Wie vor 75 Jahren der Bau der Eifelbahn ernstlich gefährdet war








Am 11. Januar 1864 war dem Preußischen Abgeordnetenhause eine Regierungsvorlage zugegangen, durch die der Rheinischen Eisenbahn=Gesellschaft behufs Uebernahme des Baues und Betriebs einer Eisenbahn von Trier durch die Eifel nach Kall die Garantie des Staates für einen jährlichen Reinertrag des in diesem Unternehmen anzulegenden, vorläufig zu 11000000 Talern angenommenen Kapitals bewilligt werden sollte. Die Vorlage war sehr eingehend begründet, so daß an ihrer glatten parlamentarischen Erledigung kaum zu zweifeln war.

Aber es herrschte damals zwischen Krone und Volksvertretung eine tiefgehende Konfliktstimmung. Sie war entstanden durch den Widerstand der stärksten Partei des Abgeordnetenhauses, der Fortschrittspartei, gegen die von König Wilhelm noch als Prinzregent eingeleitete Heeresreform. Die Erinnerung an diese Zeit ist gerade heute doppelt interessant. Am 8. November 1858 hatte Prinzregent Wilhelm in seiner Ansprache an das Staatsministerium erklärt: „Preußens Heer muß mächtig und angesehen sein, um, wenn es gilt, ein schwerwiegendes Gewicht in die politische Wagschale legen zu können.“ (Dieselbe Erkenntnis hat Adolf Hitler bewogen, die deutsche Wehrmacht neu aufzubauen. Was wären wir heute ohne unsere starke Rüstung?) Es war unbegreiflich, daß gerade die Partei, deren Ziel programmgemäß die „deutsche Zentralgewalt Preußens Händen“ war, der Regierung das verweigerte, was ihr die Durchführung dieses fortschrittlichen Programms erst ermöglichen sollte.

Anfang März 1862 verweigerte das überwiegend fortschrittlich gesinnte Abgeordnetenhaus die Genehmigung des Staatshaushalts, in dem die Mittel für die Heeresreform eingesetzt waren. Der König löste daraufhin am 11. März 1862 das Abgeordnetenhaus auf, entließ das liberale Ministerium und schrieb Neuwahlen aus, die aber wieder eine fortschrittliche Mehrheit ergaben. Das neugewählte Abgeordnetenhaus strich am 23. Sept. 1862 alle Ausgaben für die Heeresreform. Am selben Tage berief der König Wilhelm Otto v. Bismarck an die Spitze der Regierung, der nun im Kampfe zwischen Krone und Parlament rücksichtslos und entschieden die Verteidigung der Politik des Königs übernahm und die Militär-Reorganisation gegen den Willen der Mehrheit des Abgeordnetenhauses durchsetzte.

Der Gegensatz zwischen Krone und Volksvertretung blieb auch im folgenden Jahre bestehen und machte sich auch noch im Jahre 1864 immer wieder störend geltend, als der dänische Krieg das Bestreben des Königs auf Stärkung der Heeresmacht glänzend rechtfertigte. So stand es noch, als am 14. Januar 1865 der Landtag wieder einberufen wurde und man gespannt war, ob die Fortschrittspartei ihre unfruchtbare Opposition fortsetzen werde. Unter den zahlreichen bedeutsamen Vorlagen, die seitens der Regierung dem Parlament zur Beschlußfassung vorgelegt wurden, befand sich auch die inzwischen von der zuständigen Kommission durchberatene und genehmigte Vorlage über mehrere Eisenbahnbauten, darunter diejenige von Trier durch die Eifel nach Kall. Das „Euskirchener Wochenblatt“, das in dem politischen Konflikt stets entschieden auf der Seite des Königs gestanden hatte, begleitete die Meldung über die Landtagseröffnung mit folgenden treffenden Bemerkungen: „Hiernach wird es dem Landtag an Gelegenheit zu fruchtbringender Tätigkeit für die wirklichen Landesinteressen nicht fehlen. Möchten die Mitglieder beider Häuser, beseelt von dem Geist wirklicher Vaterlandsliebe und von dem festen Willen, das Wohl des Landes in Gemeinschaft mit der Regierung zu fördern, an ihre ernsten und wichtigen Aufgaben herangehen und die trüben Vorzeichen Lügen strafen, welche hier und da in Bezug auf die Absichten des Parteiwesens bereits auftauchen!“

Diese Befürchtungen bewahrheiteten sich. Die Fortschrittspartei machte von der unumschränkten Anerkennung des Budgetbewilligungsrechtes der Landesvertretung ihre Stellungsnahme zu jeder einzelnen Vorlage abhängig und ging dabei so weit, selbst die Behandlung der Eisenbahnvorlagen dieser hochpolitischen Forderung unterzuordnen. Ein großer Teil der Fortschrittspartei stellte Anfangs April 1865, als die Eisenbahnvorlagen auf die Tagesordnung kamen, den Antrag, diese Vorlagen nicht eher zu beraten, bis die Regierung sich den Forderungen der Fortschrittspartei gebeugt habe. Der damalige Handelsminister Graf Itzenplitz wandte sich mit allem Nachdruck gegen diesen Vertagungsantrag und ersuchte die Mehrheit des Hauses dringend, das Wohl des Landes über die Parteiinteressen zu stellen. Es folgte eine lange, erregte Debatte, in der Redner der Konservativen und der Katholischen Fraktion den Antrag entschieden bekämpften. Schließlich fielen die Fortschrittlichen unter dem Druck der gegen ihre kleinliche Politik gerichteten Argumente auseinander, so daß bei der Abstimmung 178 gegen 108 Stimmen standen. Bei der dann vorgenommenen Beratung der Eisenbahnvorlage Trier=Kall wurde diese trotz des heftigsten Widerstandes des Führers der Fortschrittspartei vom Hause angenommen, so daß der Inangriffnahme des Baues nun nichts mehr im Wege stand.

Jedenfalls ist diese geschichtliche Erinnerung ein lehrreicher Beweis dafür, daß der Parlamentarismus in Preußen schon wenige Jahre nach seiner Entstehung als Folge der Ereignisse von 1848 falsche Wege ging.








Quelle: Euskirchener Volksblatt vom 15. April 1940
Archiv: Anton Könen Mechernich









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