Vor 30 Jahren wurde die 1623 m lange Unterführung Horrem-Königsdorf aufgeschlitzt
Von
Helmut Weingarten
Ende
1955, vor 30 Jahren, waren die Arbeiten am Tunnel Großkönigsdorf
abgeschlossen. Vor dem Abbruch des Westportals formierten sich die
Arbeiten zu einem inzwischen historisch gewordenen Foto. Im
Hintergrund die Spannbetonbrücke der Nord-Süd-Bahn.
Dezember 1955. Auf den Resten des Westportals des Königsdorfer Tunnels postieren sich an die 20 Bauarbeiter. Es ist ein historischer Tag. Die Abbrucharbeiten am 1623 m langen Tunnel - mal Großkönigsdorfer, mal Horremer Tunnel genannt - werden beendet. Das 100 Jahre alte Bauwerk existiert nicht mehr.
Seine Geschichte ist zugleich ein bedeutsames Stück deutscher Eisenbahngeschichte an der Eisenbahnstrecke Köln-Aachen zwischen Großkönigsdorf und Horrem.
Beim Bau der Linie Köln-Aachen
in den Jahren 1837 bis 1841 sahen sich die Ingenieure vor die
schwierige Aufgabe gestellt, den Höhenzug der Ville mit einem
Tunnel zu durchörtern, wie das in der Fachsprache
hieß.
Bei
der Aufschlitzung des 1620 Meter langen Großkönigsdorfer
Tunnels wurden Großgeräte eingesetzt. Der Zugverkehr lief
mit Einschränkungen eingleisig weiter.
Bild/Repros: Helmut
Weingarten
Projekt ohne Vorbild
Für ein solches Bauprojekt gab es in Deutschland damals keine Erfahrungen. Um den Durchstich zu vermeiden, sahen erste Pläne eine Streckenführung über den Villerücken bei Frechen-Buschbell vor. Auf dem Kamm des Vorgebirges sollte eine Dampfmaschine stationiert und mit ihrer Hilfe die Züge die Rampe hochgezogen werden. Die Pläne, die Frechen einen unmittelbaren Anschluß ans Eisenbahnnetz verschafft hätten, blieben jedoch schon in den Vorüberlegungen stecken. Die Techniker mußten die anderthalb Kilometer lange Unterführung planen.
Wegen der geologischen Gegebenheiten stellten sich schon sehr bald die ersten Schwierigkeiten ein. Denn man hatte es in der Ville nicht mit festem Erdreich oder gar Gestein zu tun, sondern auf weite Strecken mit losem Quarzsand und teilweise anstehender Braunkohle.
Um diese Zeit war bei Dresden an der Strecke nach Leipzig der erste Tunnel auf deutschem Gebiet gebaut worden. Er hatte eine Länge von 600 Metern. Bergleute aus Freiberg in Sachsen hatten ihn gebaut. Die Rheinische Eisenbahngesellschaft, eine private wie alle Eisenbahngesellschaften um diese Zeit, versuchte, die bergmännisch geschulten Arbeiter nach Großkönigsdorf zu holen. Der Erfolg war gering. In schwerster Handarbeit mit Schubkarren und Pferdefuhrwerken wurde der Sand abtransportiert. Zeitweise waren an der Baustelle des Tunnels über 2.000 Menschen beschäftigt.
Nach etwa zwei Jahren war das Bauwerk, zu dieser Zeit eines der größten auf dem europäischen Kontinent, im September 1841 soweit fertiggestellt, daß die Dampfzüge passieren konnten.
Die Unterhaltung und Überwachung der Tunnelröhre war kostspielig. Mehrfach, so 1907 und 1930, waren größere Instandsetzungen notwendig, da herabfallendes Mauerwerk den Zugverkehr gefährdete.
Die Gefahr wurde noch größer
mir der Verdichtung des Zugverkehrs. Im Jahre 1954 passierten täglich
187 Züge die Strecke. Nachdem schließlich auch das Tempo
immer höher geschraubt worden war und die Züge schließlich
mit 120 km/h durch die Röhre rasten, entschloß sich die
Bundesbahn in den 50er Jahren zur Radialkur, zum Aufschlitzen des
Tunnels. Im Juni 1954 erfolgte die Ausschreibung für das
Zwölf-Millionen-Mark-Projekt.
So
imponierend die Zahlen aus der Zeit des Tunnelbaues, so imponierend
waren auch die aus der Zeit der Demontage. Insgesamt mußten
3,92 Millionen Kubikmeter Erde abgetragen und 30.000 Kubikmeter
Tunnelmauerwerk abgebrochen werden.
Nur Reste blieben
von dem Ostportal als Erinnerung an einen der ältesten deutschen
Eisenbahn-Tunnel übrig
Erster Bandbetrieb
Erstmals
bewährte sich an dieser Großbaustelle der Bandbetrieb. Mit
Großraumgeräten wurden die Erdmassen auf ein einen Meter
breites Band verkippt und zu dem benachbarten 5,6 Kilometer
entfernten ausgekohlten Tagebau Werhahn transportiert.
42 Güterzüge täglich mußten umgeleitet werden oder durften die zweigleisige Strecke nur mit verminderter Geschwindigkeit passieren. Für den Nahverkehr wurden Busse eingesetzt. Rund um die Uhr wurde gearbeitet.
Pünktlich zum Beginn des
Weihnachtsverkehrs 1955 war der Tunnel verschwunden. Es blieb ein
breiter, tiefer Einschnitt, wie er sich heute noch darstellt,
zunächst kahl, heute so dicht bewachsen, daß zum Beispiel
Teile des Ostportals, die zur Erinnerung stehen gelassen wurden, kaum
noch zu sehen sind.
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