Euskirchens Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert


Von Ludwig Beutin


Die ersten Tuchfabriken


Um die Mitte des Jahrhunderts, als die Revolution von 1848 die größeren Städte erschütterte, begannen sich ernste Wandlungen abzuzeichnen. Das deutsche Gewerbe schickte sich an, aus seinem zurückgebliebenen Zustande in die Reihe der technisch und wirtschaftlich bedeutenden Wirtschaftszweige hineinzuwachsen. Eine Gruppe der von Unternehmerphantasie oder –glück Begünstigten hob sich bereits heraus. Es gab um die Jahrhundertmitte in Euskirchen 45 Tuchfabrikanten und Färber; acht von ihnen besaßen eine Dekatiermaschine - was damals eine einfache Vorrichtung bedeutete, einen Kessel, in dem man Dampf für das Dekatieren erzeugte. Es arbeiteten 89 Webstühle, jene acht besaßen davon 48, im ganzen beschäftigten sie 142 Arbeiter. Die Arbeiten gingen in den Fabrikgebäuden jener Zeit vor sich, in den Mühlenwerken, die das Wassergefälle, die einzige Energiequelle, ausnutzten.

Das Weben selbst aber wurde immer noch von der Hand getan. Die Organisation hatte die Stufe der dezentralen Heimwirtschaft noch nicht überwunden. Neben den acht größeren, schon kaufmännisch kalkulierenden Unternehmern stand die viel größere Schar der noch selbständigen Webermeister, die mit ganz geringem Personal, zumeist ganz allein an ihrem eigenen Webstuhl werkten. Schon zeigten sich die Interessengegensätze zwischen dem sich herausbildenden Stand der Fabrikanten im eigentlichen Sinne, die damals mit einigen dutzend Arbeitern ihren Betrieb führten, und der Masse der Handwerksmeister. Während jene nun, unter erweiterten Produktionsverhältnissen, ihre Pläne weiterzuspannen begannen, waren die Handwerker alten Stils darauf bedacht, die Verhältnisse stabil zu lassen, damit sei an ihrem altertümlichen Webstuhl ihr Brot behielten. Der weltweite Kampf zwischen Handwerk und Maschine begann vorerst in kleinen Ausmaßen.

Im Jahre 1853 eröffneten Richard Schiffmann und Jakob Ruhr die erste eigentliche Fabrik in Euskirchen, eine Dampfspinnerei. Überhaupt ist ja die Spinnerei, in der eine große Zahl von Arbeitskräften im handbetrieb den Halbstoff für den Weber herstellen mußte, immer der erste Ansatz zu der Mechanisierung der Textilgewerbe gewesen. Wenn der erste Unternehmer diesen Weg einschlägt, dann wird er unvermeidbar auch für alle anderen, und es kommt nun darauf an, wer in dem einsetzenden Kampfe am meisten Glück, Erfindungsgabe, wirtschaftliche Talente und auch - Rücksichtslosigkeit einzusetzen hat.


Die Miltitärtuchlieferungen


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Entnommen: „650 Jahre - Stadt Euskirchen, 1302 - 1952, Festschrift zum Stadtjubiläum, 1952, Euskirchen


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