Euskirchens Entwicklung zum Eisenbahn=Knotenpunkt
Ein geschichtlicher Rückblick von H. Uthes.








Am 6. Mai morgens mußten weitere 60 Familien zum schweren Gang in die Verbannung bereitstehen. Die Versuche der städtischen Beigeordneten, wenigstens die Ausweisung der am schwersten getroffenen Familien abzuwenden, hatten keinen Erfolg. Von der Stadtverwaltung wurde damals nach Berlin berichtet: „Die Eisenbahner gehen mit einer Selbstverständlichkeit, die bewunderswert ist. Haus und Hof, Möbel und Wäsche, Vieh und alles lassen sie im Stich. Hoffentlich wird man drüben die überaus großen Opfer anerkennen und die Ausgewiesenen mit offenen Armen empfangen.“

Die Gesamtliste der aus Euskirchen ausgewiesenen Eisenbahner weist 216 Namen auf. Anfang des Jahres 1924 erhielten die Ausgewiesenen infolge des zwischen der Deutschen Reichsahn und der französisch=belgischen Eisenbahnregie geschlossenen Mainzer Abkommens vom 1. Dezember 1923 die Erlaubnis, mit ihren Familien zur Dienstleistung in das besetzte Gebiet zurückzukehren. Ihre Wohnungen blieben jedoch von den Angehörigen der Regie weiter belegt. Für die zurückkehrenden Eisenbahner=Familien mußten deshalb Notwohnungen beschafft und ausgestattet werden. Die Stadtverwaltung hat damals in der Hilfsbereitschaft das Menschenmögliche geleistet. Von Anfang Oktober 1924 an zogen die Regiefamilien allmählich ab, und am 16. November 1924 ging das Eisenbahnnetz im setzten Gebiet nach fast 22monatiger Beschlagnahme durch die Regie wieder an die Deutsche Reichsbahn=Gesellschaft über. Eine Zeitlang gab noch das von der Regie erbaute Umgehungsgleise von der Dürener zur Eifelstrecke Kunde von der Franzosenherrschaft. Ein trauriges Kapital in der Geschichte unserer Eisenbahnstation war abgeschlossen, aus dem aber das opferbereite Treubekenntnis der Eisenbahner in alle Zeiten ruhmvoll weiterleuchten wird.

Dann erfolgten der Wiederaufbau und die weitere Entwicklung der Eisenbahn unter deutscher Verwaltung. Die allmähliche Gesundung der deutschen Wirtschaft nach der Stabilisierung der Währung und Ueberwindung der Jahre völligen Niederbruchs kamen auch in den Verkehrsziffern der Station Euskirchen zum Ausdruck. Im Jahre 1926 war die Zahl der täglich einfahrenden Schnell=, Personen= und Güterzüge 76, die der ausfahrenden 74, zusammen also 150. Im selben Jahre wurden auf der Station Euskirchen 817180 Fahrkarten verkauft. Im Güterverkehr betrug der Empfang an Stückgut 6150 Tonnen, an Wagenladungen 240500 Tonnen, der Versand 6237 bezw. 82800 Tonnen, die Zahl der abgefertigten Frachtbriefe im Empfang 64227, im Versand 49265.

Einen großen Tag erlebte der Bahnhof Euskirchen am 11. Oktober 1930, als der greise Reichspräsident Paul von Hindenburg auf seiner Reise in das befreite Rheinland in Euskirchen einen kurzen Aufenthalt einlegte und von der Bahnhofstreppe aus das Treubekenntnis der begeisterten Bevölkerung entgegennahm.

Die gewaltigen Leistungen der Station Euskirchen in den Jahren 1938 und 1939 aus Anlaß der Erbauung des Westwalles, der ernsten Ereignisse Ende September 1938 und währen des uns aufgezwungenen neuen Krieges sind so zeitnah, wir darüber kein Wort zu schreiben brauchen. Die durch die zielbewußte Politik Adolf Hitler von allen Fesseln befreite Deutsche Reichsbahn hat bewiesen und beweist es täglich, daß die vertrauensvollen Erwartungen, die der Führer und das deutsche Volk auf sie gesetzt haben, in vollem Maße Erfüllung finden. Das gilt auch für die Station Euskirchen.

So ist im Laufe von 75 Jahren die Eisenbahnstation Euskirchen aus kleinen Anfängen zu einem Faktor von stärkster Bedeutung für das gesamte Leben und die Entwicklung unserer Vaterstadt Euskirchen geworden. Die Männer, die in ihrem Dienste stehen, sind immer stärker in die Gemeinschaft der städtischen Bürgerschaft hineingewachsen. Die Vorsteher des Bahnhofes Euskirchen unter deren Amtsführung sich der Ausbau der Eisenbahnstation im Laufe von drei Vierteln eines Jahrhunderts zu ihrer jetzigen Bedeutung vollzog, haben allezeit eine geachtete Position in der Bürgerschaft eingenommen, angefangen von den ersten “Inspektoren“ Ackermann, Koch, v. Cöllen, Paetzold, Grenzhäuser bis zum jetzigen Vorsteher Meier, der nun schon länger als 10 Jahre seines Amtes waltet. Das Gleiche ist von den Vorstehern der Betriebsinspektion zu sagen, von denen wir nur den Senior Baurat Nacke nennen. Aus der großen Zahl der Beamten, die vielfach durch Grundbesitz in der Stadt verankert waren, hat mancher Name auch heute noch einen guten Klang. Die Bedeutung der Gruppe der Eisenbahner in der Bürgerschaft fand schon im Jahre 1902 ihre Anerkennung dadurch, daß ihr stets eine Vertretung im Stadtverordneten=Kollegium der früheren Prägung eingeräumt wurde. Welch großen Anteil z. B. die Eisenbahner=Stadtverordneten Nießen und Thommes in den langen Jahren ihrer Mitarbeit im Rate der Stadt an deren Aufstieg genommen haben, ist in den Annalen Euskirchens ehrenvoll verzeichnet. Schon viel früher hatte ein Eisenbahner, der technische Betriebssekretär Friedrich Wilhelm Brück, jahrzehnte lang den Zeichenunterricht an der städtischen Fortbildungsschule geleitet.

Vorbildlich waren unsere Eisenbahner stets in der Wahrung und Betätigung echter Kollegialität und Kameradschaft. Am 12. Juni 1904 schlossen sie sich in einem Verein zu dem Zwecke zusammen, die Zusammengehörigkeit der Eisenbahnbediensteten durch gemeinnützige und gesellige Einrichtungen zu fördern. Was diese Eisenbahner=Vereine für ihre Mitglieder namentlich auf dem Gebiete der Fürsorge geleistet haben, ist auf dem diesjährigen Versandtage in Linz in einem umfassenden Tätigkeitsberichte zum imponierenden Ausdruck gekommen. Ihre Tätigkeit wird in der neuen Organisation des Reichsbahn=Kameradschaftswerks nach bewährten Richtlinien fortgesetzt.

Wir haben uns bestrebt, in vorstehendem Rückblick die Entwicklung der Eisenbahnstation Euskirchen zu einem bedeutenden Verkehrs=Knotenpunkt innerhalb 75 Jahren zu schildern. Die Bürgerschaft der Stadt hat an dem Erinnerungstage ihrer Errichtung, der den ernsten Zeitläufen entsprechend ohne jede Feierlichkeit verlaufen ist, herzlichen Anteil genommen, und ist mit ihren Eisenbahnern einig in dem Wunsche, daß der Station Euskirchen noch einem ehrenvollen Frieden lange Zeiten einer glücklichen Weiterentwicklung beschieden sein mögen!








Quelle: Euskirchener Volksblatt vom 20. Oktober 1939
Archiv: Anton Könen Mechernich









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