Die Eifel=Eisenbahn.








Die Bevölkerungsstatistik Preußens weist bei denjenigen Orten, die von einer Eisenbahn berührt werden, eine rasche Steigerung der Seelenzahl nach, während in andern Orten, die außerhalb des Bahnnetzes liegen, entweder eine Abnahme, oder doch nur eine langsame Vermehrung der Bevölkerung ermittelt worden ist. Berücksichtigt man die volkswirthschaftlichen Einwirkungen der Schienenwege besonders auf Handel, Gewerbe und Verkehr, so treten die Ursachen jener Erscheinung sofort zu Tage. Am deutlichsten gewahren wir den hohen Aufschwung der materiellen Thätigkeit im Bahngebiete der Köln=Mindener wie der Rheinischen Eisenbahn von Köln nach Aachen. Dort finden sich Kohlenlage, die Grundbedingungen einer gedeihlichen Metallindustrie. Seit 1845 hat letztere in Rheinland=Westphalen einen so ungeheuern Aufschwung genommen, daß sich der Charakter einzelner Gegenden, Städte und Dörfer dadurch völlig verändert hat. Dortmund z. B., das noch vor 15 Jahren das Ansehen eines großen Dorfes besaß, erhebt sich mehrend mehr zum Range einer Großstadt, in der alle Gewerbezweige lohnende Thätigkeit finden. Aber nicht bloß die gewerbliche Thätigkeit wird durch die Eisenbahnen gefördert. Der Landwirthschaft haben sich durch die erleichterte Abfuhr ihrer Producte nach entfernten Märkten neue Absatzwege geöffnet. Der Landmann studirt eifrig die Marktberichte ferner Städte und berechnet die Möglichkeit des Verkaufes seiner Producte. Neue Düngerarten, Maschinen, Geräthe u. s. w. können jetzt billig und bequem bezogen werden; die Viehzucht treibenden Gegenden haben in den Eisenbahnen ein Mittel gefunden, entfernte Städte mit Schlachtvieh zu versehen. Die Forsten des Staates, wie der Gemeinden und Privaten können besser als früher ausgebeutet werden. Wohin wir blicken, gewahren wir ein total verändertes öffentliches Leben, während Gegenden ohne Eisenbahnen an dem alten Schlendrian festhalten, und in mancher Beziehung Zustände aufweisen, die mitunter an vergangene Jahrhunderte erinnern und dem Beobachter ein Lächeln abnöthigen.

Die Eifel blieb seit langer Zeit von allem größern Verkehre abgeschlossen. Früher von zahllosen Dynasten beherrscht, fristete ein großer Theil der Eifelbewohner kümmerlich sein Dasein. Von Anlage guter, und fahrbarer Wege war keine Rede. Der Handel bewegte sich auf dem beschränkten Boden der Kleinkrämerei, und gewerbliche Thätigkeit kam nur insofern auf, als sie den Bedarf der Bevölkerung selbst deckte; und auch hier mußten die größern Rheinstädte aushelfen. Nur dem Bergbau wendeten die kleinen Herrscher des Landes einige Sorgfalt zu. Da die Eifel von der großen Römerstraße von Köln nach Trier durchzogen war, so ist anzunehmen, daß die Römer den Bergbau zuerst ins Leben gerufen und die Besatzungen der verschiedenen Standquartiere zur Ausbeutung der Erzschätze benutzt haben. Ihre Nachfolger, die fränkischen Großen, werden den Bergbau fortgesetzt haben. Bei dem Mangel geeigneter Comunicationsmittel konnte dieser selbstredend zu keiner großen Bedeutung gelangen. Nur der Betrieb des Bleiberges bei Roggendorf machte davon eine Ausnahme. Die tiefer in der Eifel gelegenen Eisenerzgruben wurden entweder gar nicht ausgebeutet oder höchst mangelhaft, da die Schwierigkeit der Abfuhr den Preis der Erze zu sehr vertheuerte. Vielfach fehlte auch die Unternehmenslust, die mit Hülfe des Capitals diese kostbaren Bodenschätze der Eifel zu verwerthen bestrebt war.

Seit sich die preußische Volksvertretung mit der Frage einer Wiederbewaldung der Eifel beschäftigt hat, sind die Zustände dieses Landestheiles einer gründlichen Beachtung unterzogen worden. Der alte Glaube, die Eifel sei eine Art Sibirien, schwand; es stellte sich heraus, daß die Eifel zwar viele rauhe unwirtliche Striche, aber auch viele anmuthige, zum Besuche und längerem Verweilen einladende Punkte besitze. Das große Werk von Baersch hatte zudem die Aufmerksamkeit der Forscher und Geschichtsfreunde der Eifel zugewendet. Die Landwirthschaft begann sich, von Professor Kaufmann in Bonn angeregt, zu heben. Bald galten einzelne Kreise der Eifel, z. B. Bitburg, in dieser Beziehung als Muster, und die Gerbereien in Prüm, die Metallfabriken des Schleidener Thales u. a. eroberten sich auf industriellem Gebiete eine ehrenvolle Stellung. Die erhöhte materielle Thätigkeit als Folge des erleichterten Verkehrs durch die Eisenbahnen gab auch den Eifelstädten Anlaß, sich an dem regen Wetteifer zu betheiligen. Dabei war es natürlich, daß sie den Mangel eines Schienenweges schwer empfanden. Rings um sie her hoben sich die von Eisenbahnen durchschnittenen Gegenden; nur von ihnen blieben die Segnungen des modernen Verkehrslebens fern. Als Trier mit dem Mittelrheine, mit Lothringen, dem Großherzogthum Luxemburg und der Pfalz durch Eisenbahnen verbunden war, stellte sich mehr und mehr die Nothwendigkeit heraus, diese Hauptstadt des Mosellandes auch mit Köln zu verbinden. Es machten sich dabei neben den strategischen Interessen besonders Rücksichten auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Eifel geltend, welche dringend Pflege und Förderung seitens der Staatsregierung verlangten

Der Plan einer directen Eisenbahn von Köln nach Trier, von der hiesigen Handelskammer zuerst angeregt, wurde von den einzelnen Eifelgemeinden mit lebhafter Theilnahme begrüßt. Die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft erklärte sich bereit, die Bahn zu bauen, wenn der Staat eine Zinsgarantie gewähren, und die Gemeinden das zum Bahnbau nöthige Terrain unentgeltlich hergeben wollten. In ersterer Hinsicht hat sich der Herr Handelsminister bereits geneigt erklärt, dem Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, und die Kreisstände von Euskirchen haben schon 70,000 Thlr. für den Ankauf des zum Bahnbau nöthigen Grundes und Bodens bewilligt. Die Stände des Kreises Daun sind ihnen gefolgt. Diese Beispiele bedürfen aber allseitiger Nachahmung.

Wenn sich je den Eifelbewohnern eine Gelegenheit darbot, die Folgen der Jahrhunderte alten Isolirung zu beseitigen, so ist sie jetzt vorhanden. Längeres Zögern kann die schwersten Nachtheile zur Folge haben. Im Momente, wo der Handelsminister seinen Gesetzentwurf wegen Gewährung der Zinsgarantie vorbereitet, müssen sämmtliche bei der Eisenbahn interessirten Gemeinden ihre Geneigtheit, das Unternehmen zu fördern, dadurch bekunden, daß sie die Mittel aufbringen, der bauenden Gesellschaft die nöthigen Grundstücke kostenfrei zur Verfügung zustellen. Man glaube nun ja nicht, daß der Bau auch ohne diese Gewährung zu Stande komme. Die Verhältnisse der Eifel sind derart, daß eine Bahn in den ersten Jahren kaum eine Verzinsung des Anlage=Capitals aufbringen dürfte. Eine eigene Gesellschaft wird sich nicht bilden, da die politischen Verhältnisse derartigen Unternehmungen nicht günstig sind. Die Rheinische Eisenbahn=Gesellschaft ist aus dem Grunde am besten zur Uebernahme des Baues geeignet, weil die Bahnhöfe in Köln und die Strecke bis Brühl schon vorbanden sind, und die Zweigbahn von Düren nach Call ohnehin von ihr ausgeführt werden wird. Sie kann daher mit weniger Mitteln bauen, als eine neue Gesellschaft, fühlt sich aber keineswegs gedrungen, in patriotischer Berücksichtigung der traurigen Lage manche Eifeldistricte in einer Zeit die gegenwärtige, Millionen anzuwenden, wo seitens der am nächsten Betheiligten jedes Interesse an dem Unternehmen mangelt.

Haben die Eifelbewohner die Wichtigkeit einer Eisenbahn für ihr materielles Wohl erkannt, so mögen sie dieses durch die That beweisen und durch Aufbringung der Mittel zum Erwerb der Grundstücke den Beginn des Baues beschleunigen. Wird die Zinsgarantie bewilligt, so kann dieser sofort in Angriff genommen werden. Ein längeres Zögern würde aber die ganze Angelegenheit in's Stocken bringen, und Niemand weiß zu sagen, was die nächste Zukunft bringt. Einmal begonnen, ist eine Sistirung des Baues kaum anzunehmen. Geht abermals ein Jahr drüber hin, so ist der Genuß aller Wohlthaten des erleichterten Verkehrs um dieselbe Zeit hinausgeschoben. Fassen wir lediglich die großartige Ausbeutung der Eisenerzlager der Eifel, oder die durch billig Zufuhr der Steinkohlen gewährte Möglichkeit der Anlage von Hüttenwerken in's Auge, so ergibt sich für die ländliche und städtische Bevölkerung schon ein wichtiges Interesse an der Eifelbahn. Die rheinisch=westphälischen Montan= und Metall=Districte zeigen, welchen Werth alle Zweige der menschlichen Thätigkeit dort erlangt haben. Die Landwirthschaft und Viehzucht finden reichlichen und lohnenden Absatz ihrer Producte bei dem Personal der Berg= und Hüttenwerke. Wo Geld verdient wird, tritt dieses auch in Circulation. Die Bedürfnisse mehren sich; der Nachfrage folgt das Angebot, dem Wetteifer, es Andern zuvor zu thun, die Gelegenheit zum Absatze. Durch die Abkürzung der Entfernungen, als Folge der erleichterten Eisenbahnverbindung, können die Producte der Eifel zudem nach rheinischen Märkten geführt, die eigenen Bedürfnisse direct an den Productionsquellen gedeckt werden. Der Zwischenhandel fällt in vielen Fällen weg, oder er sucht sich andere Wege, auf der einen Seite fallen diese für Waaren, die zugeführt werden; auf der andern Seite steigen sie für Gegenstände, die seither keinen Absatz fanden, nunmehr aber in weite Entfernungen noch rentabel zu transportiren sind. So können z. B. die Steinbrüche der Eifel, die besonders Platten, Fenstersteine u. s. w. liefern, einen lohnenden Markt in den Städten Rheinlands und Westphalen finden, wo die Bauthätigkeit so rege ist. Es handelt sich zunächst um Verminderung der Fracht, die seither den Preis vertheuerte, und en Absatz erschwerte. Die Eisenerze werden in den rheinischen Hütten Verwendung finden, während umgekehrt durch billig Anfuhr der Steinkohlen eine eigene Hüttenindustrie in der Eifel möglich wir, Steinkohle eine eigene Hüttenindustrie in der Eifel möglich wird, da dort Holz, Kalkstein, Wasser und Erze vorhanden sind, und der Arbeitslohn weit billiger ist, wie in anderen Gegenden, wo Eisen producirt wird.

Wenn Eisenbahnen eine möglichst hohe Anspannung der materiellen Thätigkeit bewirken; wenn ein Grundübel der öffentlichen Verhältnisse der Eifel in ihrer zu geringen Production besteht, und es notorisch keinem Zweifel unterliegt, daß alle Vorbedingungen zu einer großartigen gewerblichen Thätigkeit in der Eifel vorhanden sind, sobald eine Eisenbahn diese wecken und beleben könnte: so ergibt sich den betheiligten Gemeinden von selbst die Richtung, nach der sie im Augenblicke ihre ganze Aufmerksamkeit zu wenden haben. Es wird sich schwerlich eine Gegend Preußens finden, die in den Schienenwegen seinen Segen für sich erblickt hätte. Selbst diejenigen Ortschaften, denen momentan der Verkehr durch Eröffnung einer Bahn entzogen wurde, haben binnen wenigen Jahren Gelegenheit gefunden, diese selbst in ihrem Interesse nutzbar zu machen. Für eine versiegende Quelle sind fünfzig andere neu aufgetaucht, da die Wirkungen der Schienenwege in die weitesten Kreise dringen, besonders dann, wenn die Bahnhöfe durch gute fahrbare Straßen mit dem Hinterlande in Verbindung gebracht werden.

Die Frage, ob in nächster Zeit die Bahn von Köln nach Trier verwirklicht werden soll, berührt daher die Bewohner des Bahngebietes in engen Sinne nicht ausschließlich. Sie ist eine Lebensfrage für alle Eifelbewohner; sie berührt so viele und so wichtige Interessen eines gewissermaßen in sich geschlossenen Landstriches, daß ein gründliche Würdigung desselben wirklich Noth thut. Auf der einen Seite von der Mosel, auf der andern Seite vom Großherzogthum Luxemburg und Belgien begrenzt findet die Eifel eigentlich ihren Mittelpunkt im Thale der Kyll sowie derjenigen Flüßchen, die durch die niederrheinische Ebene dem Rheine zuströmen. Ungefähr dieselbe Richtung verfolgte die Römerstraße, und auch die Eisenbahn wird sie zum größten Theile innehalten. Die jetzige Eifelstraße steht noch heute zur Mosel m Verhältnis einer sie unterstützenden und begleitenden Straße, da das Moselthal an manchen Stellen ungangbar ist. Hieraus dürften sich leicht weitere Beziehungen der moselwärts gelegenen Ortschaften zur Eisenbahn ergeben, wie solche bereits zur Eifelstraße vorhanden sind. Die vielen Krümmungen der Mosel machen den Flußtransport langwierig und kostspielig, während der Landtransport billiger ist, und die vielen sich auf die Mosel öffnenden Thäler eine Zufuhr zur Eisenbahn erleichtern. Eine Beziehung zum benachbarten belgischen Theile der Ardennen ist nicht vorhanden. Auf der einen Seite haben wir also Rhein und Mosel; auf der andern Seite würde die Eisenbahn, die im Winter wie im Sommer transportirt, dem Verkehre dienen, und außer ihrer localen Bedeutung eine internationale haben, indem sie mit Hülfe der französischen Bahnen den Rhein mit dem Mittelländischen Meere verbände und dadurch zum Gliede einer Weltstraße würde, die von den Häfen der Nordsee bis zu jenen des Mittelmeeres reichte.

Wir wiederholen unsere Behauptung, daß nie die Gelegenheit für die Eifel so günstig war, wie im gegenwärtigen Momente, wo es gilt, der alten Isolirung ein Ende zu machen und mit Theil zu nehmen an dem im Rheinthale pulsireden großen und vollen Leben. Halten wir bloß fest an den localen Wirkungen der Eisenbahn, wie sie die einzelnen Ortschaften einander näher rückt und dadurch ein gegenseitiges Geben und Empfangen bewirkt, so ist schon deshalb eine rege Betheiligung der Eifelgemeinden zu wünschen, da sie das geringe Capital in einigen Jahren mit reichen Zinsen zurück erhalten. Die Viehzucht der Eifel wird durch die in Aussicht stehende größere Absatzfähigkeit binnen kurzer Zeit mehr gewinnen, als die zum Bahnbau nöthigen Grundstücke werth sind. Die Gemeinden werden das Holz ihrer Forste verwerthen können, für ihre Kalk- und Sandsteinbrüche willige Abnehmer finden, ihre Forellen zu hohem Preise in die Rheinstädte liefern und das Wild überall in den Handel bringen. Aus den städtischen Kleingewerben müssen sich bald, unter Berücksichtigung aller Erfindungen und Erfahrungen der Neuzeit größere Industriezweige entwickeln, welche die Naturschätze der Eifel verwerthen und ihre Producte nach allen Richtungen in den Handel zu bringen im Stande sind.

Daher möge man sich nicht lange besinnen und der Staatsregierung durch die That den Beweis liefern, wie sehr man die Segnungen einer Eisenbahn würdigt, und wie dringend sie der Eifel Noth thut.

(aus Beil. zu Nr. 396 der Köln. Bl.)














Quelle: Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden von 1862
Archiv: Anton Könen Mechernich









Sammlung Anton Könen, Mechernich

- Die Euskirchener Kreisbahn
- Volkswirtschaftl. Artikel, Aufbau der Rheinischen Bahn, Verstaatlichung und Eifelbahn 1853 - 1875
- Die Rheinische Bahn - Bekanntmachungen und kleine Artikel von 1846 - 1933
- Inserate rund um die Rheinische Bahn und Eifelbahn 1865 - 1922
- Bau der Strecke Düren - Euskirchen - Call - Schleiden - Hellenthal 1867 - 1914
- Weiterführung in die Eifel und Weiterführung nach Münstereifel betreffend
- Französische Besatzungszeit und Artikel 30er Jahre
- 40er Jahre und Artikel der Nachkriegsjahre
- 50er und 60er Jahre, Artikel der 70er Jahre bis 2004

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