus gerichtet hat, der Regierungs=Präsident habe erklärt: „Sollten wider Erwarten nicht alle betreffenden Kreise das zum Bahnkörper erforderliche Grundeigenthum unentgeltlich und ohne alle Bedingung bewilligen, so würde auch der Kreis Schleiden an seine Offerten nicht weiter gebunden sein und somit auch die zu übernehmende Verpflichtung selbstredend für ihn hinwegfallen.“ Erst auf Grund dieser Erklärung und im Vertrauen auf die ihm damals gegebene Versicherung hat der Kreis Schleiden die sämmtlichen Kosten übernommen und zwar bedingungslos, weil der Herr Kommissar ausdrücklich erklärte, daß er sich auf bedingungsweise Verpflichtungen nicht einlassen könne, vielmehr in diesem Falle die ganze Sache als gefallen anzusehen sein würde. Nachdem dies Alles geschehen war, ist die Sache in eine ganz andere Lage gebracht worden. Die übrigen Kreise, mit denen dann verhandelt wurde, verpflichteten sich nicht bedingungslos, sondern verlangten erhebliche Beiträge n der Rheinischen Eisenbahn=Gesellschaft, die ihnen dann auch bewilligt wurden. Die Kosten wurden auf das Doppelte erhöht.

Nun meine Herren, ich verkenne keineswegs, daß das Alles keine genügenden Gründe sind, um die bindende Erklärung des Kreises anzufechten und ihn von den übernommenen Verpflichtungen ganz zu entbinden. Das meine ich aber doch, geht daraus hervor, daß die Regierung die dringendste Veranlassung hat, auf den Kreis Schleiden besondere Rücksicht zu nehmen, - und weiter wird auch von dem Herrn Antragsteller nichts verlangt. Er verlangt, daß der Regierung die Ermächtigung gegeben werde, für den Fall, das der Kreis Schleiden und die übrigen Kreise nicht prästiren können, wozu sie sich verpflichtet haben, und wenn die faktischen Angaben, welche ich zu Gunsten des Kreises Schleiden besonders hervorgehoben habe und die event. noch näher festzustellen sein würden, sich als zutreffend bestätigen, einen Theil der Lasten den schwer bedrängten und außerordentlich überlasteten Kreisen abzunehmen. Nun weiß ich sehr wohl, daß es ein parlamentarischer Grundsatz ist, nicht mehr zu bewilligen, als die Regierung verlangt. Aus dem Grunde aber richte ich eben an die Staats=Regierung die Anfrage und die dringende Bitte, diese Erklärung, die ja sofort nachgeholt werden kann, hier abzugeben; ich meine aber, wenn diese Erklärung abgegeben wird, so fällt auch das Bedenken des Herrn Referenten fort, und das hat auch schon die Kommission erklärt, indem sie in ihrem Berichte sagt:

man müsse es der Staats=Regierung überlassen, ob sie sich mit dem Antrage einverstanden erkläre.

Die Bedenken des Herrn Abgeordneten v. Benda halte ich nicht für begründet. Es steht keineswegs fest, daß die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft nicht sehr gern diese 50,000 Rthlr. übernehmen würde, da sie nach den von mir eingezogenen Erkundigungen, keineswegs in Abrede stellt, daß einzelnen Kreisen, namentlich dem Kreise Schleiden, entschieden Unrecht gethan ist. Und wenn die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft dieser 50,000 Rthlr. übernimmt, lediglich um 50,000 Rthlr. oder eigentlich nur um eine Garantie von höchstens 2000 Rthlr. jährlich zu vermeiden, die schwer bedrängten und schlimm situirten Kreise besonders hart anzugreifen.

Präsident: Der Herr Regierungs=Kommissar hat Wort.

Regierungs=Kommissar, Ministerial=Direktor Freiherr v. d. Reck: Meine Herren! Ich muß mich trotz der anscheinend triftigen Gründe, welche für die Annahme des Amendements sprechen, doch gegen dessen Annahme erklären. Bei den meisten kontribuirenden Kreisen kann es meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen, daß die Verbindlichkeiten, welche von ihnen übernommen sind, ihre Kräfte nicht übersteigen. Es sind nämlich von den meisten Kreisen, abgesehen von der Stadt Trier, die 30,000 Rthlr. gibt, nur mäßige Pauschquanta bewilligt; beispielsweise hat der Kreis Prüm 5000 Rthlr., der Landkreis Trier 30,000 Rthlr., der Kreis Bitburg 20,000 Rthlr. bewilligt. Mögen nun auch diese Kreise arm sein - das will ich nicht bestreiten, die Eifel=Kreise sind ja im Allgemeinen arm - so glaube ich doch, daß den ungemeinen Vortheilen gegenüber, welche diese Kreise von der Herstellung der Eisenbahn zu erwarten haben, die Höhe dieser Beiträge ihre Kräfte nicht übersteigt. Etwas Anderes ist es allerdings mit denjenigen beiden Kreisen, für welche speziel petitionirt ist, namentlich mit dem Dauner Kreise und dem Schleidener Kreise, welche die Grundentschädigung unbedingt übernommen haben. Die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft hat sich aber bereits dazu bewegen lassen, dem Kreise Daun eine Beihilfe von 28,000 Rthlrn. zu geben. Der Kreis Schleiden hat ebenfalls die Grundentschädigung unbedingt übernommen, er hat aber einen solchen Beitrag von der Rheinischen Eisenbahn=Gesellschaft nicht erlangt. Wenn nun nach dem Dafürhalten der Staats=Regierung keine Veranlassung vorliegt, die erstgenannten Kreise zu berücksichtigen, so glaubt die Regierung auch in Rücksicht auf die andern beiden Kreise Schleiden und Daun sich ihre Entschließung noch vorbehalten zu müssen. Die Urtheile darüber, was den Kreisen Daun und Schleiden die Grundentschädigung kosten wird, sind nämlich sehr verschieden. Die Regierung in Trier ist in Bezug auf den Kreis Schleiden der Meinung, daß die Grundentschädigung den Betrag nicht übersteigen werde, der dabei von Hause aus in Aussicht genommen ist, nämlich 48,000 Rthlr., während wir so eben aus dem Munde des Herrn Vertreters des Kreises Schleiden gehört haben, daß der Kreis Schleiden selbst die Kosten der Grundentschädigung auf etwa 80-100,000 Rthlr. schätzt. Ebenso läßt sich noch nicht übersehen was die Grundentschädigung im Kreise Daun betragen wird. Sollte sich herausstellen - und das kann sich erst nach Beendigung des Grunderwerbungs=Geschäfts herausstellen - daß die übernommene Last wirklich die Prästationsfähigkeit der beiden Kreise überschreitet, so wird allerdings die Regierung Maßregeln zu treffen haben, um den üblen Folgen einer solchen Ueberbürdung entgegenzutreten; wir wollen ja die Kreis nicht ruiniere, sondern denselben gerade durch die Bahn aufhelfen, und das Hohe Haus darf vertrauen, daß eventuell seiner Zeit das Nöthige geschehen wird, um einer die Prästationsfähigkeit der Kreise überschreitenden Belastung Abhülfe zu gewähren.

Präsident: Es ist der Schluß der Spezial=Diskussion über §. 1, über den Vertrag, der in demselben erwähnt ist, und über das Amendement beantragt von den Herren Abgeordneten Drabich, Richter und v. Marschall. Ich ersuche diejenigen Herren, welch den Schluß=Antrag unterstützen wollen, aufzustehen.

(Geschieht.)

Die Unterstützung reicht aus. Auf der Rednerliste sind noch eingetragen die Herren Abgeordneten Förster und Guerard.

Ich ersuche diejenigen Herren, welche den Schluß der Diskussion beschließen wollen, aufzustehen.

(Geschieht.)

Das ist die große Majorität, die Diskussion ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter verzichtet auf das Wort.

Meine Herren! Wir haben abzustimmen er den Zusatzantrag des Hrn. Abgeordneten Förster und über §. 1. Ich werde zuerst abstimmen lassen über den Zusatzantrag des Herrn Abgeordneten Förster und dann über den §. 1, je nachdem die Abstimmung über das Amendement ausfällt mit oder ohne den Antrag des Herrn Abgeordneten Förster. Das Haus entbindet wohl den Schriftführer von der Verlesung des beigedruckten Vertrages, der im §. 1 angezogen ist.

(Zustimmung.)

Ich bitte den Herrn Schriftführer zuerst den Antrag des Herrn Abgeordneten Förster zu verlesen.

Schriftführer Abgeordneter Sachse

(liest):

Das Haus des Abgeordneten wolle beschließen, dem § 1 des Gesetzentwurfs folgendes Alinea 2 beizufügen:

„Soweit sich bei der Grunderwerbung ergiebt, daß die Erfüllung der von Kreisen und Gemeinden übernommenen Verpflichtungen deren Leistungsfähigkeit übersteigt, kann im Einvernehmen mit der Direktion der Rheinischen Eisenbahn=Gesellschaft die Uebernahme eins entsprechenden Antheils bis auf Höhe von 50,000 Thlrn. auf Rechnung des Baufonds erfolgen.“

Präsident: Ich ersuche diejenigen Herren, welche für den Fall der Annahme des § 1 diesen Zusatz=Antrag dem § 1 zufügen wollen, aufzustehen.

(Geschieht.)

Das Amendement ist abgelehnt.

Ich ersuche den Herrn Schriftführer, nunmehr den § 1 zu verlesen.

Schriftführer Abgeordneter Sachse

[... Ende der Vorlage ...]








Quelle: Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden vom 28. Februar 1868
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