Erlebnisse eines Buirer Eisenbahners in seiner 50-jährigen Dienstzeit
von Peter Müllenmeister




5. Die Zeit von 1930 - 1936 und Ernennung zum Bfs-Vorsteher




Seit 1930 war ich Vertreter des Dienststellenvorstehers neben meinem Dienst als Fahrdienstleiter und Aufsichtsbeamter auf Bahnhof Buir. 1936 wurde meine Vorgänger G. wegen Krankheit in den Ruhestand versetzt und mir die Leitung der Dienststelle des Bfs Buir übertragen. In Buir waren zu der Zeit 7 Dienststellen mit je 3 Mann Besetzung, dazu kamen 4 Ablöser, 2 Lehrlinge und 2-3 Auszubildende im Betriebs- und Verkehrsdienst. Die Belegschaft zählte 30 Bedienstete. Als Bfs Vorsteher war man Kassenverwalter für die Fahrkartenausgaben und Güterabfertigung sowie Betreuungsstelle für ca. 50 Ruhestandsbeamte und Witwen und ca. 60 Rentner und Witwen.

Wir hatten einen täglichen Wagenein- und Ausgang von durchschnittlich 20 - 25 Wagen.

Die Buirer Brennerei und Malzfabrik erhielt täglich 4-5 Wagen Braunkohlen, außerdem Schiffsladungen aus Kölner Häfen mit Mais, Gerste und anderes Getreide aus Übersee. Zur Zeit der Ostpreußenhilfe kamen eine Menge Waggons Kartoffelflocken für die Brennerei hier an. In einem Jahr ging ein ganzer Zug mit Kastanien für die Brennerei hier ein, die zu Sprit verarbeitet wurden. Im Frühjahr hatten wir mit dem Versand von Saatgetreide der Saatzuchtfirma Krafft zu tun.

Im Herbst, zur Zeit der Zuckerrübenernte wurden hier täglich 40 - 50 Wagen Zuckerrüben verladen.

Wöchentlich wurden 2-3 Wg Schlachtvieh für Köln Viehhof hier abgefertigt.

Zur damaligen Zeit wurde kaum ein Haus gebaut, zu dem die Baumaterialien nicht mit der Eisenbahn befördert wurden. Heute entstehen ganze Städte, ohne daß die Eisenbahn nur einen einzigen Wagen mit Baustoffen befördert. Heute geschieht alles mit Lkw's über die Landstraßen.

Die Saatzuchtfirma Krafft hatte später die Getreidezucht des Seniorchefs auf Kartoffelzucht umgestellt. Die Firma hatte viele Getreidesorten gezüchtet, z.B. Kraffts Kurzstrohroggen, Kraffts Dickkopfweizen, Kraffts Beseler Hafer, Rhein. Gelb- und Weisshafer, Feld(?)bohnen. Der Sohn der Firma, heutiger Besitzer der Saatzuchtfirma, befaßte sich eigenhändig mit der Kartoffelzucht. Es gab neue Sorten z.B. Rheinhort, Saphir, Hassia, Tondra und manche andere Sorte aus Buir. Im Juni begann in der Regel die Frühkartoffelernte. Dann fuhr ab Buir ein Kartoffel-Sonderzug. Anfangs gingen täglich 5-10 Wagen, später 15-20 Wagen Kartoffel hier ab, denn viele andere Landwirte betrieben Frühkartoffelanbau. Auf abgeernteten Parzellen wurde meist Blumenkohl angepflanzt. Während der Blumenkohlernte wurden in Buir täglich 5 und mehr Wagen abgefertigt.

Als die Saatgetreidezucht noch betrieben wurde, war ab März ein Pferdedoppelgespann der Fa. täglich im Pendelverkehr zwischen der Saatzuchtfirma und dem Güterschuppen des Bfs Buir im Einsatz. Dann hatten wir täglich Stückgutkurswagen im Umlauf, die an den meisten Tagen nicht ausreichten für die Menge Saatgetreide, die täglich versandt wurden.

Über Arbeitsmangel brauchten wir alle nicht zu klagen, jeder hatte alle Hände voll zu tun, daß alles ordnungsgemäß stattfand. Den langläufigen Ausspruch „fuule Isebähner“ (faule Eisenbahner) konnten wir für uns nicht als zutreffend betrachten.

Zu unserem Verkehrsbereich gehörten die Gemeinden Buir, Manheim, Golzheim, Morschenich und die umliegenden Großgrundbesitzungen: Lambertshof b. Morschenich, Seelrather Höfe und Ahrburg b. Golzheim. Letztere hatte z.Zt. eine bedeutende Vollblut-Pferdezucht. In Buir waren es: das Rittergut '“Buirer Burg“, Ferkensburg, Anstelburg, Voigtsburg und Schöffenhof, ferner die Wolfskaulerhöfe b. Golzheim, das Rittergut „Haus Forst“ mit einer Spritbrennerei und Reit- und Fahrturnier-Pferdehaltung, die Bochheimerhöfe b. Manheim, außerdem das Pferdegestüt „Haus Tanneck“, in der Nazizeit „Gestüt Ribbentrop“.

Mit diesen vorgenannten Großbetrieben hatten wir eisenbahnseitig fast täglich das eine oder andere zu tun.

Nach dem ersten Weltkrieg hatte die Eisenbahn große Sorgen um Brücken und Bauwerke aller Art. In der turbulenten Zeit vor 1933 wurde der Bahnschutz oft zur Beachtung der Bahnanlagen und Aufrechterhaltung der Ordnung auf Strecken und Bahnhöfen aufgerufen. Meine früheren Dürener Kollegen waren bereits im Bahnschutz tätig. Da der Bahnschutz eine freiwillige Angelegenheit war, bewarb ich mich 1931 um Einstellung bei der Bahnschutzpolizei. Am 24.2.32 wurde ich als Bahnschutzmann eingestellt. Wir wurden damals von der Kölner Polizei auf dem Güterbahnhof Köln-Bonner Tor ausgebildet, um mit der Waffe vertraut zu sein. Später gab es Gummiknüppel, deren Handhabung man auch kennen mußte. Unser Leiter war der Bahnhofsvorsteher von Krefeld, der im Kriege 1914/18 Hauptmann gewesen war.

Nach einiger Zeit wurde eine Sanitätsabteilung im Bahnschutz gegründet, die von einem Oberbahnarzt ausgebildet und geführt wurde. Ich meldete mich zu dieser Sonderformation mit dem Gedanken, man kann nie zuviel lernen und manches zu Hause gut verwerten.

Auf der Wahner Heide b. Köln hatten wir wöchentlich einmal ganztägige Ausbildung. Meinen Dienst in Buir mußte dann ein Ablöser übernehmen. In diesem Klub war eine gute Kameradschaft, obwohl wir Eisenbahner aus allen Berufsgruppen waren. Im Laufe der Jahre gab es ab und zu eine 14-tägige Ausbildung in Wahn. 1934 wurde ich Scharführer im Bz. Sanitätsdienst und 1939 bin ich zum Gruppenführer ernannt worden.

Während meiner Zeit als Bahnhofsvorsteher war es später für mich eine große Belastung. Am 30.6.1940 schied ich ehrenvoll aus dem Bahnschutz aus, nachdem ich oft an der Dürener Dreigurt Rurbrücke, an Brücken zwischen Düren und Horrem sowie bei Veranstaltungen in der Kölner Messe durch die Nazis auf der Hohenzollernbrücke in Köln Wache geschoben hatte, weil die Kommunisten unberechenbar waren, obwohl die Partei 1933 verboten wurde.

Mein Vorgänger als Bahnhofsvorsteher war von 1934 an krank, ich hatte daher längere Zeit seine Vertretung übernommen. Während dieser Zeit wurde ein Dürener Betriebsassistent (Müller) nach Buir als Fahrdienstleiter und Aufsichtsbeamter versetzt. Als er sich bei mir meldete, sahen sich zwei Bekannte nach langer Zeit wieder. Müller war im letzten Kriegsjahr 1918 (17-jährig) zum Kriegsdienst einberufen worden, mit einer Nachschubabteilg. im März 1918 zur III. Ersatz-Maschinengewehr-Kompagnie nach Brüssel-Etterbeck, der ich seit 1917 angehörte. Als Ausbilder in der III MG.-Komp fragte ich auf dem Kasernenhof, ob jemand von den Ersatzsoldaten aus dem Dürener Raum sei. Müller meldete sich aus Düren, Karlstr. Diese Straße kannte ich zufällig, weil damals das Eisenbahnbetriebsamt Düren dort seinen Sitz hatte. Da Müller ein Junge meines Nachbarortes Düren war, holte ich ihn in meine Ausbildungsgruppe und bildete ihn am schweren Maschinengewehr sowie im Telefon- und Blinktrupp aus. So wurden wir Kameraden und sahen uns erst nach langen Jahren wieder, um als Fahrdienstleiter ausgebildet zu werden. Müller war aktiver Bahnschutzmann gewesen und stand im Range eines Gruppenführers. Für allgemeine Aufgaben im Bahnschutz gehörte ich zum Dürener Raum und unterstand dem Gruppenführer Müller, dessen Vorgesetzter ich als Soldat im Krieg war.

Während des Dienstes als Eisenbahnbetriebsbeamter war ich als Bfs-Vorsteher Müllers Dienstvorgesetzter. Im Bahnschutz dagegen war ein Untergebener des Bfs Buir mein Vorgesetzter im Bahnschutz. Letzteres war jedoch nur an einzelnen Tagen. Nach vielen Jahren guten Einvernehmens mit ihm, dies zeigte sich besonders bei unseren jährlichen Betriebsfeiern, geschah etwas Tragisches. Infolge geistiger Umnachtung erschoß er eines Tages mit seiner Eisenbahndienstpistole zuerst seine Ehefrau und dann sich selber. Er hinterließ 3 Kinder. Für mich war das Geschehene unfaßbar, denn Müller war freundlich, klug und umsichtig im Dienst.




6. Besetzung des Weichenstellwerks Bw. Bf Buir und
....des Fahrkartenschalters mit Frauen (1942)

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