(eingesandt)








(*) Zahlreiche Industrielle der Eifel, speciell Bergwerksbesitzer, haben sich, nachdem ihre Vorstellungen bei der betreffenden Lokalbehörde, wie bei dem Handelsminister erfolglos geblieben sind, mit einer Petition an das Haus der Abgeordneten gewendet, in welcher sie um Herbeiführung von Ermäßigungen der hohen Tarifsätze der Rheinischen Eisenbahn auf der Strecke Düren=Euskirchen=Call, sowie um schleunige Ausbauung der Linie Euskirchen=Brühl bitten. Die Petition hat leider nicht diejenige Beachtung gefunden, die ihr ohne Zweifel gebührt, sie ist mit vielen andern entweder durch einfachen Uebergang zur Tagesordnung erledigt worden oder gehört vielleicht auch zu den Restanten und vermehrt die Stöße „schätzbaren Materials“, an denen die meisten Bureau's so reich sind, immerhin aber sind die Klagen der Industriellen der Eifel in dieser Beziehung zu ernsthaft, als daß sie einfach todtgeschwiegen werden sollten und, um ihnen zu einigem Ausdruck zu verhelfen, geben wir nachfolgend die Hauptpunkte der Petition wieder: „Die Eifel fehlten“, so heißt es in der Petition, „zum Emporblühen der von der Natur ihr vorgezeichneten Industrie, die nothwendigsten Lebenselemente. Billige Kohlen, sowie billige und leichte Verbindung mit den Hauptknotenpunkten des Verkehrs, um ihre Producte in concurrenzfähiger Weise auf den Markt zu bringen. Diese Abnormität im Zeitalter der Eisenbahnen konnte und durfte nicht permanent erhalten werden, wenn nicht der Wohlstand eines großen zukunftsreichen Theiles der Rheinprovinz ganz in Frage gestellt werden sollte. Die Staatsregierung traf daher Maßnahmen zu einem Abkommen mit der Rheinischen Eisenbahn=Gesellschaft, wonach letztere den Ausbau und den Betrieb der Strecke Düren=Schleiden, resp. Düren=Euskirchen=Call und die Weiterführung der Linie von letzterem Punkte bis Trier übernahm. Die Erwartungen, welche an den Bau dieser Bahnen geknüpft wurden, sind aber jetzt, nachdem die Linie Düren=Euskirchen=Mechernich seit 3 ½ Jahren und bis Call seit mehr als Jahresfrist dem Betriebe übergeben, auf ein äußerst bescheidenes Maaß zurückgesunken. Der Vertrag zwischen der Regierung und der Rheinischen Eisenbahn=Gesellschaft vom 5. März 1856 enthält einzelne Paragraphen, welch durch die Art und Weise, wie sie von der Eisenbahn=Gesellschaft ausgelegt werden, für die Eifel auf eine lange Reihe von Jahren geradezu verhängnißvoll geworden sind. Es sind dies die Paragraphen 11 und 12, welche bei wörtlicher Fassung lauten:

§11. Der Fahrplan der neu auszuführenden resp. zu erwerbenden Eisenbahnen unterliegt der Genehmigung und resp. Abänderung des Handelsministers. Auf die Düren=Schleidener Zweigbahn findet jedoch diese Bestimmung erst dann Anwendung, wenn dieselbe nach Trier fortgeführt sein wird. Bis dahin bewendet es bei den desfallsigen gesetzlichen Vorschriften.

§ 12. Für die neu auszuführenden resp. zu erwerbenden Eisenbahnen sollen die gegenwärtig bestehenden Tarife der Köln=Mindener Eisenbahn in der Art als Maximaltarif gelten, daß jede Erhöhung der Genehmigung des Handelsministers unterliegt, innerhalb der Maximalsätze jedoch allgemein gültige Modificationen ohne Genehmigung des Handelsministeriums der Gesellschaft vorbehalten bleiben, wogegen weder Differentialtarife zu Gunsten einzelner Orte oder Personen eingeführt, noch die Sätze so gestellt werden dürfen, daß die Gesammtfracht eines Transports für größere Entfernungen geringer ist als für kleinere.

Der Tarif für die Düren=Schleidener Eisenbahn unterliegt diesen Bestimmungen erst von dem Zeitpunkte der Weiterführung dieser Bahn nach Trier. Ohne Zweifel hat die Stipulation dieser Vertragsbedingungen auf Seiten der Regierung die Ansicht vorgewaltet, daß es solcher Privilegien bedürfe, um überhaupt eine Eisenbahngesellschaft zur Ausführung einer Linie durch die Eifel willig zu finden. Erwägt man aber die Zeit, in welcher der Vertrag entstand, eine Zeit die noch nicht einmal von der versuchsweisen Einführung des Einpfennigtarifes eine Ahnung hatte, wo man sich fast gänzlich im Unklaren darüber befand, welch ungemein befruchtende Wirkung billige Tarife auf Handel, Verkehr und Industrie üben und wie der reciproque Einfluß von diesen wiederum die Rentabilität der Eisenbahnen steigert; so wird man nicht allein die Auffassung für gerechtfertigt halten, daß jener den Maximaltarif mit Zugrundelegung der im Jahre 1856 bestandenen, im Verlaufe der folgenden Jahre jedoch bedeutend heruntergesetzten Tarife der Köln=Mindener Eisenbahn im Allgemeinen normirende § 12 in seinen faktischen Voraussetzungen, gänzlich verändert, und mit Fug daher als antiquirt anzusehen ist, sondern wird namentlich auch zugeben müssen, daß die damals doch für die Eifel nothwendig erachteten Ausnahmebestimmungen, den ganz und gar veränderten Verhältnissen der Gegenwart keineswegs mehr entsprechen, mit diesem vielmehr im allgemeinen Interesse der Eifel wenigstens einigermaßen in Uebereinstimmung zu bringen sind. Der Vertrag vom 5. März 1856 sollte der Eifel Wohlthaten zuweisen, aber er hat im Laufe der Jahre sich zu einer Zwangsjacke für dieselbe gestaltet. Wie verlockend es für die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft sein muß, den gegenwärtigen Zustand wo möglich in Permanenz zu erhalten, kann man daraus entnehmen, daß z. B. auf der nur 7,13 Meilen langen Linie Düren=Call zwei volle ausschließliche Güterzüge täglich hin= und zurücklaufen, die, wenn auch der Personenverkehr einen Vergleich mit demjenigen der Hauptbahn nicht zuläßt, zu den eingeräumten Tarifsätzen verhältnismäßig höheren Intraden abwerfen, als auf den Hauptlinien. Im Kohlen= und Coaks=Verkehr der Eifel=Bahn stellt sich der Frachtsatz pro Centner und Meile auf 2,13 Pfennige, während für die, in das Privilegium vom 5. März 1856 nicht eingeschlossenen Linien folgende Einheitssätze sich ergeben:



Essen nach
Essen ''
Heissen ''

Eupen pro Centner und Meile
Düren ''
''

1,716 Pfg.
1,81''
1,843 ''



Dem nämlichen hohen Tarif zahlen alle Güter der Classe C., worunter so viele, für die Eifel wichtige Gegenstände, am allerwenigsten hohe Frachten ertragen können. Für den Transport von Eisenstein ist zwar ein billigerer Tarif eingeräumt worden, allein auch dieser reicht noch nicht aus, um den Bergbaubetrieb auf den in der Eifel weit verbreiteten vorzüglichen Eisenstein zu einem lohnenden zu gestalten. Weit auffallender noch stell sich das Mißverhältniß beim Bezug der Steinkohlen und Coaks in geschlossenen Extrazügen heraus, wofür die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft nach dem am 15. April d. J. in Kraft getretenen Tarife folgende Sätze pro 100 Centner erhebt:



Von Essen nach
''
Von Heissen nach
''
Von Essen nach
''
''
''
''
''

Mechernich
Düren
Mechernich
Düren
Call
Aachen
Herbesthal
Coblenz
Neuwied
Bingerbrück

22,15 Meil.
16,21 ''
21,54 ''
15,63 ''
23,37 ''
20,32 ''
22,38 ''
23,13 ''
21,36 ''
31,34 ''

10.12 Thlr.
6.12 ''
10.7 ''
6.7 ''
11.12 ''
7.1 ''
8.4 ''
8.24 ''
8.9 ''
11.3 ''



Extrahirt man hieraus wieder die in das ominöse Privilegium nicht eingeschlossenen Linien, so erhält man die Einheitssätze:



Von Essen nach
''
''
''
''
und sogar von Düren

Düren
Aachen
Herbesthal
Colbenz
Bingerbrück
nach Aachen

Pro Ctr. und Meile
''
''
''
''
''

1,413 Pfg.
1,246 ''
1,308 ''
1,370 ''
1,243 ''
0,534 ''



während man auf der Eifelbahn n Düren nach Mechernich der Satz auf 2,137 Pfg. stehen geblieben ist, und von Düren nach Call (7,13 Meil. Pro Ctr. 5 Thlr.) sich auf die hübsche Höhe von 2,525 Pfg. verstiegen hat. Wie die oben citirten Frachtsätze beweisen, werden die Ruhrkohlen in Extrazügen bis zur Belgischen Grenze (Herbesthal) um Thlr. 3.8 per 100 Ctr. billiger befördert (obgleich die Route Essen=Call nur eine einzige Meile länger ist, als Essen=Herbesthal), als bis zur Station Call, woraus denn die Thatsache resultirt, daß dem Auslande durch den Vertrag vom 5. März 1856 die Mittel zu überlegener Concurrenz gegen unsere eigene vaterländische Industrie an die Hand gegeben werden. Die Rheinische Eisenbahn hat, wie ferner hervorgehoben werden muß, die Verpflichtung zum Ausbau einer Verbindungsbahn zwischen Euskirchen und der Köln=Bonner Linie übernommen, deren Anschlußpunkt entweder Brühl oder Sechtem sein soll; gleichwohl ist zur Ausführung derselben seit Jahren nicht das Mindeste geschehen. Die Gründe dazu liegen nahe genug. Mit dem vollendeten Ausbau der geraden Linie Euskirchen=Brühl werden alle Transporte aus der Eifel, deren Bestimmungsort Köln, der Niederrhein, Oberrhein oder das rechte Rheinufer ist, sowie von der umgekehrten Richtung, die Linie Euskirchen=Düren=Köln wegen des großen Umweges vermeiden und dafür die Route über Brühl einschlagen. Würden dann auch die Güter nach wie vor der Rheinischen Eisenbahn rheinauf= und abwärts zum Weitertransporte verbleiben, so ginge doch das Beneficium für den gegenwärtig fast 5meiligen Umweg verloren. Die Gesellschaft sucht Terrainschwierigkeiten gegen besagte Verbindung mit Brühl vorzuschützen, obwohl im Ernste davon wenig die Rede sein kann, und indem die Frage, ob Brühl oder Sechtem als Verbindungspunkt den Vorzug verdiene, aus angeblich technischen Gründen Jahre lang in der Schwebe erhalten und zum Ueberflusse auch noch eine directe Linie Euskirchen=Köln als zeitvertrödelndes Thema variirt wird. Erfreut sie sich zwischenzeitlich der Resultate, welche der um eben solange sicher gestellte Umweg über Düren ihr verschafft. Den bisher vorgebrachten Beschwerden würden wir noch hinzufügen können, daß auch bezüglich der Personenbeförderung die Eifellinie gegen die übrigen Strecken der Rheinischen Eisenbahn in entschiedenem Nachtheile sich befindet, und der Wunsch nach einer wohlthätigen Concurrenzbahn sich daher unabänderlich geltend macht. Allein diese kleinen Leiden, wie unerträglich sie auch den bevorzugten Linien erscheinen würden, falls man sie dort einführen wollte, berühren bei weitem nicht so den Lebensnerv unserer gesammten industriellen und merkantilen Existenz, als die 1 ½ und 2=fach höheren Frachten für die eminente Mehrzahl unserer Bedürfnisse und unserer Producte. Während wir daher unsere Wünsche in Betreff der Personen=Beförderung unerörtert lassen wollen, gebietet uns dagegen die Pflicht der Selbsterhaltung um so nachdrücklicher, kein Mittel unversucht zu lassen, welches unsere ganz abnormen Frachtverhältnisse in ein erträgliches Stadium überführen könnte.“

(Berl. Börs.=Ztg.)














Quelle: Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden von 1869 und
Kreis-Intelligenzblatt für Euskirchen und Rheinbach vom 20.3.1869
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