Das Dampfroß kommt

Von Beate Paul-Lützeler

Die Eifeler Eisenbahnen 1864 - 1914 in zeitgenössischen Fotografien




Bahnhof Waxweiler, Kreis Bitburg-Prüm
Foto: Franz Josef Faas, Prüm



Katalog zur Ausstellung

Publikationen des Kreismuseums Blankenheim, Regionalmuseum des Kreises Euskirchen für Naturkunde und Kulturgeschichte der Nordwesteifel Nr. 3




Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Eifeler Museen (AEM)

Ausstellungskonzeption und Texte: Beate Paul-Lützeler
Redaktion: Klaus Ring
Fotoreproduktionen: Heinz-Josef Weingarten, Dagmar Berens, Kreisbildstelle des Kreises Euskirchen, Kall
Technischer Aufbau: Manfred Van Der Locht, Erwin Kaupel
Lithos und Druck: AW Druck, Weilerswist
Copyright Kreismuseum Blankenheim 1986



Ansicht von Dausfeld, Kreis Bitburg-Prüm, mit einmontiertem Eisenbahnzug
Foto: Frans Josef Faas, Prüm



Teil 1

125 Jahre Eifeler Eisenbahnen - Aspekte eines vielschichtigen Problems

Im Jahre 1989 jährt sich zum 125. Mal die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Euskirchen - Düren; schon 1861 wurde mit dem Bau dieser ersten „Eifeler“ Verkehrsanbindung begonnen. Was wir in diesem Zusammenhang unter „Eifel“ verstehen, läßt sich kurz mit den Städtenamen Aachen - Düren - Zülpich - Bonn - Koblenz - Trier - St. Vith - Malmedy - Aachen umreißen; ein sicher recht willkürlich scheinender Kreis, aber wem ist es schon gelungen, die Eifel in ihren Begrenzungen wirklich zu definieren? Für das Eisenbahnnetz bedeutet dies: Die Verbindungen Köln - Aachen und Köln - Koblenz bleiben ausgespart, ebenso Verbindungen über die genannten Grenzorte hinaus.

„Das Dampfroß kommt!“ - Solch eine Feststellung pflegte um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Gemüter der Eifeler wie auch die der, die es nicht sein wollten, in heftige Erregung zu versetzten. Die einen, es waren die wenigsten, erhofften sich schnellstmöglich einen Bahnanschluß, um ihre wirtschaftlich angeschlagenen Betriebe wieder rentabel machen zu können. Die anderen, in der Hauptsache die bäuerliche Bevölkerung, sahen dem technischen Ungetüm Lokomotive eher mit Skepsis und Schreckensvorstellungen entgegen. So prophezeite der „Dürener Stadtanzeiger und Unterhaltungsblatt“ im Jahre 1836, die neuen „feuerspeienden Feuerwagen“ würden die Ruhe der Dürener Bürger stören. Er schließt mit dem Satz: „Welches Chaos entsteht durch die Eisenbahnen, wenn man nicht Vorkehrungen trifft; sie drohen eine Gefahr zu werden, die schrecklicher ist als alle Drohungen der Kometenschweife.“ 1



Bahnbau bei Pelm, Kreis Daun
Foto: Willi Trapp, Blankenheim

Zunächst einmal blieben jedoch die Befürchtungen der Eifeler Bevölkerung unbegründet: Die Bahnen machten einen weiten Bogen um das „Rheinische Sibirien“, weniger der ablehnend gesinnten Menschen wegen als vielmehr aus Gründen der kaufmännisch erstellten Kosten - Nutzen - Analyse. Wenig Industrie plus geringe Bevölkerungszahl plus unwegsames Gelände: Dies konnte für die Betreiber von Eisenbahnbauten nur heißen: Hände weg von Bahnverbindungen in die Eifel.

1841 war die Strecke Köln - Aachen eröffnet worden, die erste im Westen Deutschlands überhaupt. Die Dürener Fabrikanten waren zufrieden; die Monschauer und Schleidener hatten zunächst das Nachsehen. Appelle und Petitionen an den preußischen Staat waren jedoch nutzlos: Er betrachtete den Bau und Betrieb von Eisenbahnen noch nicht als seine Aufgabe. Privatinitiative war gefordert, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Da die bestehenden Privat - Eisenbahngesellschaften sich für die Eifel nicht interessierten, griffen die Industriellen der Nordeifel zur Selbsthilfe: Am 16. Mai 1853 erteilte König Friedrich Wilhelm IV. Der „Eifel - Eisenbahn - Gesellschaft“, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Schleiden, die Genehmigung zur Planung und zum Betrieb einer Strecke von Düren nach Schleiden.

Gebaut wurde natürlich noch lange nicht, denn dies sollte im Auftrag der Kapitalgesellschaft die renommierte „Rheinische Eisenbahn - Gesellschaft“ tun. Diese aber weigerte sich standhaft, indem sie alle vorgeschlagenen Streckenführungspläne als undurchführbar verwarf. 1856 machten sich auch die Kreise Bitburg und Prüm für eine Eifel - Eisenbahn von Düren über Schleiden nach Trier stark, indem sie gegen Pläne für eine Moselstrecke Koblenz - Trier oder Aachen - Luxemburg an der Eifel vorbei protestierten.


Tunneleinfahrt bei Kyllburg, Kreis Bitburg-Prüm
Foto: Michael Latzke, Euskirchen

Der Streit um die Streckenführung der ersten Eifelstrecke ging weiter, sogar bis in den preußischen Landtag. Die Schleidener Industriellen zogen letztlich den kürzeren: 1864 ging die Strecke Düren - Euskirchen in Dienst und ein Jahr später die Strecke Euskirchen - Kall. Die Schleidener Industrie wanderte in die neuen Produktionszentren Ruhrgebiet und Düsseldorf ab. 2

Nun endlich schien der Bann gebrochen: Eine Nord - Süd - Verbindung durch die Eifel sollte schnellstmöglich geschaffen werden. Von Kall aus plante man sie bis zur Wasserscheide bei Schmidtheim dem Urfttal folgend und ab da bis an die Mosel durch das Kylltal. 1870 wurde der Eisenbahnverkehr von Kall nach Gerolstein aufgenommen; ein Jahr später folgte die Indienststellung des Teilstücks Gerolstein - Trier - West. Das Dampfroß begann die abgelegene Eifel zu erobern. Der Güterverkehr, der über diese Strecke rollte, war nun aber keineswegs hauptsächlich für die Eifel bestimmt, noch stammte er aus der Eifel: Weitsichtige Wirtschaftsfachleute hatten erkannt, daß eine Verbindung zwischen dem Industriegebiet an Rhein und Ruhr und denen an der Saar, in Luxemburg und Lothringen Vorteile in vielerlei Hinsicht versprach.

Nach und nach jedoch begannen auch die Bauern und Arbeiter der Eifel die positiven Auswirkungen des Schienenwegs zu erkennen. Saatgut, später auch Düngemittel und landwirtschaftliche Maschinen konnten per Bahn geliefert werden. Die Viehmärkte belebten sich, weil ein Versand in die Städte die Nachfrage und damit die Preise hob. Männer, die in den Fabriken von Köln, Düren, Aachen oder noch weiter weg arbeiteten und vorher nur alle paar Monate für einige Tage nach Hause kamen, konnten jetzt mit der Bahn schneller und öfter zu ihren Familien reisen. Sie wurden zu Wochenpendlern. Noch fehlte der direkte Anschluß nach Köln; er wurde 1875 fertiggestellt. 1879 wurde die Moselstrecke von Koblenz nach Trier-West eingeweiht: eine Ost - West - Verbindung war geschaffen.




Einsatz eines Dampfbaggers bei Mülheim, Kreis Euskirchen
Foto: Heinz Regnery, Jünkerath

Inzwischen hatte sich, vor allem durch den Einfluß des Reichskanzlers, Otto von Bismarck, die Einstellung des Staates zum Eisenbahnwesen gründlich geändert. Man hatte erkannt, welche wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten sich durch dieses Verkehrsmittel noch boten und wie wesentlich für das Wohl Preußens und damit auch des gesamten Deutschen Reiches eine wohlorganisierte, zentralistisch geführte Staatseisenbahn sein würde. Außerdem war Bismarck davon überzeugt, daß ein einheitliches Eisenbahnnetz der Einheit des neugegründeten Reiches sehr zuträglich sein könnte. So wurden in den Jahren 1879 bis 1882 die vielen privaten Eisenbahngesellschaften kurzerhand verstaatlicht.

Damit begann für die Eifel eine neue Epoche in der Entwicklung des Eisenbahnnetzes. Nun galten nicht mehr ausschließlich kaufmännisch erstellte Kosten - Nutzen –Rechnungen, auch die Fürsorgepflicht des Staates für seine Bürger spielte nun eine gewisse Rolle bei der Planung von Schienensträngen. Und staatliche Fürsorge hatte die Eifel in jenen Jahren in jeder Hinsicht nötig. 1882 war das jahr der größten Massenauswanderung aus der Eifel überhaupt. 3.300 Menschen verließen in den Jahren 1880 bis 1885 allein den Kreis Schleiden. 3 Nach mehreren schlechten Ernten in den Siebziger Jahren hatte es 1882 eine totale Mißernte gegeben. Die meisten Bauern waren hochverschuldet, die Böden ausgelaugt, die Landwirtschaft unterentwickelt. 1883 wurde de „Eifelfonds“ ins Leben gerufen, um die Eifel vor der drohenden Entvölkerung zu retten. Gleichzeitig begann ein zielgerichteter Ausbau des Eisenbahnnetzes. In den Jahren zwischen 1880 und 1914 wurde aus einem unwegsamen, abgeschiedenen Raum eine verkehrstechnisch hervorragend erschlossene Region. Dies war nur durch eine staatliche Lenkung mit weitsichtiger Planung möglich geworden.




Bahnhof Monschau, Kreis Aachen
Foto: Pejo Weiss, Monschau

Allerdings darf man dabei einen anderen Aspekt des Eisenbahnbaues nicht aus dem Auge verlieren: Militärstrategen pflegen immer und überall mitzureden. Und so war es erst recht im preußischen Staat. Schon beim Bau der Strecke Gerolstein - Trier spielten militärische Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle für die beschleunigte Fertigstellung: Rund 70.000 französische Kriegsgefangene mußten per Bahn durch die Eifel in die Gefangenenlager transportiert werden. Sogar eine feierliche Eröffnung vergaß man in der Eile anzusetzen, und dies ein knappes halbes Jahr nach der Gründung des Deutschen Reiches, wo man gerne Gründe zum Feiern von Staats wegen suchte. 4

Immerhin war den Militärs der Mangel einer guten Ost - West - Verbindung per Eisenbahn an die französische Grenze während des Aufmarsches 1870 sehr deutlich geworden, und da man ja nach 1871 in Deutschland immer wieder das Gespenst einer französischen Revanche für den verlorenen Krieg an die Wand und in die Köpfe malte, wurde die Eifel zu einem äußerst wichtigen Landstrich für die Erschließung mit strategisch wichtigen Eisenbahnen. Dies bestimmte den Ausbau des Eifeler Bahnnetzes bis zum ersten Weltkrieg. Getreu dem Plan des Generals Alfred von Schlieffen, wie durch große Mobilität von Armeen ein Zweifrontenkrieg zu gewinnen sei, bekam die Eisenbahn als Transportmittel eine überragende militärische Bedeutung. Und da man wie selbstverständlich die eine dieser Fronten im Westen gegen Frankreich entstehen sah, war der Eifel - Mosel - Raum in den Blickpunkt strategischer Planspiele gerückt.

Die Strecke Dümpelfeld - Weywertz gehört genauso zu den militärisch wichtigen Linien wie die Verbindungen Pronsfeld - St. Vith und Erdorf - Igel. Während des ersten Weltkrieges wurde an einer zweiten Eisenbahntrasse durch das Ahrtal gebaut, um diese Ost - West - Verbindung für den militärischen Nachschub leistungsfähiger zu machen. Sie wurde allerdings nie fertiggestellt und ist heute noch an einigen Brücken und Tunnelwerken zu erkennen.




Viadukt in Mayen
Foto: Bildarchiv des Eifelvereinsmuseums, Mayen

Nachdem die anfangs bestehenden emotionalen Hindernisse überwunden waren, wurden die Vorteile, die das nun recht gut ausgebaute Eisenbahnnetz den Eifelbewohnern bot, auch genutzt. Die Bahn transportierte all das in die abgelegenen Eifelortschaften, was bisher wegen der schlechten Straßen nur mit großen Schwierigkeiten hierher gebracht werden konnte. Die günstige Entwicklung von Land- und Forstwirtschaft der Eifel seit etwa 1885 wurde erst durch die Eisenbahn möglich. Landwirtschaftliche Überschußgüter wie Kartoffeln, Milchprodukte und Heu oder Nutzholz konnten nun per Bahn zu günstigen Preisen in die Städte an Rhein und Ruhr gebracht werden; im Gegenzug kamen Düngemittel, Steinkohle, ziegel, Salz, Zucker, Getreide und Konsumgüter in die Eifel.

Nun konnte es sich fast jeder leisten, notwendige Reisen per Bahn zu machen, denn eine Fahrkarte dritter oder vierter Klasse war wesentlich preisgünstiger als die Postkutsche. Vor allem landwirtschaftlich reizvolle Orte begannen vom Fremdenverkehr zu profitieren, der sich ausschließlich über die Eisenbahn zu entwickeln begann. So sind beispielsweise die frühen Eifelführer stets mit deutlichen Hinweisen auf die Möglichkeiten der Bahnnutzung versehen. Der Post- und Paketverkehr wurde überall schneller und preisgünstiger.

Schließlich ist nicht zu übersehen, daß viele Männer Arbeit und Brot durch die Bahn erhielten. Schon der Bau der Strecken hatte die jungen Männer aus den Eifeldörfern zu Hunderten magisch angezogen: Im Gegensatz zu den kärglichen Verhältnissen auf dem elterlichen Bauernhof oder im Handwerksbetrieb verdiente man bei der Bahn gutes Geld, etwa 15 bis 20 Silbergroschen am Tag. Maurer erhielten 3 Mark und die Tunnelbauer, weil es eine sehr schwere und auch gefährliche Arbeit war, sogar 5 Mark am Tag, eine für die Eifel geradezu fürstliche Bezahlung. 5




Bahnhof Adenau, Kreis Ahrweiler
Foto: Fritz Röder, Adenau

Außerdem kam man mit vielerlei fremden Menschen in Kontakt, erfuhr vielleicht zum ersten Mal etwas über Politik und Gewerkschaften und lernte neue Arbeitstechniken und Maschinen kenne. Durch zahlreiche Fremdarbeiter, die von der Eisenbahnverwaltung aus allen Gegenden des Reiches angeworben wurden, kam auch die dörfliche Bevölkerung mit anderen Mentalitäten, Sitten und Mundarten in Kontakt, 12 Silbergroschen zahlten diese Bahnbauarbeiter gewöhnlich für Kost und Logis in den Dörfern entlang der Bahntrassen. Dies brachte Bargeld in die bäuerlichen Haushalte, die im übrigen meist vom Tauschhandel lebten.

Als die Strecken fertiggestellt waren, brauchte man für ihren Betrieb unter anderem Rottenarbeiter, Bahnwärter, Streckenläufer, Stellwerks- und Bahnhofsbeamte, Lokführer, Heizer, Bremser und Schaffner. Für viele Bauernsöhne eröffneten sich völlig neue Berufsperspektiven. Die Bahn wurde zu einem der größten Arbeitgeber in der Eifel und blieb es bis nach dem zweiten Weltkrieg.

Durch die Abtretung der Kreise Eupen und Malmedy an Belgien nach dem verlorenen ersten Weltkrieg gingen die dort verlaufenden Eisenbahnstrecken an die belgische Staatsbahn über. Darüber hinaus erhielt Belgien auch den weiterhin durch deutsches Gebiet führenden Teil der Vennbahn zwischen Raeren und Kalterherberg vertraglich zugesprochen - ein Kuriosum, das bis heute andauert: Der Bahnkörper ist belgisches Staatsgebiet, rechts und links der Gleise ist deutsches. Immerhin wurden die Bahnstrecken nicht an die Grenze gekappt; dafür waren sie als Verkehrsadern viel zu wichtig.

Nach 1918 wurden in der Eifel keine neuen Eisenbahnlinien mehr gebaut; das Netz genügte den Anforderungen, die an es gestellt wurden. Dies ist ein Indiz dafür, wie gut und weitsichtig seit 1880 die Streckenführungen geplant worden waren.


Bahnübergang über die beiden Gleise der Strecke Koblenz-Trier in Wengerohr, Kreis Bernkastel-Wittlich
aus: Meyer, Hubert: Wittlich - so wie es war, Düsseldorf 1978

Der zweite Weltkrieg und seine Vorbereitung brachten noch einmal den militärischen Aspekt der Bahn deutlich zum Vorschein: Wieder wurde die Eisenbahn als Transportmittel für Waffen, Munition und Soldaten an die Westfront mißbraucht. Der Angriff auf Belgien, Luxemburg und Frankreich im Jahre 1940 wurde entscheidend auch vom Boden der Eifel aus geführt. Bis Anfang 1945 rollten tagtäglich Militärzüge von oder nach Westen über die Eisenbahnstrecken. Aber erst ab Sommer 1944 begannen die Alliierten mit planmäßigen Zerstörungen aus der Luft. In der Eifel waren es insbesondere die Bahnanlagen, die Ziel der Bombenangriffe wurden. Manche Bahnhöfe, Tunnel und Brücken wurden zwanzigmal und öfter bombardiert, um den Nachschub an die Westfront zu unterbrechen. Eisenbahnknotenpunkte wie Euskirchen, Gerolstein, Wengerohr oder Ehrang erlebten durch diesen Luftkrieg auch starke Zerstörungen in Wohngebieten 6.

Als der Krieg zu Ende war, war keine einzige Eisenbahnlinie in der Eifel mehr befahrbar. Die deutsche Wehrmacht hatte bei ihrem Rückzug dafür gesorgt, daß diejenigen Brücken, die noch nicht durch Luftangriffe der Alliierten zerstört waren, gesprengt wurden. So dauerte es relativ lange, bis auf kleinen Teilabschnitten wieder Zugverkehr möglich wurde. Die Reisenden mußten viele Stunden Wartezeit auf den Endbahnhöfen in Kauf nehmen, bis sie weiterbefördert werden konnten, viele Kilometer zu Fuß marschieren und notfalls auf schwankenden Holzstegen die zerstörten Brücken überqueren. Trotz vorrangigem Wiederaufbau konnte erst 1950 wieder alles befahren werden 7 .Nur zwei Teilstrecken wurden nicht wiederaufgebaut: die Verbindung Bleialf - St. Vith und die Strecke Hillesheim - Gerolstein. Sie waren die ersten stillgelegten oder rückgebauten Eisenbahnstrecken der Eifel.


Bahnhof St. Vith, Belgien
Foto: Franz Josef Faas, Prüm

Das Sterben der Eifelbahnen begann ab der Mitte der Sechziger Jahre. Zuerst wurde der Personenverkehr eingestellt, manchmal folgte der Güterverkehr wenige Jahre später. Mit dem großzügigen Ausbau der Bundesstraßennetzes seit den fünfziger Jahren und der sprunghaft ansteigenden Motorisierung der Bevölkerung ging das Verkehrsaufkommen der Bundesbahn stetig zurück. Die Reduzierung der Zugdichte hatte weitere Fahrgastverluste zur Folge: Wer Stunden auf den Anschluß warten muß, zieht das Auto vor. Auch die wenigen in der Eifel ansässigen Industrien verlagerten ihre Transporte aus Zeit- und Kostengründen mehr und mehr auf die Straße. Und sogar die Militärs zeigten wenig Interesse an der Erhaltung eines ausgebauten Schienennetzes durch die Eifel. So wurden immer mehr Strecken stillgelegt; viele Gleise sogar ganz abgebaut.

Wer heute von Blankenheim nach Adenau ohne Benutzung eines Autos fahren will, kann über die Umsteigestationen Blankenheim-Wald, Euskirchen, Bonn Remagen und Dümpelfeld in gut vier Stunden und nach 140 Kilometern Fahrt sein Ziel erreichen - mit vier verschiedenen Zügen und zwei Bussen 8. Vor 25 Jahren hätte man für die 44 Kilometer mit Umsteigen in Ahrdorf etwa eine Stunde benötigt. Immer wieder wird über das Ende aller Eifeler Eisenbahnstrecken einschließlich der Hauptlinie Köln - Trier spekuliert; immer wieder wird dementiert, protestiert, verhandelt. Neuerdings scheinen die Militärs ihre alte Vorliebe für die Eisenbahn wiederentdeckt zu haben: Die längst stillgelegte Strecke Jünkerath - Losheim - Weywertz wird zur Zeit mit Millionenaufwand instandgesetzt, um Truppentransporte der belgischen Armee und der Nato zum Truppenübungsplatz Vogelsang bei Gemünd schneller durchführen zu können. Schon regen sich in den Orten an der Strecke Wunschgedanken, auch wieder Personenverkehr einzurichten, wenn auch nur für die Touristen im Gebiet Stadtkyll - Kronenburg. Hoffnung für die Eifeler Eisenbahnen oder nostalgische Erinnerung an vergangene Zeiten?





Am 18. Mai 1897 entgleiste in der Nähe von Pelm, Kreis Daun, ein Militärzug. Das Unglück forderte 10 Tote und zahlreiche Verletzte. Foto: Heinz Regnery, Jünkerath

Anmerkungen
1 Dollhoff, Josef / Baum, Karl-Josef: Düren. Aus der Geschichte einer alten Stadt, Köln 1985, S. 94
2 Jacobi, Klaus: Eifelstrecken in Gefahr. Bahnstrecken sind lebensnotwendig für die Eifel, in: Jahrbuch des Kreises Euskirchen 1977, S. 76 - 78
3 Graafen, Richard: Die Aus- und Abwanderung aus der Eifel in den Jahren 1815 - 1955, Bonn 1961, S. 57.
4 Zimmer, Gerhard: 100 Jahre Eisenbahn Trier - Gerolstein, in Eifeljahrbuch 1972, S. 54
5 Becker, Karl E.: Das Kyllburger Land. Geschichte, Landschaft, Kunstdenkmale, Kyllburg 1977, S. 99
6 Knebel, Hajo: Der Luftkrieg 1944/45 über der Eifel, in: Arbeitskreis Eifeler Museen /Hrsg.): Notjahre der Eifel 1944 - 49, Meckenheim 1983, S. 14 - 24
7 Bundesbahndirektion Köln und Trier - Saarbrücken: Zerstörung und Wiederaufbau im Bahnnetz der Eifel, in: Arbeitskreis Eifeler Museen (Hrsg.): Notjahre der Eifel 1944 - 49, Meckenheim 1983, S. 123 - 130.
8 Reportage in: Eifel - Presse, Jg. 1, Nr. 12, 21. März 1984, S. 7.




Bahnhof Jünkerath, Kreis Daun
Foto: Kreissparkasse Daun

Zu „Das Dampfroß kommt“ - Teil 2

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