Eisenbahn von Call nach Hellenthal








In diesem Blatte ist schon wiederholt die Rede von der Bahn gewesen, welche für das Schleidener Thal nicht nur ein Bedürfniß sondern geradezu eine Lebensfrage ist und welche die Rh. Eisenbahngesellschaft angeblich unter gewissen Bedingungen zu bauen nicht abgeneigt sein soll. Wenn wir soeben sagten „unter gewissen Bedingungen“, so bestehen diese unseres Wissens in der unentgeltlichen Hergabe des gesammten Grundeigenthums seitens des Kreises und in der Zeichnung größerer Summen durch die bei der Bahn zumeist interessirten Industriellen. Man muß in der That darüber staunen, daß es Leute gegeben hat, welche auf dieser unannehmbaren Basis das Bahnprojekt aufbauen wollten, indem sie redlich bemüht waren durch Zeichnungen ec. jene Bedingungen nach Kräften zu erfüllen, man muß staunen darüber, daß sonst klar stehende Köpfe derartige Spiegelfechtereien für baare Münze nehmen konnten. Hat man denn im Kreise Schleiden so schnell die traurige Geschichte der Eifelbahn vergessen, welche über das Wesen und Treiben der Rh. Eisenbahn das klarste, wenn auch gerade nicht das schönste Licht verbreitet, daß man sich von Neuem derselben Gesellschaft als rettendem Engel in die Arme wirft, der doch allein die ganze Eifel und in Sonderheit die Vordereifel ihr Unglück verdankt? Weßhalb ist denn in Gemünd das industrielle Leben erstorben, welches noch vor wenigen Jahren so rege dort pulsirte? Weßhalb hören wir nicht mehr in den heimischen Bergen den Wiederhall des ehemals rastlos pochenden Eisenhammers? Wer trägt die Schuld daran, daß vorher blühende Orte und Gegenden jetzt nichts mehr sind als todte Zeugen einer schönen Vergangenheit? Fragt die Rh. Eisenbahn! Die Rh. Eisenbahn mag wohl einsehen, daß sie sich an der Eifel schwer versündigt hat, ist damit aber gesagt, daß sie ihre Schuld jetzt sühnen will? Allerdings gibt sie sich hierzu den Anschein: sie will bauen, wenn nur u. s. w. Dieses lästige „wenn“, welches bekanntlich im gewöhnlichen Leben schon oft die schönsten Wünsche im Keime erstickt, wird in Dingen der Rh. Eisenbahn gar leicht zum Felsen, an welchem das Hoffnungsschiff unrettbar zerschellt; in vorliegendem Falle ganz gewiß. Denn werden die wenigen Industriellen im Stande sein, solche Summen wie man sie von ihnen fordert, aufzubringen oder wird das zur Disposition gestellte Grundeigenthum, dessen Werth man auf beiläufig 15000 Thlr. Berechnet hat, etwa allein die halbe Million der Bausumme aufwiegen?

Deßhalb, Ihr Bewohner des Schleidener Thales, tragt Euch nicht länger mit derartigen unausführbaren Projekten und bürdet Euch nicht unerträgliche Lasten auf zum Besten von Leuten, an denen das Sprüchwort: „Undank ist der Welt Lohn“ schon mehr als einmal zur Wahrheit geworden! Haltet Euch nicht an Leuten, welche Bahnen lediglich zum Ausbauten bauen, sondern vielmehr an solchen, welch dem amerikanischen Princip huldigend durch ihre Bahnen erst aufschließen!

Glücklicherweise gibt es auch in unserem Staate noch Männer dieser Art und unter ihnen ist der weltbekannte Dr. Strousberg nicht der Letzte. Dieser große Industrielle, dem der Neid und die Bewunderung gleichzeitig den ehrenden Namen „Eisenbahnkönig“ beilegten, sei Euer Mann! Sein anerkanntes Genie, unterstützt durch eine unbeugsame Thatkraft, hat ihn zum Schöpfer der großartigsten und segensreichsten Unternehmungen gemacht, ganze Gegenden, die von kurzsichtigen und engherzigen Eisenbahngesellschaften als nicht ergiebig links liegen gelassen wurden, hat er durch seine Schienenwege aufgeschlossen und dadurch „ergiebig“ gemacht. Warum soll dieser Mann, der augenblicklich sogar für das abgelegene und noch dazu so sehr unkulitvirte Rumänien die eisernen Maschen eines umfangreichen Eisenbahnnetzes knüpft, nicht auch unserem ungleich besseren Eifellande zu Hülfe kommen?

Darum Eifelbewohner und in Sonderheit Ihr Industrielle des herrlichen Schleidener Thales wendet Euch in Eurer Bahnnot an den Eisenbahnkönig Dr. Strousberg, gebt ihm genügenden Aufschluß über die hiesigen Verhältnisse und Ihr werdet ohne große Opfer und weitläufige Scheerereien Euere Wünsche in kürzester Zeit mit dem schönsten Erfolge gekrönt sehen. Vergnügt Euch aber nicht mit einer Zweig= oder Sackbahn von Call nach Hellenthal, sondern laßt Euren jungfräulichen Boden durch eine neue Masche mit eingeflochten werden in das allgemeine europäische Eisenbahnnetz. Arbeitet deßhalb auf der Linie Cöln, Zülpich, Gemünd, Hellenthal, St. Vith hin - also auf eine direkte Verbindung zwischen Cöln und der in Aussicht stehenden belgischen Moselbahn.

Strousberg, der Mann der That, wird diesen Weg dem Dampfroß in kürzerer Zeit zugänglich machen als die Rh. Eisenbahn dazu gebraucht, um mit ihrem beliebten „Wenn“ und „Aber“ fertig zu werden.














Quelle: Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden von 1869
Archiv: Anton Könen Mechernich









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