„Visitenkarte“ der ehemals blühenden Gemünder Eisenindustrie

Von Ernst Ludwig Haeger


4. Das Röhrenwerk in Mauel


Gemünd um 1885: Im Hintergrund die Gebäude der ehemaligen Röhrenwerke von Albert Poensgen in Mauel. Rechts der Landstraße: Im Text mit 4.1, zwischen Straße und Urft: Im Text mit 4.2; links an der Urft: Im Text mit 4.3 bezeichnet. Das Gebäude in der Bildmitte mit dem breiten Satteldach: Holzsägewerk von Albert Fesenmeyer, vorher stand dort das Gemünder Reitwerk. Im Text mit 2. bezeichnet


Deutsche Grundkarte Gemünd 1975/77 (1:10.000): Darin mit Ziffern die im Text unter 4 beschriebenen Standorte markiert.









Standorte:















4.1.

Die Stahlfabrik, in welcher im Dezember 1945 die ersten geschweißten Gasrohre hergestellt wurden, lag auf dem Gelände der heutigen „Eifeler Pappenfabrik von Hermann Kattwinkel“.

4.2.

Das Röhrenwerk, in welchem ab 1856 die geschweißten Siederohre für den Lokomotivbau hergestellt wurden, lag auf dem Gelände des späteren „Eisenwerk Mauel“, der heutigen Firma „Eifel-Spritzguß GmbH“.

4.3.

Das Bleiröhrenwalzwerk von Albert und Julius Poensgen mit angeschlossener Draht- und Nagelfabrik von 1847 lag auf der rechten Urftseite am Meisberg. (Siehe zu diesen Standorten die schraffierten Flächen in der Flurkarte.)

Entwicklung:







zu 4.1.

1780

Am 10. Juni erteilte Franz Ludwig Freiherr von Harff zu Dreiborn die Konzession zur Errichtung mehrerer Eisenhämmer in Mauel an die Brüder J. Peter und Heinrich Clemens Strömer sowie an Johann Ludolph Cramer. Sie nannten das Werk „Freundenthal“. Zum Aufbau nahmen sie die Steine aus der zerfallenen Burg Mauel. Dieses Hammerwerk verarbeitete das im Gemünder Reitwerk erzeugte Stabeisen zu Eisengeräten. Das Werk war durch einen Wassergraben, der oberhalb des Werkes einen Mühlenweiher bildete (und der noch bis vor einigen Jahren die Turbine der Pappenfabrik mit Wasser speiste), an die Wasserkraft der Urft angeschlossen.


1815

und 1816 lag das Werk still.


1817

gelangte das Werk an einen Deckenfabrikanten.


1821

gelangten alle Besitzrechte an Johann Ludolph Schoeller, welcher auch Anteile am Gemünder Reitwerk besaß. Umbau in eine Papierfabrik, welche das durchscheinende Gemünder „Eierpapier“ herstellte.


1827

teilweise abgebrannt.


1833

ein Teil des Werkes wird Papierfabrik (Carl Schoeller), der andere Teil Tuchfabrik (Gustav Adolf Schoeller).


1844

im April wegen Wirtschaftskrise gesamtes Werk stillgelegt.
Im November wird das Werk in eine Stahlfabrik umgebaut.


1845

29. Juli Konzession für den Betrieb einer Gußstahlfabrik an Albert Poensgen und Friedrich Wilhelm Schoeller.
Herstellung von Gußstahl, Zementstahl sowie von Guß- und Zementstahlfeilen. Zur Herstellung von Zement- und Gußstahl wurde schwedisches Stabeisen verwendet. Anwerbung von Feilenschmieden und Feilenhauern aus Remscheid und Solingen.
Im November Errichtung eines „Röhren-Walzwerkes“.
Im Dezember begann die Produktion geschweißter Gasrohre.


1847

Reinhard Mannesmann von der Feilenfabrik A. Mannesmann in Remscheid kommt nach Mauel zur Materialprüfung von Feilenstahl.
Im Dezember Stillegung der Gußstahlfabrik zugunsten der Erweiterung des Röhrenwerkes


1848

und 1949 begann die Herstellung geschweißter Siederohre für den Lokomotivbau.

zu 4.2.

1855

und 1856 Bau eines weiteren Siederrohrwalzwerkes auf dem „Kuttebende“, einem Grundstück, welches in Mauel zwischen der Urft und der Bezirksstraße Gemünd - Call am Mühlenbach lag.
In diesem Rohrwalzwerk war später das „Eisenwerk Mauel“.

Zu 4.3.

1847

Gründung eines Bleiröhrenwalzwerkes in Mauel an der rechten Urftseite am Meisberg durch Albert und Julius Poensgen. In dieses neue Werk bringt Albert Poensgen auch die bereits 1844 in Gemünd hinter dem Wohnhaus seines Schwiegervaters Johann Wilhelm Ludolph Rotscheidt gegründete Firma ein, welche Drahtstifte und Nägel herstellte.


1860

Im Juni und Juli Demontage des gesamten Werkskomplexes in Mauel (bestehend aus 4.1, 4.2 und 4.3) und Verlegung nach Düsseldorf-Oberbilk.
Ursache hierfür war in erster Linie der fehlende Eisenbahnbau in der Eifel.










Standorte der Röhrenwerke von Albert Poensgen in Mauel: Ausschnitt der heutigen Flurkarte 25. Darin maßstabgerecht eingezeichnet aus der Gemünder Katasterkarte von 1872 die Gebäude der ehemaligen Röhrenwerke. Im Text mit 4.1, 4.2 und 4.3 bezeichnet.

Nachfolgebetriebe







zu 4.1.

1869

In den leeren Hallen südlich der Landstraße errichtet Carl Deutgen eine Holzschneidemühle.


1881

Verkauf dieser Hallen an die Firma Haas, Bruch & Co. aus Schleiden, welche dort eine Pappenfabrik errichtet.


1911

Übernahme dieser Pappenfabrik durch Hermann Kattwinkel.


1945

Bei Kriegsende war die Pappenfabrik zu 40 % zerstört. Wiederaufbau.


1949

Durch Großfeuer total vernichtet. Wiederaufbau.


1954

Im August durch Großfeuer erneut vernichtet. Wiederaufbau.
Die heutige Firmenbezeichnung lautet: „Eifeler Pappenfabrik“.

zu 4.2

1902

In den leeren Werkshallen nördlich der Landstraße auf dem „Kuttebende“ wurde die Firma Eisenwerk Mauel als Gesenkschmiede gegründet.
Herstellung leichter Schmiedestücke, Fahrradteile. Zusätzlich wurde die leerstehende Fabrikhalle am Meisberg auf der rechten Urftseite übernommen, dort wurden bis etwa 1920 landwirtschaftliche Gabeln hergestellt.


1944

Am 30. November wurde die Werkhalle durch Bombenangriff total zerstört.


1945

Am 30. November erteilt die Militärbehörde die Genehmigung zum Wiederbeginn der Produktion. Zunächst begann der länger währende Aufbau der Hallen.


1951

Wiederbeginn der Produktion. Herstellung von Weichen- und Signalgestängen sowie Waggonbeschlagteilen für die Eisenbahn.


1966

Am 30. Juni Stillegung des Eisenwerkes Mauel wegen mangelnder Aufträge der Bundesbahn. Anschließend Übernahme der Hallen durch die Firma „Eifel-Spritzguß GmbH“.

Zu 4.3

1861

ab September Betrieb einer Kunstwollfabrik durch Ferdinand Poensgen und Carl Deutgen.


1865

zusätzliche Inbetriebnahme einer Spinnerei.


1869

Hugo Poensgen führt die Firma alleine weiter.


1875

die Firma wird aufgelöst, das Werk stillgelegt.


1902

beginnt in den leerstehenden Werkshallen das Eisenwerk Mauel mit der Herstellung von landwirtschaftlichen Gabeln.


1920

Einstellung der Produktion, das Werk wird stillgelegt.


1945

Am 30. November, genau ein Jahr nach der Zerstörung, erhielt das Eisenwerk Mauel von der Militärbehörde die Genehmigung zur Wiederaufnahme der Produktion. Da aber das eigentliche Eisenwerk (siehe 4.2) noch total zerstört war - auch die eigene Dampfkraftanlage zur Stromerzeugung - wurden die Hallen am Meisberg wieder in Betrieb genommen. Hier war der mit Wasserkraft getriebene Fallhammer noch vorhanden, mit welchem die Produktion wieder begonnen werden konnte. Die Belegschaft nannte es Deutz-Werk, weil es - wie Deutz zu Köln - hier auf der rechten Urftseite lag.


1966

Am 30. Juni war mit der Stillegung des Eisenwerkes auch für diese im Jahre 1847 gegründeten Werkshallen das Ende gekommen. In den folgenden Jahren standen die Hallen ungenutzt oder dienten verschiedenen Firmen als Lager- und Unterstellmöglichkeit.


1979

Am 16. Februar - fast 132 Jahre nach der Gründung - wurden die leerstehenden Hallen abgerissen und das Gelände dem Erdboden gleichgemacht.
Kurzsichtigkeit hat hier verhindert, in dem früher industriereichsten Gebiet des Rheinlandes ein Zeugnis der Technikgeschichte zu erhalten und als Industriemuseum einzurichten









Auszug aus dem Stammbaum der Familie Poensgen

Die Rohstoffe Eisenerz und Holzkohle.

Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1982

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