Visitenkarte der ehemals blühenden Gemünder Eisenindustrie
Von Ernst Ludwig Haeger
3. Das Eisenwalz- und
Schneidwerk
(auch englische Drahtfabrik
und Mariahütte genannt) von 1873 auf dem
Büllenbenden, dort wo heute die Grundschule
steht.
Standort: Unterhalb Gemünds, so hieß
früher alles, was westlich des Braubaches lag. Der Braubach war
die Grenze zwischen Gemünd und Malsbenden. Der Bachlauf ist
heute innerhalb des Stadtgebietes verrohrt, seine Mündung in die
Urft ist an der Ostseite des Schulhofes. Das Eisenwalz- und
Schneidwerk lag auf dem Gelände der heutigen Gemünder
Grundschule einschließlich Schulhof (zwischen Amtsgericht und
Stadthalle).
Standort
des Eisenwalz- und Schneidwerkes am Büllenbenden:
Ausschnitt der heutigen Flurkarte 22. Darin maßstabgerecht
eingezeichnet aus der Gemünder Katasterkarte von 1872 die
Gebäude der ehemaligen Mariahütte mit der
früheren Zufahrtsstraße, der Poensgen-Allee.
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1763 |
Franz Ludwig Freiherr von Harff zu Dreiborn erteilt die Konzession an Johann Dietrich Peuchen zur Errichtung eines Eisenwalzwerkes nebst Eisenschneidmühle nach englischer Art. |
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1893 |
Peuchen stirbt, neuer Besitzer der Anlage wird dessen Enkel Abraham Theodor Rotscheidt (1764 - 1834). Der war verheiratet mit Maria Catharina Theodora Schoeller. |
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1815 |
Schuldversteigerung. |
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1816 |
Werk lag still. |
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1817 |
Abgebrannt. Gleichzeitig übergegangen auf die Erben des Abr. Theod. Rotscheidt: Johann Wilhelm Ludolph, Johann Heinrich Rotscheidt und Lucia Cornelia Philippina Axmacher geb. Rotscheidt |
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1819 |
Wiederaufbau des Werkes. |
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1822 |
Reinhard Poensgen wird Miteigentümer durch Heirat mit Katharina Henriette Axmacher. Bestand: 12 Arbeiter, zwei Flammöfen, vier Walzen. |
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1828 |
Antrag bei der Regierung um Erweiterung und Modernisierung des Werkes. Er wollte pro Woche 100.000 Pfund Eisen schneiden und 30.000 Pfund Eisen walzen. Daraufhin stellten die Behörden fest, daß die Schneidemühle ohne Konzession betrieben wurde. Es kam zu langwierigen Verhandlungen. Darauf mußte Reinhard Poensgen Farbe bekennen: Er wollte die Schneidmühle umwandeln in ein Walz- und Schneidwerk nach neuerer Mechanik und gleichzeitig ein Puddelwerk errichten. Er baute schließlich zwei Puddelöfen und einen Schweißofen. |
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1834 |
Am 18. April wurde ihm endlich die Konzession für den im Jahr 1828 beantragten Werksumbau erteilt. 15.000 Zentner Roheisen und 30.000 Zentner Stangeneisen jährlich lieferten ihm seine Verwandten von ihren Reitwerken in Gemünd (am heutigen Hermann-Kattwinkel-Platz), Gangforth (bei Schleiden), Oberhausen, Wiesgen, Müllershammer, Blumenthal, Kirschseiffen, Hellenthal, Steinfeld und Jünkerath. |
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1838 |
Antrag um Genehmigung zur Errichtung eines zweiten Puddelwerkes und einer Drahtzieherei mit einem Blech- und Drahtwärmofen, eines weiteren unterschlächtigen Wasserrades von 10 Fuß Höhe und sechs Fuß Weite. |
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1839 |
Am 12. Juli besucht Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen das Werk. |
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1840 |
Genehmigung des Antrages von 1838. (Das Drahtwerk war aber bereits in Betrieb.) Dampfmaschine als Antrieb. Die Drahtzieherei wurde von dem Engländer Josef Palfrey Chillingworth geleitet und hieß deshalb die englische Drahtfabrik. Das Puddelwerk und Walzwerk wurde die Mariahütte genannt. (Dieser Chillingworth heiratete später eine Tochter des Gemünder Hoteliers Messerschmidt, er ging 1843 in die Eisenbahnverwaltung nach Braunschweig.) |
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1841 |
Belegschaft: 72 Mann. |
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1842 |
Im Januar stirbt der Compagnon Johann Heinrich Rotscheidt. |
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1846 |
Belegschaft: 200 Mann. |
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1848 |
Während der Revolutionswirren lag das Werk still. Am 10. Dezember stirbt Reinhard Poensgen. |
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1849 |
Belegschaft: 65 Mann. |
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1858 |
Belegschaft: 137 Mann. |
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1860 |
Von Mai bis August wird das gesamte Werk nach Düsseldorf-Oberbilk verlegt. Ursache war der fehlende Eisenbahnbau in der Eifel. |
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1861 |
In den leeren Werkshallen richtet sich die Firma Giesbers & Co. Ein. Beginn einer Gußstahlfabrikation. Es wurde der erste Bessemerstahl in Deutschland hergestellt. 1863 wurden davon wöchentlich 60 bis 70 Zentner versandt. Das Bessemer-Verfahren (1855 in England von Sir Henry Bessemer erfunden) - das Roheisenfrischen in Konvertern - verdrängte im herkömmlichen Reitwerk die letzte handarbeitliche Tätigkeit des Herdfrischens. |
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1864 |
Verlegung auch dieser Firma nach Düsseldorf-Oberbilk. Durch fehlenden Eisenbahntransport war keine Produktionssteigerung möglich. |
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1869 |
Bis 1882 entsteht in den leeren Hallen unter Ferdinand Poensgen eine Drahtzieherei, welche Nägel herstellte. Sie bestand bis etwa 1920. |
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1927 |
Der Orden der Dominikanerinnen in Speyer kauft die leeren Fabrikhallen und baut sie um zu einem Mädchenpensionat mit Haushaltungsschule. Die Gebäude tragen nun den Namen St. Katharina. |
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1944 |
Ende November und im Dezember werden die Gebäude durch Luftangriffe und Artilleriebeschuß vollständig zerstört. |
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1957 |
Westlich des Grundstücks der ehemaligen Werkshallen wird die neue Gemünder Stadthalle eingeweiht. |
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1960 |
Am 21. April wird auf dem Grundstück der ehemaligen Werkshallen die neue 10klassige Volksschule Gemünd eingeweiht. |
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Das heute noch, gleich unterhalb der Mündung der Olef in die Urft, befindliche Wehr in der Urft war ursprünglich angelegt worden, um das Wasser durch den seitlich der Urft laufenden Schneidmühlegraben in das Werksgelände zu führen - zum Antrieb der Wasserräder. Später wurde damit in St. Katharina die Turbine angetrieben, welche die Stromversorgung des Pensionates sicherstellte.
Das Röhrenwerk von Albert Poensgen in Mauel.
Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1982
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