Ein Eisenbahn=Jubiläum








Heute vor 50 Jahren, am 1. Juni 1890, ist auf der Eisenbahnstrecke Euskirchen=Bonn der Vollbahnbetrieb eröffnet worden. Bis dahin war diese Strecke Sekundärbahn. Dieser Tag bedeutete einen großen Fortschritt in der Verkehrsentwicklung unserer Stadt und wurde deshalb in der Lokalpresse mit besonderer Freude begrüßt.

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts tendierte der wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Verkehr unserer Vaterstadt viel stärker nach Bonn als nach der Regierungsbezirks=Hauptstadt Köln. Es lag wohl zum Teil daran, daß Bonn die uns nächstgelegene größere Stadt und die Entfernung dorthin um eine Meile geringer war als nach Köln. In der Hauptsache waren es jedoch andere Momente, die den Euskirchener Verkehr stark nach Bonn zogen. Euskirchen war dem Bezirkskommando Bonn unterstellt. Viele seiner wehrfähigen Söhne dienten bei den Bonner Husaren und später bei dem Bataillon 28er, das in Bonn lag. Wir gehörten ferner - und auch heute noch - zum Landgerichtsbezirk Bonn. Bei der damaligen beschränkten Zuständigkeit der Amtsgerichte mußte ein großer Teil ziviler Streitigkeiten schon in erster Instanz, wie auch alle bedeutenden Strafsachen, in Bonn ausgetragen werden. Ebenso gingen alle Berufungssachen nach dort. Euskirchen wurde auch in der ersten landwirtschaftlichen Organisation, dem Landwirtschaftlichen Verein für Rheinpreußen, zuerst Bonn zugeteilt. Später waren die gesamte industrielle Wirtschaft und der Handel Euskirchens der Handelskammer Bonn anvertraut. Bonn zog an durch seine höheren Schulen und seine Universität. Zahlreiche Euskirchener Familien waren durch verwandtschaftliche Beziehungen mit der rheinischen Musenstadt verbunden, und Bonn hatte als Tor zum Rhein und zum Siebengebirge stets eine besondere Anziehungskraft.

Es war deshalb selbstverständlich, daß, nachdem Euskirchen im Jahre 1864 seine erste Eisenbahnverbindung mit Düren erhalten hatte, sich alsbald auch Wünsche regten, mit Bonn durch den Schienenweg verbunden zu werden. Zunächst stand freilich der Ausbau der Eifelbahn aus strategischen Gründen im Vordergrunde. Aber schon am 9. Juni 1873, noch ehe die Verbindung mit Köln fertig gestellt war, hatte die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft auch die Konzession für den Bau einer Eisenbahn von Euskirchen nach Bonn erhalten. Es dauerte aber noch bis zum 28. März 1878, bis in der Nähe des Exerzierplatzes der Bonner Husaren am Tannenbusch der erste Spatenstich zu der neuen Bahnlinie getan werden konnte. Am 7. Juni 1880 war sie vollendet, aber als Sekundärbahn. Ferner war die Absicht, mit dieser Bahnlinie eine direkte Verbindung von der belgischen Grenze nach dem Oberrhein durch eine Abzweigung von der Hauptlinie nach der Ahr zu schaffen, nicht in Erfüllung gegangen. Die Enttäuschung über diese beiden Mängel spricht denn auch deutlich aus dem Berichte, mit dem das Euskirchener Volksblatt in seiner Nummer 46 vom 9. Juni 1880 die Eröffnung der Strecke meldete:

„Euskirchen, 7. Juni. Heute morgen fuhr der erste Eisenbahnzug der neuen Strecke mit zahlreich Passagieren von hier nach Bonn ab. Der erste Personenzug von Bonn nach hier war ebenfalls dicht besetzt. Der Zug von hier nach Bonn braucht anderthalb Stunden, was, da der Bahnbetrieb ein sekundärer ist, allerdings seine Erklärung findet. Der voraussichtlich lebhafte Verkehr wird die Bahnverwaltung wohl veranlassen, später einen Vollbahnbetrieb einzuführen, und würden hierdurch die Mehrkosten völlig gedeckt werden. Auf die Passagiere nach Düren, Aachen usw. ist beim Anschluß auf hiesiger Station fast gar keine Rücksicht genommen worden. Hoffentlich wird demnächst für die Reisenden der Strecke Zeitverlust in Wegfall kommen, sowie für die Route Düren, Aachen, Belgien usw. durch direkten Anschluß der bisherige Umweg über Köln erspart werden.“

Der erste Fahrplan der neuen Strecke sah täglich drei Zugpaar vor, morgens, mittags und abends. Sonntags wurde mittags ein Verstärkungszug eingelegt. Witterschlick und Impekoven hatten damals noch keine Station. Allgemeine Anerkennung fanden die schmucken Bahnhöfe der neuen Strecke im Gegensatz zu den tristen Bahnhofsbauten auf der Kölner Linie.

Die Beschwerden über die Unzugänglichkeit der Sekundärbahn wollten nicht verstummen; sie wurden vielmehr immer dringender, namentlich nachdem die nicht überwachten Bahnübergänge mehrfach Menschenopfer gefordert hatten. Der damalige Vertreter des Wahlkreises Bonn=Rheinbach im Preußischen Abgeordnetenhause, der Abgeordnete Freiherr v. Fürth, brachte die Mißstände wiederholt bei der Beratung des Eisenbahn=Haushalts zur Sprache und machte mit seinen manchmal drastischen Darlegungen sowohl im Hause als auf der Regierungsbank Eindruck, aber es dauerte noch fast volle zehn Jahre, bis die Eisenbahnverwaltung sich entschloß, den Vollbetrieb auf der Strecke Euskirchen=Bonn einzuführen.

Endlich, am 1. Juni 1890, konnte die Lokalpresse das Ereignis melden, das sie in heller Begeisterung als einen „Marktstein“ in der Entwicklung der Euskirchener Verkehrsverhältnisse pries. Die Erhebung der Strecke zur Vollbahn bewirkte zunächst eine wesentliche Beschleunigung der Fahrzeit; sie wurde von 89 auf 66 Minuten vermindert. Es verkehrten täglich fünf Zugpaare. Witterschlick war inzwischen auch Station geworden.

Die weitere Entwicklung des Verkehrs auf der Strecke Euskirchen=Bonn hat bewiesen, aß sich die in dieser Hinsicht bei ihrer Anlage geäußerten Erwartungen in vollem Maße erfüllt haben. Die Zwischenstationen haben ausnahmslos im Laufe der fünfzig Jahre, seitdem die Strecke Vollbahn wurde, einen hocherfreulichen Aufschwung genommen. Neue Industrien sind entstanden, die vorzüglich entwickelte Landwirtschaft hat vielfach neue Wege eingeschlagen, allerorten ist der Fortschritt und Aufschwung unverkennbar. Und Bonn hat seine alte Anziehungskraft, auch auf uns Euskirchener, nicht verloren. Schnellzugstrecke ist Euskirchen=Bonn zwar auch bis in die neueste Zeit nicht geworden, aber die Fahrzeit für die 34,2 Kilometer lange Strecke mit ihren acht Zwischenstationen ist doch auf 50 Minuten reduziert worden. Und in normalen Zeiten hatten wir zwölfmal am Tage Gelegenheit, nach Bonn und zurück zu fahren. Jetzt im Kriege, da die Eisenbahn doch vornehmlich anderen Zwecken dient, verkehren noch neun Zugpaare auf der Strecke.

Wir haben also allen Anlaß, der Reichsbahn am goldenen Jubiläumstage der Einrichtung des Vollbahnbetriebes auf der Strecke Euskirchen=Bonn unsere Anerkennung für ihre Leistungen auszusprechen, wenn auch die andere Hoffnung, daß diese Strecke einmal die kürzeste Verbindung von der Westgrenze zum Rhein werden sollte, nicht erfüllt worden ist. Daß dies vereitelt wurde, steht auf dem übergroßen Schuldkonto der Väter des Versailler Diktates. Diese alte Rechnung kann demnächst mit beglichen werden.








Quelle: Euskirchener Volksblatt vom 1. Juni 1940
Archiv: Anton Könen Mechernich









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- Die Euskirchener Kreisbahn
- Volkswirtschaftl. Artikel, Aufbau der Rheinischen Bahn, Verstaatlichung und Eifelbahn 1853 - 1875
- Die Rheinische Bahn - Bekanntmachungen und kleine Artikel von 1846 - 1933
- Inserate rund um die Rheinische Bahn und Eifelbahn 1865 - 1922
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