125 Jahre Eisenbahnlinie Köln-Düren-Aachen
Von Hans Reuter - Jahrbuch Kreis Düren 1966, Seiten 105 - 114










Erste Eisenbahnverbindung über die Grenzen hinweg

Am 1. September 1966 werden 125 Jahre vergangen sein, seitdem die Eisenbahnlinie Köln-Aachen dem Verkehr übergeben wurde. Die Strecke ist an sich nicht sehr groß, sie war aber für die damaligen Verkehrsverhältnisse äußerst bedeutsam, denn sie brachte im linksrheinischen Rheinland nicht nur eine Verbindung zur westlichen Landesgrenze, sondern auch den Anschluß an die belgische Staatsbahn und darüber hinaus an den französischen Raum. Damit ist diese Linie überhaupt die erste völkerverbindende Eisenbahnlinie Deutschlands zu Nachbarstaaten geworden.

Es ist aber merkwürdig, daß vor 125 Jahren der preußische Staat an einem Bau von Eisenbahnlinien überhaupt nicht interessiert war und es nur den Bemühungen verkehrswirtschaftlich denkender Männer und dem Unternehmungsgeist privater Eisenbahngesellschaften zu verdanken ist, daß in Preußen Eisenbahnlinien gebaut und betrieben wurden. Nachdem 1825 in England für die Strecke Liverpool-Manchester die erste für die Beförderung von Personen geeignete Eisenbahn in Betrieb genommen war, wurde am 7. 12. 1835 als erste Eisenbahnlinie in Deutschland die sogenannte „Ludwigsbahn“ zwischen Fürth und Nürnberg eröffnet. Um diese Zeit liefen aber schon im Köln-Aachener Gebiet die Planungen zum Bau einer Eisenbahnlinie, die ohne Unterstützung des preußischen Staates gebaut werden sollte.

„Ich kann mir keine große Glückseligkeit darunter vorstellen, ob man einige Stunden früher in Potsdam ankommt oder nicht“. Ärgerlich hat es König Friedrich Wilhelm III. von Preußen an den Rand einer Eingabe geschrieben, in der verkehrspolitisch weitblickende Bürger um die Genehmigung zum Bau einer Lokal-Eisenbahnlinie zwischen Berlin und Potsdam nachsuchten. Das war im Jahre 1836. Zwei Jahre später rief der damalige Kronprinz, der spätere König Friedrich Wilhelm IV., in seiner jovialen und leutseligen Art bei der Eröffnung dieser Strecke Berlin-Potsdam begeistert aus: „Diesen Karren, der nun durch die Welt rollt, hält kein Mensch mehr auf“. Damit war erst für die spätere Einführung der Eisenbahn in Preußen der Weg für die Zukunft geebnet.

Im belgischen Gebiet war man um diese Zeit bereits fortschrittlicher eingestellt, denn um 1830 wurden schon in Belgien Planungen zum Bau von Eisenbahnlinien aufgenommen. In diesem Jahr war das heutige Königreich Belgien durch seine Trennung von den Niederlanden ein selbständiger Staat geworden; der junge belgische Staat litt aber darunter, daß die Scheldemündung in der Hand der Holländer war. Die verkehrsmäßige Lage Belgiens drängte daher insbesondere zu einem Verkehrsanschluß an Preußen. Da ein solcher nur auf dem Landweg möglich war, stand Belgien in Erkennung seiner wichtigen Durchgangslage schon früh positiv der Einführung der Eisenbahn gegenüber und war auch das erste europäische Land, das Staats-Eisenbahnen baute und betrieb. Aber auch das Rheinland war in einer ähnlichen Lage, da die Rheinmündungen auf niederländischem Gebiet lagen; man war daher auch hier am Zustandekommen einer Bahnverbindung zwischen Köln und Antwerpen stark interessiert. Die erste Anregung ging aber von Belgien aus; dort waren es anscheinend die Bürger von Lüttich, der nächsten Stadt jenseits der preußischen Grenze, die zuerst den Gedanken entwickelten, das neue, völkerverbindende Verkehrsmittel Eisenbahn in den Dienst der belgischen Interessen zu stellen.

1831 wurden in Belgien bereits ein Brückenbau- und ein Straßenbauingenieur mit der Planung beauftragt. Man hatte damals aber Bedenken, ob auf preußischem Gebiet die Bahn, wenn eine solche von Antwerpen bis zur Landesgrenze von Belgien gebaut werde, auch bis Köln durchgeführt würde. Zur Klärung dieser Frage wurde von einem im Dezember 1833 in Köln gebildeten Komitee ein Gutachten ausgearbeitet, das sich vorbehaltlos für eine Eisenbahnverbindung mit Belgien aussprach. Es mußte jetzt noch eine private Gesellschaft gesucht oder gebildet werden, die diese Bahnlinie bauen und betreiben sollte, denn der Preußische Staat baute damals bei der erwähnten ablehnenden Einstellung des Königs noch keine staatlichen Eisenbahnen. Der Bau der Eisenbahnlinie Köln-Lüttich war aber für eine private Gesellschaft ein Wagnis, da doch viele Strömungen aus dem eigenen Lande einem derartigen Unternehmen entgegenstanden.

Gegen den Bau einer Eisenbahnlinie Köln-Lüttich und darüber hinaus mit Anschluß an Antwerpen waren auf preußischer Seite besonders die Rheinschiffer, die bisher seit Jahrhunderten konkurrenzlos den Hauptgüterverkehr abgewickelt hatten; die Rheinschiffer dachten noch immer an eine Verwirklichung des bereits zur Zeit der französischen Besetzung des Rheinlandes von dem damaligen Präfekten des „Roer-Departement“ Ladoucette angestrebten Planes eines Kanalsystems zwischen Antwerpen und dem Rhein, das bei einer Länge von insgesamt 165 km hauptsächlich dem Transport von Kohle dienen sollte, die man noch überwiegend aus England bezog.

Kreise der Landwirtschaft befürchteten die zu erwartende Durchschneidung ihrer Ländereien, die dadurch entstehende Beeinträchtigung ihres Grundvermögens und Schwierigkeiten für die Viehhaltung in der Nähe der neuen Bahnlinie; sie wiesen darauf hin, daß die neuen Dampfwagen nicht unbedingt einen Schienenweg benötigten, denn sie könnten ja auf ebener Erde auf den Landstraßen oder wenigstens auf einem befestigten Wege neben den Landstraßen fahren und wären auch stark genug, dabei mehrere hintereinander gespannte Wagen zu ziehen. Im übrigen würde auch die Pferdezucht leiden, denn es würden weniger Pferde benötigt; hierdurch würden auch viele Fuhrknechte entbehrlich und brotlos.





Viadukt bei Aachen, im Hintergrund die Kirche Johann Baptist von Burtscheid. Zeichnung von L. Lange nach einem Stahlstich von Pappel.



Das Komitee ließ aber diese Anfeindungen aus der Bevölkerung unbeachtet; es gelang ihm schon bald interessierte Kreise für die Gründung einer privaten Eisenbahngesellschaft zu gewinnen, die unter dem Namen „Rheinische Eisenbahngesellschaft A.G.“ die erste ihrer Art im Rheinland war und deren technische Einrichtung und Organisation vorbildlich für das spätere Eisenbahnwesen Preußens wurde. Die neugegründete Rheinische Eisenbahngesellschaft befaßte sich schon bald mit den Berechnungen zur Überwindung der technischen Schwierigkeiten im Gelände der Nordeifel. Das zur Anlage der Eisenbahnlinie vorgesehene Gebiet war auf preußischem Boden für die damaligen Bauverhältnisse denkbar ungünstig, weil die Ausläufer der Eifel ihre Abdachung nach Norden haben; dazu mußten noch drei Wasserscheiden, die zwischen Rhein und Erft, zwischen Erft und Rur und die zwischen Rur und Maas durchschnitten werden. Die Richtung der Bahnlinie konnte sich daher nicht den Ausläufern der Gebirge und dem Lauf der Flüsse anpassen, sondern mußte deren Verlauf entgegengehen, wenigstens bis zur Erreichung des Indetales. Es war daher unmöglich, den geraden und kürzesten Weg zu wählen, sondern man mußte erheblich nach Norden bis nach Jülich ausweichen; aber auch hierbei wechselte das Gefälle im ganzen noch vierzehn mal.

Es schien den Planern unmöglich, den Wünschen des Komitees nachzukommen und von Köln aus Düren, Aachen und Eupen unmittelbar berühren zu lassen. Berechnungen ergaben, daß der Anschluß über Düren eine Verlängerung der Strecke und ein ständiges starkes Steigen und Fallen der Linie mit sich bringen würde, was zu erhöhten Arbeiten und vermehrten Kosten führen mußte; auch wäre noch ein Sonderanschluß an die Festung Jülich erforderlich geworden. Es wurde dann der Plan erwogen, die Bahn nördlich von Weisweiler unter Durchschneidung des Eschweiler Kohlengebietes im Bogen über Kornelimünster nach Eupen zu führen und die Stadt Aachen mit einer besonderen Stichbahn an diese Linie anzuschließen.

In diesem Stadium der Planung war es der Aachener Wirtschaftspolitiker David Hansemann, der sich unermüdlich dafür einsetzte, daß die Bahnlinie von Köln über Jülich doch noch unmittelbar nach Aachen durchgeführt erde; Düren konnte dabei allerdings nicht berührt werden, sondern sollte erst später durch eine Stichbahn nach Jülich Anschluß an die Bahnlinie Köln-Aachen erhalten.

Verkehrsmäßig war aber Düren in dieser Zeit noch sehr schlecht erschlossen. Es ist interessant, daß die Stadt Düren außer den die Eifelberge nördlich umgehenden Heerstraßen überhaupt nicht von Landstraßen überörtlicher Bedeutung berührt wurde. Von den etwa 70 Kunsttraßen im westlichen Teil des Königreiches Preußen lagen nur wenige - vielleicht aus strategischen Gründen - im linksrheinischen Gebiet. Keine einzige dieser Straßen berührte aber Düren, denn auch die große Landstraße von Köln nach Aachen führte über die Garnisonstadt und Festung Jülich, wo auch die preußische Landstraße von Düsseldorf und Neuß endete und Anschluß an die Landstraßen nach Köln und Aachen fand.

In Kreisen der Dürener Industrie wollte man daher die Planung einer Eisenbahnlinie, die wieder über Jülich führen sollte, nicht stillschweigend hinnehmen. Ende 1835 bildete sich daher überraschend in Düren ein „Komitee für die Annäherung der Eisenbahnlinie an Düren“, dessen Vorstand außer Bürgermeister Dr. Friedrich Günther die Tuchfabrikanten Leopold Schoeller und Ludwig Peill, der Eisenindustrielle L. J. Hoesch und Ludolf Schüll und Kommerzienrat Emil Pfeiffer angehörten.

Für die Bestrebungen des Komitees wird es nicht ohne Bedeutung gewesen sein, daß 1834 als direkte Landstraßen-Verbindung zwischen Köln und Düsseldorf eine neue „Aktien-Straße“ gebaut worden war. Aktionäre dieser Straße waren hauptsächlich die anliegenden Gemeinden, die von den Benutzern der Straße Wegegeld erheben ließen. Auf Bemühungen von Bürgermeister Dr. Günther wurde auf dieser neuen Aktien-Straße vom 1. Mai 1835 an auch der Postkutschenverkehr zwischen Köln und Aachen, der bisher über Bergheim und Jülich nach Aachen führte, nunmehr über Düren geleitet. Ab 1836 wurde auf dieser Straße sogar eine sogenannte Wagen-Schnellpost-Linie zwischen Köln und Düren eingerichtet, die in neunsitzigen Postwagen die Strecke in 4 ½ Stunden bewältigte und täglich eine Hin- und eine Rückfahrt machte.

Es gelang dem Dürener Komitee für das Eisenbahnprojekt über Düren auch David Hansemann zu begeistern, dessen eigene Bemühungen um eine direkte Verbindung mit Aachen durch die Bestrebungen des Dürener Komitees eine willkommene Unterstützung fanden. Die Planungsarbeiten für das Köln-Düren-Aachen-Projekt gingen so zügig voran, daß das Komitee bereits am 12. März 1836 die fertigen Nivellements- und Situationspläne im Düsseldorfer Rathaussaal der Bevölkerung zur Einsicht offen legen konnte.

Die Bemühungen dieser mit sicherem Weitblick für die Zukunft planenden Männer fanden aber in der Dürener Bürgerschaft wenig Anklang und Unterstützung. Die damals allerorts den Neuerungen der Technik noch mißtrauisch und zurückhaltend gegenüberstehende Bevölkerung befürchtete, daß die neuen feuerspeienden und starken Rauch entwickelnden „Feuerwagen“, wie man damals die Lokomotiven nannte, die Bürger in ihrer Ruhe stören würde. Auch die Dürener Presse nahm schroff Stellung gegen die beabsichtigte Führung der Eisenbahnlinie über Düren. Ende 1836 bringt das „Stadt-Dürener Anzeige- und Unterhaltungsblatt“ einen Artikel unter dem Titel „Die Sitten, die Gesetze und die Eisenbahnen“, in dem man gesetzliche Schutzmaßnahmen gegen jede Einführung von Eisenbahnlinien forderte. Aus dem Inhalt des Artikels erkennt man deutlich, daß man sich in Düren in jenen Entwicklungsjahren der Eisenbahn unnütze Gedanken um die Zukunft machte und von der Bedeutung, dem Nutzen und der Gefahrlosigkeit der Eisenbahnen keineswegs überzeugt war, denn man sah nur die durch die Einführung der Eisenbahn entstehenden Nachteile.

In dem Artikel heißt es hierzu u. a.: „Die Pferde werden auf den halben Sold herabsinken, denn ihre Zeit ist vorbei. Überall werden die Felder abgemessen, die Straßen abgesteckt, die Wege gleichgemacht, die Hügel nivelliert, die Täler erhöht und das Land geebnet. Man baut Straßen für die Maschine, die alle Posten und Fahrzeuge bugsieren wird. Die Maschine steckt ihre Eroberungsfahne auf und nimmt im Namen des Dampfes von allen Landstraßen (!) Besitz. Und niemand sieht die Krisis, die sich vorbereitet; keine Stimme der Tribüne und des Journalismus erhebt sich, um die Sitten und Gesetze mit der Dampfmaschine in Übereinstimmung zu bringen. Welches Chaos entsteht durch die Eisenbahnen, wenn man nicht Vorkehrungen trifft; sie drohen eine Gefahr zu werden, die schrecklicher ist als alle Drohungen der Kometenschweife.“

Trotz aller Warnungen der Presse vor der „drohenden Gefahr“ arbeitete aber das Dürener Komitee unbeirrt weiter; ihm und den Bemühungen David Hansemanns, auf dessen Denkmal in Aachen man später die Worte setzte „Vorkämpfer der Rheinischen Eisenbahn“ und nach dem man in Düren eine Straße benannte, gelang es, daß die Eisenbahnlinie über Düren gelegt wurde. Der Stadt Düren wurde damit zwar die Grundlage für ihre heute Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt gegeben, es wurde ihr aber auch im Landesinteresse ein Opfer auferlegt, das ihre Entwicklung in städtebaulicher Hinsicht auf Jahrzehnte hinaus hemmte.

1837 wurden auf der ganzen Strecke die Bauarbeiten aufgenommen. Es mußten gewaltige Erdbewegungen vorgenommen werden, um die auf der Strecke liegenden Senkungen zu einem Damm zu erhöhen und in höheren Lagen die Trasse in das hügelige Gelände einzuschneiden. Im gleichen Jahr lieferte aber auch schon das Lendersdorfer Walzwerk Hoesch die ersten Schienen an die Rheinische Eisenbahngesellschaft. Am 2. 8. 1839 war bereits die 7,2 km lange, damals noch eingleisige Strecke von Köln bis zur heute nicht mehr bestehenden Station Müngersdorf fertiggestellt und wurde von dem damaligen Präsidenten der Gesellschaft, Appellationsgerichtsrat von Ammon dem Verkehr übergeben. An der Eröffnungsfeier nahmen u. a. teil der Oberpräsident der Rheinprovinz, Freiherr von Bodelschwingh-Velwede, Generalleutnant von Colomb und der leitende Ingenieur und Erbauer der belgischen Eisenbahnen H. Simons, wodurch die Bedeutung der künftigen Bahnlinie sowohl für Preußen als auch für Belgien um Ausdruck gebracht wurde. Am 1. 7. 1840 wurde als Verlängerung der Bahnlinie der 6,6 km lange Abschnitt von Müngersdorf bis Lövenich in Betrieb genommen. Wenn die ganze Linie Köln-Düren-Aachen erst 1841 fertiggestellt war, so lag dies an den zeitraubenden Arbeiten beim Bau der vielen Tunnels und Brücken, für deren Errichtung man noch keine Erfahrung hatte, und vor allem an den Bauarbeiten der prächtigen Viadukte, von denen der vor Aachen liegende 277 Meter lang und 23 Meter hoch war.

Es wurden um diese Zeit auch die ersten Bahnhöfe in Köln, Düren und Aachen erbaut; sie waren alle zwar recht bescheiden und einfach, erfüllten aber für die damaligen Verhältnisse durchaus ihren Zweck.

In Köln lag das erste „Personal-Stationsgebäude“ am „Türmchen“ beim alten Sicherheitshafen (heute Deutscher Ring), da die Eisenbahnen nach Köln nur bis zum äußeren Festungsring Kölns, der das heutige Stadtzentrum umgab, fahren durften. 1856 wurde ein neuer Bahnhof an der Trankgassenwerft erbaut. Der erste „Zentralbahnhof“ wurde mit dem Bau der ersten Eisenbahnbrücke über den Rhein, der sogenannten „Mausefalle“, im Jahre 1859 auf dem Gelände des alten Botanischen Gartens errichtet; an dieser Stelle erhebt sich heute der Hauptbahnhof.

Der Dürener Bahnhof lag ebenfalls weit außerhalb der Stadt und zwar an der Nordseite der heutigen Anlagen am Langemarckplatz; dieser kleine Bahnhof wurde 1874 durch einen Bahnhofsneubau abgelöst, diente aber noch weiter als Geräteschuppen und wurde erste 1930 abgebrochen.

Auch in Aachen lag der erste Bahnhof außerhalb der Stadtmauern und zwar an der gleichen Stelle des heutigen Hauptbahnhofes; auch hier diente der kleine Bahnhof rund 50 Jahre seiner Bestimmung.

Am 1. September 1841 wurde dann die 56,5 km lange Reststrecke zwischen Lövenich und Aachen in Betrieb genommen, so daß nunmehr die ganze Bahnlinie von Köln über Düren nach Aachen für den Personen- und Güterverkehr benutzbar war. Schon vor der Eröffnungsfahrt müssen wohl die Aachener Direktoren der Eisenbahngesellschaft auf ihre Art eine lustige Probefahrt zur Annakirmes nach Düren durchgeführt haben, denn die Kölner Direktoren tadelten die Aachener Kollegen in einer Sitzung vom 4. 8. 1841 (nach dem Geheimprotokoll von diesem Tage) ernstlich, daß sie eine „solenne Fahrt“ mit 150 Personen von Aachen nach Düren ohne Wissen und Willen der Kölner Direktion gemacht hätten. Die Aachener verteidigten sich damit, daß auch die Kölner Herren mehrmals ähnliche Fahrten bis nach Lövenich unternommen hätten.

Die Eröffnungsfeier der Eisenbahnlinie am 1. 9. 1941, an der außer den Direktoren und Aktionären der Rheinischen Eisenbahngesellschaft Vertreter der preußischen und belgischen Regierung, der Post, der Stadt Köln, der Industrie und des Handels teilnahmen, wurde in Köln mit einem Festakt und einem Festessen eingeleitet. Unter dem Salut der Geschütze der Festung Köln trat dann der erste aus 28 dreiachsigen Wagen bestehende Zug, der von den Lokomotiven „Hercules“, „Vorwärts“ und „Rhein“ gezogen wurde, seine Jungfernfahrt von Köln über Düren nach Aachen an.

Höhepunkt war auf der Fahrt nach Düren der Königsdorfer Tunnel, der der erste Eisenbahntunnel Deutschlands war. Beim Bau dieses Tunnels war man nach einem von Obersteiger Sauer erdachten Verfahren wie beim Stollenbau eines Bergwerks vorgegangen, indem man von der Höhe des Gebirgszuges der „Ville“ aus im Verlauf der Trasse fünf Schächte bis zu der vorgesehenen Tunnelsohle senkrecht in die Erde trieb und auf der Sohle zu den Eingängen hin den Tunnel in Länge von 1623 Metern auffuhr. Die fünf Schächte wurden in schwerem Mauerwerk aus Feldbrandsteinen ausgebaut, deren Ziegel an Ort und Stelle aus über dem künftigen Tunnel anstehenden Lehmschichten gebrannt wurden; die fünf Schächte dienten später als Entlüftungsschächte. Auch die Tunnelröhre wurde ausgemauert. Durch diese sonst im Untertagebau angewandte „Kernbauweise“ erklärt sich auch die für die damalige Zeit sehr kurze Baudurchführung vom Jahre 1837 bis 1841. Die Anwendung der Kernbauweise für den Tunnelbau wurde später unter der technischen Bezeichnung „Deutsche Bauweise“ in anderen Ländern bekannt. Noch Jahrzehnte nach seiner Erbauung war der Königsdorfer Tunnel der längste Eisenbahntunnel Europas und galt mit seiner „Deutschen Bauweise“ als eine Art Weltwunder.

Zur Eröffnungsfahrt war der Tunnel mit Pechfackeln hell erleuchtet und wird zweifellos einen unvergeßlichen Eindruck auf die Teilnehmer an der Jungfernfahrt hinterlassen haben.





Die erste Eisenbahnbrücke über die Rur in Düren wurde 1938 gebaut und stand bis 1931.



In Düren waren der Stadtrat, die Gesellschaften und Vereine und die St. Ewaldus-Schützengilde unter Glockenspiel mit fliegenden Fahnen und Musik zum Stationsplatz der Eisenbahn gezogen, um dort die Ankunft des ersten Zuges zu erwarten. Vom Annaturm herab wehten drei große Flaggen in den Farben Preußens, der Stadt Düren und dem rot-weiß der Rheinischen Eisenbahngesellschaft. Musik, Böller und Glockengeläute empfingen die von Köln kommenden Fahrgäste, denen der Dürener Stadtrat einen Ehrentrunk reichen ließ. Die Dürener Ehrengäste bestiegen die ihnen freigehaltenen Wagen, um die Weiterfahrt nach Aachen mitzumachen. Unterwegs hatten die Ehrengäste Gelegenheit, die Fahrt durch zwei kleinere Tunnels und die Überfahrt über den großen Viadukt zwischen Aachen und Burtscheid zu erleben.

Für Aachen war das historische Ereignis der Jungfernfahrt des ersten Eisenbahnzuges Anlaß zu einem besonderen Staatsakt mit einem Festessen, Feuerwerk und einem „Bal paré“ im Krönungssaal des Aachener Rathauses. Zwei Tage lang wurden Konzerte und Volksbelustigungen am Belvedere-Gebäude auf dem Louisberg durchgeführt. Eine Oper- und eine Schauspieldarbietung waren gesellschaftliche Höhepunkte an beiden Abenden.





Einweihung der jetzigen Dreigurtbrücke in Düren über die Rur am 3. August 1930. Sie ist auch heute noch die einzige Dreigurtbrücke der Welt.



Nach der offiziellen Freigabe der Bahnlinie für den Personenverkehr am 19. 9. 1841 wurde auf der Strecke am 3. 11. 1841 auch der Güterverkehr aufgenommen. Dadurch entstand dem bisherigen Postwagenverkehr auf der Strecke Köln-Aachen sowohl über Düren als auch über Jülich eine starke Konkurrenz, die schon bald zur Aufhebung der meisten Postwagenlinien führt. Die Post verstand es aber sich umzustellen und den veränderten Verkehrsverhältnissen entsprechend neue Zubringerlinien zu den Stationen der Eisenbahn einzurichten. Bereits am 30. 10. 1841 veröffentlichte die Kölner Postinspektion im Amtsblatt der Regierung Aachen eine Bekanntmachung, in der es heißt, daß vom 1. 11. 1841 ab auf Anordnung des Königlichen General-Postamtes in Berlin in Folge der Eröffnung der Rheinischen Eisenbahn auf der „Straße“ zwischen Köln und Aachen die zwischen diesen Orten sowohl auf der Route über Jülich aus auch über Düren bisher bestandenen Postverbindungen sämtlich aufgehoben werden: nur die „Nachts-Personen-Post“ zwischen Köln über Jülich nach Aachen bleibe bestehen. Ab sofort würden die „Dampfwagen-Fahrten“ zwischen Köln und Aachen zur Beförderung der Korrespondenz und Postgütern aller Art benutzt. Es wurden neue Zubringerlinien der Post von Bergheim und Kerpen, von Jülich, Linnich, Erkelenz, Heinsberg, Geilenkirchen und Aldenhoven aus zu den nächstgelegenen Bahnstationen Horrem bzw. Düren eingerichtet.

Im Jahre 1843 war die Eisenbahnlinie Köln-Düren-Aachen bis nach Herbesthal durchgeführt. Zu gleicher Zeit hatte auch die Belgische Staatsbahn die Strecke Antwerpen-Brüssel-Lüttich bis Herbesthal vorgezogen, so daß nunmehr eine durchgehende Verbindung von Köln nach Antwerpen bestand.

Damit hatte die Rheinische Eisenbahngesellschaft als erste Eisenbahn Europas eine ausländische Staatengrenze überquert. 1847 erhielt diese Strecke Anschluß an die französische Nordbahn, wodurch eine unmittelbare Verbindung vom Rhein bis nach Paris geschaffen war.

Die durchschnittliche Fahrtgeschwindigkeit der Züge betrug damals noch etwa 30 - 40 km pro Stunde; es war dies schon eine beachtliche Leistung. Es gab auch schon drei Wagenklassen für die Personenzüge; die 3. Klasse bestand allerdings aus seitlich offenen Wagen, die gern von der ländlichen Bevölkerung benutzt wurden. Ob die Fahrt in diesen offenen Wagen ein Vergnügen war, kann bezweifelt werden, denn alle Wagen waren noch überwiegend aus Holz hergestellt und hatten keine Federung und keine Puffer. Die Reisenden der 3. Klasse durften sich während der Fahrt nicht von ihren Sitzen erheben, wenn sie nicht Gefahr laufen wollten, hinausgeschleudert zu werden; überdies waren die Wagen der 3. Klasse auch noch ohne Türen. Die Wagen der 2. Klasse waren schon mit einem Dach versehen. Vollständig geschlossen und gedeckt waren nur die Wagen der 1. Klasse; für diesen Luxus war aber auch der Fahrpreis mehr als doppelt so hoch wie der für die 3. Klasse.





Die alte und die neue Zeit.



Die alten Betriebsvorschriften der Eisenbahngesellschaft vermitteln uns ein interessantes Bild von den Anfängen des Eisenbahnverkehrs. Die Reisenden durften die Ankunft des Zuges nicht im Freien erwarten, sondern mußten sich, wahrscheinlich zur Vermeidung von Unfällen, bis kurz vor der Abfahrt des Zuges im Warteraum aufhalten; erst nach Erklingen eines Glockenzeichens durften sie den Warteraum verlassen und den Zug besteigen. Die Plätze wurden den Reisenden von Bahnbediensteten angewiesen, die nach preußischem Vorbild gekleidet waren und die militärische Dienstbezeichnung „Schirrmeister“ trugen. Kranke und Betrunkene durften die Eisenbahn nicht benutzen; für Kinder war der volle Fahrpreis zu zahlen.

Als Gepäckstücke durften mit in die Wagen genommen werden „kleine, leicht tragbare Gegenstände, wie kleine Nachtsäcke, gewöhnliche Männer-Hutschachteln (!), Regen- und Sonnenschirme“, nicht aber geladene Gewehre. Man kannte auch schon eine gewisse Einteilung in Raucher- und Nichtraucher-Abteile. In der 1. Klasse war das Rauchen grundsätzlich untersagt; in der 2. Klasse war es in bestimmten Wagen gestattet, vorausgesetzt, daß die Pfeifen mit Deckeln versehen waren. In der 3. Klasse konnte in allen Wagen geraucht werden, weil diese ja offen waren.

Ob sich nun die erste Eisenbahn in unserer Heimat anfangs schon eines allgemeinen Zuspruchs erfreute, ist uns nicht bekannt geworden. Durch die Einstellung des Postwagenverkehrs war man aber für größere Reisen auf eine Benutzung der Eisenbahn angewiesen. Nach einem Jahresbericht für 1843 wurden bereits in diesem Jahr allein auf der Strecke Köln-Aachen durch die Rheinische Eisenbahngesellschaft rund 1680000 Personen befördert. Im Gegensatz hierzu konnte man z. B. in Berlin derartige Erfolge nicht verzeichnen. Hier wurde die Eisenbahn erst 1847, sechs Jahre nach der Eröffnung der Bahnlinie Köln-Aachen, eingeführt; tagsüber wurden in Berlin die Wägelchen von den dampfenden Lokomotiven gezogen, nachts aber - das erforderte offenbar die Sicherheit oder auch die Nachtruhe der Berliner - zogen Pferde die Eisenbahnwagen im Zuckeltrab über die Schienen. Es mußte hier noch durch en besonderes Zugabesystem für die Benutzung der Eisenbahn geworben werden, denn wer eine Fahrkarte erwarb und die Eisenbahn benutzte, der durfte zur Belohnung seines Mutes das „Berliner Sommertheater“ besuchen, das die Bahndirektion Steglitz unterhielt. Um diese Zeit hatte aber die Rheinische Eisenbahngesellschaft bereits internationale Bedeutung.

Das Eisenbahnwesen wurde im Rheinland in den folgenden Jahren von zahlreichen kleineren Aktiengesellschaft weiter entwickelt, die zum Teil ganz für sich und ohne Zusammenarbeit mit benachbarten Gesellschaften ihre Strecken betrieben. Einig waren sich die vielen Eisenbahngesellschaften im Rheinland und auch darüber hinaus in den benachbarten Staaten nur in der gemeinsamen Spurweite der Schienen, die auf die Spurnorm der Rheinischen Eisenbahngesellschaft mit 1435 mm ausgerichtet war.

Die geringe Zusammenarbeit der sich bald entwickelnden deutschen Eisenbahngesellschaften zeigt sich besonders dadurch, daß man kaum die Fahrtzeiten mit den angrenzenden Eisenbahnlinien abstimmte. Es wurde auch von den Eisenbahngesellschaften kein gemeinsames Kursbuch herausgegeben ein solches Kursbuch wurde noch jahrzehntelang für die Eisenbahn-, Post- und Dampfschifflinien gemeinsam vom Thurn- und Taxis'schen Generalpostmeister in Berlin herausgegeben. Das Studium der ersten Kursbücher erfordert heute umständliche Berechnungen. Es gab nämlich damals in Deutschland eine einheitliche Uhrzeit. In Deutschland regierten um 1840 noch 39 Könige, Großherzöge, Herzöge und Fürsten, die noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts nicht nur eine eigene Währung, sondern auch eine eigene Zeitrechnung hatten. In Aachen gingen die Uhren anders als in München oder Karlsruhe, in Berlin anders als in Hannover oder Magdeburg. Die früheren Hofastronomen hatten die jeweilige Landeszeit genauestens nach dem Meridian von Greenwich berechnet und so mußten in den ersten Jahren des deutschen Eisenbahnwesens die Fahrgäste schon gute Rechner sein, um die in den Fahrplänen angegebenen Landeszeiten mit den tatsächlichen Fahrzeiten abstimmen zu können, damit sie auch ihre Anschlüsse erreichten. In späteren Jahren gelang es aber den Eisenbahngesellschaften ihre Fahrpläne einheitlich nach der „Berliner Zeit“ auszurichten. Dem reisenden Publikum mußte allerdings noch lange eine Anleitung mitgegeben werden, aus der ersichtlich war, wie diese „Berliner Zeit“ auf die jeweilige Ortszeit umgerechnet werden konnte. Durch diese organisatorischen Bemühungen leisteten die Eisenbahnen auch außerhalb des die Länder verbindenden Schienenstranges einen Beitrag zur künftigen Einheit Deutschlands.








Quelle: Jahrbuch Kreis Düren 1966
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