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Erlebnisse eines Buirer
Eisenbahners in seiner 50-jährigen Dienstzeit
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12. - Mai 1945 - Einmarsch der Russen und Besetzung unseres Evakuierungsortes Arzberg 3-4 Wochen russische Besatzungszeit |
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Als die Russen Anfang Mai 45 den Ort Arzberg besetzten, brachten sie eine Batterie schwere Artillerie in das Dorf in Stellung, die die Stadt Torgau (10 km von uns entfernt) beschossen. Die Amis schossen damals vom Westen auf Torgau. Am 8. oder 9. Mai 45 war das Schießen zu Ende und Deutschland besiegt. Einige Tage später holten die Russen mit Maschinenpistolen bewaffnet, alle im Ort anwesenden Männer morgens um 4 Uhr aus den Wohnungen, es waren ca. 15 Mann, darunter auch der ev. Pfarrer und trieben uns 10 km zu Fuß zum Bf Falkenburg (Strecke Leipzig-Torgau-Kottbus. Dort wurde von der zweigleisigen Strecke ein Gleis demontiert, sämtliche Signale dieses Gleises, Schranken und Stellwerkseinrichtungen wurden abgebrochen. An der Arbeitsstelle waren vielleicht mehr als 100 Männer aus der Umgebung von Falkenburg zusammengeholt worden, um diese Arbeiten unter Aufsicht der Russen durchzuführen. Die Schienen und Schwellen wurden gelöst und stoßweise aufgestapelt. Eine Menge Frauen und Mädchen mußten das Kleineisenzeug, Schrauben, Bolzen, Klemmplatten u.a. zusammentragen und in Abständen von einigen 100 m aufstapeln. Nach 12-stündiger Arbeit erhielt man abends ein Stück Brot, wenn man Glück hatte (schätzungsweise 100 Gramm) als Arbeitslohn. Daraufhin wurde man von den Russen nach Hause begleitet, 10 km zu Fuß. 5 Tage hatte ich mitgearbeitet, dann erhielt ich durch Vermittlung eines jungen Russen, der etwas deutsch sprach, eine andere Arbeit zugewiesen im Heimatdorf. Wer nicht für die Russen arbeitete, mußte hungern. Unsere Kinder mußten täglich Körbe voll Sauerampfer suchen für die russ. Feldküche. Als Lohn gab es einen Löffel Suppe. Meine Familie und meine Schwägerin mit 2 Kindern wurden von den Russen aus der Wohng. vertrieben, nachdem der Pfarrer mit seiner Familie einige Tage vorher aus der Wohnung ausgewiesen wurde, weil das Pfarrhaus als Bataillons-Kommandantur eingerichtet wurde. Die so obdachlos gewordenen Familien wurden von den Russen in einem Bauern Bauernhaus, für jede Familie ein Zimmer, zugewiesen, ohne Rücksicht auf die Zahl der Familienangehörigen. So wohnten in dem Haus 8 Familien mit über 30 Personen. Meine Frau und meine Schwägerin wurden jeden Morgen gegen 5 Uhr von bewaffneten Russen in der Wohnung abgeholt, um in der Ortskommandantur (ev. Pfarrhaus, in dem wir gewohnt hatten) den russ. Offizieren die Schlafzimmer und Wohnung sauber zu halten und alles in Ordnung zu bringen nach deutscher Art. Mitte Mai 45 war eine Siegesfeier zusammen mit den alliierten Siegern vorgesehen. Tagelang mußten wir Männer Wiesenland für ein Reitturnier herrichten, Zäune entfernen, rundherum Tannenbäume pflanzen, Hindernisse und Tribünen bauen. Aber Unstimmigkeiten der Siegermächte ließen es nicht zu einer gemeinsamen Feier kommen, sondern die Russen feierten allein. Hierbei wurde eine Menge Orden an die Soldaten verteilt. Eine russ. Musikkapelle sorgte für das Drum und Dran auf russische Art. Es folgten Reden, dann das Reitturnier. Hierbei sah man Russen, die an beiden Armen bis 10 Armbanduhren als Dekoration trugen, die sie sich organisiert hatten. Auf dem von mir erwähnten Mil.-Flugplatz Lönnewitz befanden sich Gefangenenlager, in denen sich von Deutschen gefangene Engländer, Franzosen, Belgier und Holländer befanden. Desgl. war dort ein Lager mit ausländischen Frauen, darunter viele Polen, die durch ein farbiges Kreuz auf dem Rücken gekennzeichnet waren. Als die Russen den Flugplatz besetzten, wurden alle Gefangenen freigelassen. Wie uns Franzosen später mitteilten, mußten sie sich selbst verpflegen, weil sie keine Lebensmittel von den Russen erhielten. Diese Gefangenen bevölkerten unsere Gegend, sie kamen zu der Zivilbevölkerung, um etwas Essen zu bekommen, aber wir hatten selber nicht viel. Früher hatten wir erfahren, daß die Autogarage eines Metzgers in Arzberg mit Kisten Volkssturmverpflegung gefüllt war, die durch die schnelle Flucht der Einheimischen mit ihrem Ortsvorsteher nicht verteilt wurden. Eine Gruppe Franzosen, die uns aufsuchten, und mit denen wir uns sprachlich etwas verständigen konnten, haben wir die Autogarage gezeigt. Sie wurde von den Franzosen gewaltsam geöffnet und diese waren froh, nun genug zum Essen zu haben. Alle noch anwesenden Zivilisten, darunter manche Buirer, erhielten von den Franzosen Kisten mit Lebensmittel, Wurst, Fleisch, Käse u.a. Nun hatten wir Sorge, diese Kisten so zu verstecken, daß sie von den Russen nicht gefunden und evtl. abgenommen wurden. Hierdurch konnten wir uns so lange verpflegen, bis man in Arzberg etwas kaufen konnte. In Buir wohnen heute noch einige Familien, die damals mit Lebensmittel versorgt wurden und meine Ausführungen bestätigen können. Inzwischen hatten russ. Soldaten sich mit freigelassenen poln. Frauen angefreundet. Fast täglich gingen diese von Haus zu Haus, um andere Kleidung für die Frauen zu erhalten. Eines Tages kamen einige in unsere Wohnung. Ich trug an dem Tage einen blauen Anzug. Der Russe verlangte meine blaue Joppe, als diese der Frau nicht paßte, durfte ich die Jacke wieder anziehen. Nachdem sie nichts Passendes für die Frau fanden, gingen sie in das Nachbarhaus. Zuvor hatte der Russe die goldenen Achselstücke meiner Eisenbahnuniform abgeschnitten und eingesteckt. Er nahm nur meine schwarze Uniformhose mit roter Bise mit. Einige Tage später sahen wir den Russen zufällig auf der Straße. Er hatte meine schwarze Uniformhose angezogen und trug darüber seine russ. Militärjoppe und Mütze. In den Nachbarorten war die Volkssturmverpflegung einige Tage vor dem Einmarsch der Russen an die Zivilbevölkerung verteilt worden, dies sagte mir ein Bekannter, der dort wohnte und aus Buir stammte. Ich hatte die Kisten Lebensmittel im Park und Garten des Pfarrers vergraben. Eine Kiste lag im Erdbeerbeet, oben darüber wurden die Erdbeeren wieder gepflanzt, desgl. versteckte ich Kisten im Salatbeet und unter Sträuchern. Ähnlich wie ich versteckte der Pfarrer auch seine Kisten Konserven, jedoch war er unvorsichtiger und fand später nichts mehr, so daß wir unsere Kisten mit ihm teilten. Einige Büchsen hatten wir für unsere Heimreise reserviert. Als die Russen Ende Mai 45 abzogen, weil die Alliierten das Gebiet westlich der Elbe bis an die heutige Zonengrenze räumten und den Russen übergaben, zogen wir wieder ins Pfarrhaus, in unsere alte Wohnung ein. Hier fanden wir nur noch wenig von unseren Habseligkeiten vor, sogar die Überzüge der Bettmatratzen hatten die Russen abgeschnitten. Einige Kisten Konserven, die ich vergraben hatte, fanden wir glücklicherweise wieder vor. Unsere Nähmaschine (Singer), die ich bei einem Urlaub von Buir nach Arzberg geschafft hatte, konnte meine Frau kurz vor dem Abmarsch der Russen durch Hilfe eines russ. Offiziers in unsere Notwohnung (1 Zimmer) fortschaffen. Vorher hatte ein Russe verlauten lassen, die Maschine geht mit nach Rußland. 1948 habe ich die Nähmaschine mit viel List nach Buir zurückgeholt. Dies war damals eine kritische Angelegenheit, weil solche Gegenstände sowie Radiogeräte, Fahrräder u.a. nicht aus der russ. Besatzungszone ausgeführt werden durften. Als Eisenbahner in Uniform hatte ich die Maschine gut nach Haus bekommen, sie funktioniert heute noch gut. Wir waren alle froh, die Russenzeit verhältnismäßig gut überstanden zu haben. Meine Frau sagte z.Zt. Ich möchte lieber noch mal 2-3 Monate zu Haus in Buir bei Fliegeralarm in die Luftschutzkeller gehen, als noch mal die 3 Wochen Russenbesetzung mit der täglichen Angst vor den russ. Soldaten miterleben müssen. In den letzten Kriegsjahren waren die Frauen der Buirer Bfs Bewohner gezwungen, täglich im Luftschutzkeller das Mittagessen vorzubereiten (Kartoffel schälen u.a.m.), um gegen Mittag nach Beendigung des Fliegeralarms oben in der Wohnung zu kochen. Manchmal war Gelegenheit, in den Wohnungen zu essen, sonst geschah es im Luftschutzkeller, wo meine jüngsten Kinder (damals 11 und 6 Jahre alt) groß geworden sind. Junge Mädchen mußten sich verborgen halten. Die Frauen kleideten sich wie 80-jährige, um von den Russen nicht belästigt zu werden. Trotzdem ist eine 65-jährige Buirer Frau angeblich von Russen vergewaltigt worden. (Sie lebt heute nicht mehr) |
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13. Juni
bis Aug. 1945, Planung und
Vorbereitungen für die Heimreise |
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