Euskirchens Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert |
|
Von Ludwig Beutin |
|
Die Zuckerindustrie |
|
Blicken wir von der Gruppe der Textilbetriebe, die in ihrer Masse für einen Markt außerhalb des engeren Raumes arbeiteten, auf die Betriebe, die ihrer Art nach mehr auf die heimische Landschaft bezogen sind. Euskirchen, obwohl an den Vorhöfen der Eifel gelegen, wurzelt da ganz in dem Boden seiner engeren Umgebung. Das kommt am deutlichsten zum Ausdruck in der Zuckerindustrie, die den Namen der Stadt neben der Tuchfabrikation wohl am bekanntesten gemacht hat. Die Zuckerindustrie am Rhein ist alt, jedoch wurde sie lange Zeit nur auf der höheren Stufe des Erzeugungsprozesses, in der Raffination, betrieben, weil die Zuckerrübe im Rheinland nicht angebaut wurde. Auch wies der Rhein als Importweg auf den kolonialen Rohrzucker als Ausgangsbasis hin. Erst seit etwa 1870 hat sich der Zuckerrübenbau im Rheinland heimisch machen können, nachdem in einer langen Periode der Versuche und der Werbung die Landwirtschaft sich dem neuen Betrieb erschlossen hatte. Die technische Verbesserung der Produktion, der schnell steigende Bedarf der wachsenden Städte, neue Verbrauchsrichtungen wirkten miteinander, die unternehmerische Tätigkeit verknüpfte auch hier diese verschiedenen Motive und Voraussetzungen zur wirtschaftlichen Tat. Hier sind die Namen Valentin Pfeifer und Eugen Langen zu nennen, jener der Gründer der ersten Rübenzuckerfabrik in Westdeutschland (Ossendorf 1851), dieser der technisch und organisatorisch hochbegabte, aus der Kölner Zuckerraffinerie herkommende Planer und Former des großen Betriebes. 1870 verbanden sie sich, sie gingen mit der Fabrikation in die - freilich erst zu entwickelnden - Rübenanbaugebiete. Die Fabriken hatten noch manches Mißtrauen zu überwinden und mußten lange Zeit den Hauptbedarf an Rüben selbst anbauen. Der Pfeifer-Langenschen Fabrik in Elsdorf wurde 1879 die Rohzuckerfabrik in Euskirchen angeschlossen. Sie verarbeitete in den Jahren vor 1914 nicht viel weniger als 1 Million dz Rüben jährlich. Sie war damit besonders intensiv beschäftigt, denn das lag um etwa das 2 ½ fache über dem Reichsdurchschnitt für eine einzelne Fabrik. Im Jahre 1912 wurde die Euskirchener Fabrik von der Rohzuckerproduktion auf die von Weißzucker umgestellt, bei der sie bis heute verblieben ist. In den Kampagnen wurden rund 500 Arbeiter beschäftigt, sonst um 100. Es lieferten jetzt weit über 1000 Landwirte auf Grund von Verträgen Rüben an die Fabrik. Wie auch in anderen Gegenden des Rheinlandes wandelten sich die Methoden des Landbaus, besonders die Fruchtfolge, doch im Zusammenhang mit der anspruchsvollen Zuckerrübe auch die Düngung; vom ehemals einseitig betonten Körnerbau wandte sich der Bauer zu den Blattgewächsen, um Euskirchen also besonders zu der Rübe. Dieser Wandel ist im Zusammenhang mit der Entwicklung der Weltwirtschaft, des Massenverbrauchs und der steigenden rationalen Ausrichtung der Landwirtschaft auf hohe Betriebserträge noch im Gange. - Auch in der umgekehrten Richtung, von der Fabrik zur Landwirtschaft hin, zeihen sich die Verknüpfungen dadurch, daß die Rüben nicht voll ausgenutzt, sondern als Rübenschnitzel der Viehwirtschaft als Futtermittel wieder zur Verfügung gestellt werden. |
|
|
|
Entnommen: 650 Jahre - Stadt Euskirchen, 1302 - 1952, Festschrift zum Stadtjubiläum, 1952, Euskirchen |