Geschichtsseiten für Bad Münstereifel und Umgebung
Wirtschafts-, Verkehrs-, Heimat- und Kulturgeschehen





Aus Vorgeschichte und Geschichte der Stadt Münstereifel
und ihrer Umgebung

Inhaltsverzeichnis
Einleitung

I. Die vorgeschichtliche Zeit (bis etwa 55 v. Chr.)
II. Die römische Zeit (55 v. Chr. bis etwa 400 n. Chr.)
III. Die fränkische Zeit (400 bis etwa 900) . . . .
IV. Die Schutzherrschaft der Grafen von Are, Jülich und Hochstaden (900 bis 1265)
V. Die Herrschaft der Grafen und Herzöge von Jülich (1265 bis 1609)
VI. Die Herrschaft der Pfalzgrafen von Neuburg und Sulzbach (1614 bis 1794)
VII. Münstereifel unter französischer Herrschaft (1794 bis 1815)
VIII. Münstereifel unter preußischer Herrschaft (seit 1815)





Vorwort

Die vorliegende Arbeit geht auf einen Vortrag zurück, den ich am 19. 12. 1938 im Rahmen des Deutschen Volksbildungswerkes hielt. Auf vielseitigen Wunsch hin entschloß ich mich, das in diesem Vortrag Gebotene einem größeren Kreise von Volks­genossen zugänglich zu machen. Es konnte daher nicht der Zweck dieser Schrift sein, die schon vorhandenen wissenschaftlichen Quellensammlungen und Arbeiten zur Geschichte Münstereifels um eine zu vermehren. Es kam mir vielmehr darauf an, den reich­haltigen Stoff auf das Wesentliche zu beschränken und diese Aus­wahl in zwar wissenschaftlicher, aber doch allgemein verständ­licher Form, vor allem übersichtlich geordnet, darzustellen, so daß der Leser ohne große Mühe ein klares Bild von der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung unserer Stadt und ihrer Umgebung gewinnt. Ich hoffe, daß es mir gelungen ist, dieses Ziel zu erreichen.

Münstereifel, im März 1939.

Der Verfasser.


Einleitung

Als der Patriot und Dichter Ernst Moritz Arndt, ein begeisterter Freund unserer Eifel, vor hundert Jahren Münstereifel besuchte, wollte ihm der brave Gastwirt, bei dem er eingekehrt war, mit Aufbietung seiner ganzen Gelehrsamkeit beweisen, daß er nicht in, sondern nur an der Eifel wohne. Der biedere Mann war sich der natürlichen Schönheiten und sonstigen Vorzüge der Münstereifeler Landschaft noch nicht bewußt und kannte die Geschichte seiner Vaterstadt offenbar recht schlecht. Er schämte sich seiner ver­armten und als rückständig geltenden Eifelheimat.

Der 1925 verstorbene Studienrat Professor Karl Hürten hat recht, wenn er seiner „Geschichte der Stadt Münstereifel" die Worte vorausschickt: „Nur wer die Heimat kennt, wird sie lieben." Dieser Satz soll auch der Leitgedanke der vorliegenden Schrift sein. Sie will der Münstereifeler Bürgerschaft die einstige Größe und Bedeutung ihrer Vaterstadt vor Augen führen und sie mit berechtigtem Stolz erfüllen, andrerseits aber auch mit aller Offen­heit auf die Fehler vergangener Zeiten hinweisen, die wesentlich zum wirtschaftlichen Niedergang der Stadt beigetragen haben. Darüber hinaus möchte die Schrift draußen für Münstereifel werben und ihm neue Freunde gewinnen.

Zum besseren Verständnis des ersten Teiles seien einige Er­klärungen vorausgeschickt. Unter geschichtlicher Zeit verstehen wir die Zeit, über die wir uns auf Grund geschriebener Quellen, z. B. Berichten von Schriftstellern, Urkunden, Inschriften und Münzen eine genauere Vorstellung machen können. Die geschicht­liche Zeit beginnt für das Gebiet der Nordeifel etwa 55 v. Chr. Die vorhergehende Zeit bezeichnet man als prähistorische oder vorgeschichtliche Zeit. Über sie unterrichten uns die Bodenfunde. Darunter versteht man Kulturreste, z. B. Waffen, Geräte und Schmuckstücke, die der Pflug des Landmannes, der Spaten des Arbeiters und die Forschungsarbeit des Gelehrten allenthalben in deutschen Gauen zutage gefördert haben. Das Material, aus dem sie hergestellt sind, und die Art ihrer Bearbeitung lassen eine allmähliche Aufwärtsentwicklung der Kultur in vorgeschichtlicher Zeit erkennen.

Die älteste Kulturperiode, aus der uns Funde erhalten sind, ist die Steinzeit. Sie dauerte mehr als 100 000 Jahre und reichte bis etwa 2000 v. Chr. Man spricht von einer älteren (etwa bis 15 000 v. Chr.), mittleren (etwa 15000-5000 v. Chr.) und jüngeren (etwa 5000-2000 v. Chr.) Steinzeit. Die aus dieser Zeit stammenden Waffen und Geräte sind aus hartem Gestein oder Knochen an­gefertigt.

Auf die Steinzeit folgte die Bronzezeit, die von etwa 2000 bis 1000 v. Chr. reichte. Sie hat ihren Namen daher, weil die dieser Zeit angehörenden Funde aus einer Mischung von Kupfer und Zinn, der Bronze, hergestellt sind.

An die Bronzezeit schloß sich die Eisenzeit an, in der das Eisen allmählich an die Stelle der Bronze trat. Die ältere Eisenzeit, die nach einer wichtigen Fundstelle auch Hallstattzeit genannt wird, dauerte etwa von 1000 bis 500 v. Chr. Auf sie folgte die jüngere Eisenzeit, auch La Tene-Zeit genannt, die bis zum Beginn der geschichtlichen Zeit reichte.


I. Die vorgeschichtliche Zeit.

In der älteren Steinzeit, die in Mitteleuropa bis etwa 15 000 v. Chr. reichte und in der ganz Norddeutschland mit mächtigen Eismassen bedeckt war, hatte unsere Gegend ein Klima, wie wir es heute in den nördlichsten Teilen Asiens und Amerikas finden. Damals hausten in Felshöhlen die Urbewohner der Eifel. Sie standen auf sehr niedriger Kulturstufe und lebten hauptsächlich von der Jagd. Das zeigen besonders die Ausgrabungen, die die Kölner Anthropologische Gesellschaft 1911 bis 1913 in der Kakus­höhle bei Eiserfey vornehmen ließ. Man fand hier zahlreiche roh­bearbeitete Waffen und Geräte, die aus harten Feuersteinen und Quarzstücken hergestellt waren, sowie eine große Menge z. T. ausgehöhlter Tierknochen. Auf einer von Asche und Holzkohlen gebildeten Feuerstelle lag ein Faustkeil aus Feuerstein, der zur Zubereitung der Speisen benutzt worden war. Diese Funde, die leider fast alle dem vorgeschichtlichen Museum in Köln über­wiesen wurden, bekunden, welch schweren Kampf ums Dasein der Urbewohner der Eifel mit seinen unvollkommenen Waffen gegen Mammut, Renntier, Bison, Höhlenbär und andere Tiere führte und bestand.

Das obere Erfttal war damals unbewohnt. Der Mensch der älteren Steinzeit lebte nämlich in natürlichen Behausungen, die ihm Schutz vor den Unbilden der Witterung und wilden Tieren gewährten. Einen solchen Schutz fand er in den zahlreichen Kalk­steinhöhlen der Eifel, zu denen auch die Kakushöhle gehört, nicht aber im Schiefergestein des oberen Erfttales. Wohl werden die Bewohner der Kakushöhle auf ihren Streifzügen auch durch unsere Gegend gekommen sein, da sie den Feuerstein sogar aus dem viel entfernteren Hohen Venn südlich von Aachen holten. So hat man auf den Höhen des Iversheimer Waldes und auf dem Rothberg bei Eicherscheid, der im Volksmunde Ruhnig heißt, Feuersteine gefunden, die offenbar von Jägern der älteren Steinzeit dort zurück­gelassen wurden und jetzt im Bonner Landesmuseum aufbewahrt werden.

Am Ende der älteren Steinzeit begann das Eis Norddeutsch­lands zurückzugehen. Mit ihm wanderten die kälteliebenden Tiere nach Norden, und auch der urzeitliche Jäger verschwand aus unserer Gegend. Das Klima wurde in der Folgezeit immer wärmer und niederschlagsreicher. Infolgedessen bedeckte sich nicht nur das Gebiet der heutigen Eifel, sondern auch das nördliche Flach­land mit dichtem Wald, der jede Ansiedlung von Menschen ver­hinderte.

In der jüngeren Steinzeit aber, die von etwa 5000 bis 2000 v. Chr. reichte, wurde das Klima unserer Gegend wieder trockener. Infolgedessen lichtete sich allmählich auf den Kalk- und Sand­böden der Wald und verschwand mit der Zeit vielfach ganz. An seine Stelle traten Grasflächen. Ein solches Kalkgebiet findet sich auch in unserer Gegend. Es ist die nach dem Dorfe Sötenich an der Urft benannte Sötenicher Kalkmulde. Sie erstreckt sich von Marmagen und Sistig über Nettersheim, Sötenich, Zingsheim, Eiser­fey, Pesch, Nöthen, Holzheim, Eschweiler, Iversheim, Kalkar bis nach Kreuz-Weingarten und Kirchheim. Dieser Landstrich wies wegen seiner Waldlosigkeit oder Waldarmut schon in der jüngeren Steinzeit, also vor mehr als 4000 Jahren, eine ziemlich dichte Be­völkerung auf, wie wir aus zahlreichen Funden wissen.

Der Mensch der jüngeren Steinzeit stand bereits auf höherer Kulturstufe. Er trieb neben Jagd und Fischfang Ackerbau und züchtete Haustiere, die den heutigen ähnlich waren. Er wohnte meistens in Hütten mit aufrechtstehenden Wänden aus Flecht­werk und Lehmverputz. Daß es aber damals auch schon größere Gehöfte gab, beweist der nach dem Weltkrieg vom Bonner Landes - museum im Dorfe Miel bei Rheinbach ausgegrabene jungsteinzeit­liche Pfahlbau. Man fand hier einen von Pfählen eingefriedigten Platz, der ein geräumiges Wohnhaus mit Wirtschaftsgebäuden ent­halten hatte. Neben den von Menschenhand errichteten Wohn­stätten waren auch noch natürliche Höhlenwohnungen im Ge­brauch, wie zahlreiche Funde aus der Kakushöhle zeigen. Die Werkzeuge der jüngeren Steinzeit zeichneten sich durch bessere Bearbeitung aus. Die dazu benutzten harten Steine wurden fein geschliffen, geschärft und geglättet. Sie zeigen regelmäßigere Formen und sind vielfach durchbohrt. Die jüngere Steinzeit ver­stand es nicht nur, Ton zu Krügen und Gefäßen zu kneten und im Sonnenlicht zu härten, sie kannte auch bereits Spinnerei und Weberei. Beim Forsthaus Hülloch fand man steinerne Schwung­ringe für Handspindeln, ferner Websteine, die zum Spannen der Fäden am Webstuhl gebraucht wurden. Vom Rande eines Stein­bruchs bei Holzheim stammt ein fingerlanges Stück einer Stein­nadel mit durchbohrter üse. Sie diente vermutlich zum Zusammen­nähen von grobem Tuch oder Fellen.

Das obere Erfttal blieb auch in der jüngeren Steinzeit ohne Bewohner. Wald und Sumpf verhinderten jede menschliche Ansiedlung. So blieb es auch in der nun folgenden Bronzezeit, die die Zeit von etwa 2000 bis 1000 v. Chr. umfaßte. Von der Kultur der Bronzezeit scheint die ganze Nordeifel im Gegensatz zu anderen Teilen des Rheinlandes wenig berührt worden zu sein. Wohl wurden in einem alten Gange des Steinbruchs gegenüber der Heistardburg bei Holzheim Werkzeuge aus Bronze gefunden, und die Vermutung liegt nahe, daß die Menschen jener Zeit in hiesiger Gegend bereits Bleierze gefördert haben. Allein sonstige Bronzefunde fehlen gänzlich. Ob die Bevölkerung der Sötenicher Kalkmulde vertrieben wurde oder freiwillig abgezogen ist, wissen wir nicht.

Recht spärlich sind auch die Funde aus der älteren Eisenzeit, die bis etwa 500 v. Chr. reichte. Ihr gehört ein eiserner Becher an, der zwischen Nöthen und Heistard gefunden wurde und sich im Bonner Landesmuseum befindet. Aus der jüngeren Eisenzeit da­gegen stammen zahlreiche Funde, darunter eine eiserne Spange, die in der Kakushöhle ausgegraben wurde und dem 4. Jahrhundert v. Chr. angehört.

Die Bewohner der Eifel waren damals die Kelten oder Gallier. Sie stellen die älteste Bevölkerung unserer Gegend dar, von der wir uns durch Funde aus der späteren Zeit und durch die Berichte griechischer und römischer Geschichtsschreiber eine genaue Vor­stellung machen können. Die Kelten hatten ihre Wohnsitze ursprünglich rechts des Rheines. Sie mußten diese aber seit etwa 600 v. Chr. vor den aus Nordosten vorstoßenden Germanen räumen und ließen sich nun im linksrheinischen Gebiet nieder. Sie beschränkten sich dabei auf die Besiedlung der waldlosen oder waldarmen Gebiete, die schon in der jüngeren Steinzeit bewohnt gewesen waren. In unserer näheren und weiteren Umgebung gibt es eine ganze Reihe von Dörfern, deren Ortsnamenendungen auf keltischen Ursprung hinweisen, z. B. Billig, Kirspenich, Lessenich, Mechernich, Sötenich, Sistig und Marmagen. Auch der Name der Erft, die in einer Urkunde aus dem Jahre 796 als Arnapa be­zeichnet wird, sowie eine Reihe alter Bachnamen sind keltisch.

Aller Wahrscheinlichkeit nach trieben die Kelten in unserer Gegend, abgesehen von der Landwirtschaft, bereits Blei- und Eisen­bergbau. Von dem hohen Stand ihrer Kultur zeugen vor allem die vorhandenen Reste der Matronentempel. Die Matronen waren gütige Frauen, die Haus und Hof beschirmten und das Wachstum der Feldfrüchte, Herden und der Familie segneten. In allen Fami­lienangelegenheiten rief man ihre Hilfe an. Trotz der verschie­densten Beinamen sind sie auf allen uns erhaltenen Altären ein­heitlich dargestellt. Drei Frauen in keltischer Tracht, von denen zwei älter, eine jünger zu sein scheint, sitzen da mit gefüllten Fruchtkörben auf ihrem Schoß. Gerade in unserer Gegend scheint ihr Kult stark verbreitet gewesen zu sein, wie die zahlreichen Matronensteine aus der Nähe von Münstereifel zeigen, die keltische Bauern der Umgebung in dankbarer Verehrung diesen Gottheiten geweiht haben. Solche Matronensteine wurden z. B. in Kirchheim, Rehder, Antweiler, Wachendorf, Pesch und Zingsheim gefunden. Besonders bemerkenswert sind die in neuerer Zeit ausgegrabenen keltischen Tempelanlagen bei Nettersheim und Pesch. Vor allem interessiert uns hier der große Tempelbezirk im Nöthener Walde bei Fesch am sogenannten Heidepützchen. Wie aus den Inschriften der zahlreichen dort gefundenen Weihesteine hervorgeht, wurden hier die Matronae Vacalinehae, die Vakalineischen Mütter, ver­ehrt. Sie haben ihren Beinamen von einer Örtlichkeit, die wir nicht kennen, von der vielleicht auch der Wachenbach und der Ort Wachendorf ihren Namen haben. Die Matronensteine sind aus rotem Sandstein, sogenanntem Buntsandstein, hergestellt, der nicht weit von Pesch gebrochen wurde. Sie befinden sich sämtlich '-n Bonner Landesmuseum. Nur einige Gipsabgüsse sowie Bruch­stücke eines Matronenaltars sind im Münstereifeler Heimatmuseum zu sehen.

In Zeiten der Gefahr pflegten sich die Kelten hinter Ringwällen zu verschanzen, die sie auf bewaldeten Bergkuppen anlegten. Eine solche Fluchtburg findet sich auf dem alten Burgberg bei Kreuz­Weingarten. Sie ist nach dem Weltkrieg vom Bonner Landes­museum untersucht worden. Die Befestigungsanlage war so groß, daß sie die. Bevölkerung eines größeren Umkreises mit ihrem Vieh und ihrer sonstigen Habe aufnehmen konnte.

Von der Art und Weise der keltischen Leichenbestattung gibt uns die 1896 im Steinbachtale in der Nähe von Kirchheim auf­gedeckte Begräbnisstätte ein anschauliches Bild.

Bis zum dritten vorchristlichen Jahrhundert waren die Kelten das beherrschende Volk der Nordeifel. Von da an setzte eine Einwanderung germanischer Stämme ein, und der germanische Einschlag in der Bevölkerung wurde immer stärker. Als dann um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts die Römer er­schienen und das Eifelland in das Licht der Geschichte trat, wohn­ten die Eburonen, ein keltisch-germanisches Mischvolk, am Nord­rand der Eifel.


II. Die römische Zeit.

Infolge der Feldzüge Caesars 58 bis 51 v. Chr. wurde das links­rheinische Gebiet römischer Besitz. Die Eifel aber wurde jetzt mehr und mehr ein wichtiges Durchgangsland zwischen Rhein und Mosel. Das führte zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Auf­schwung dieses Gebietes. Allerdings beschränkten sich auch die Römer im allgemeinen auf die Besiedlung der ohne Rodung sied­lungsfähigen Landstriche, schon deshalb, weil ihre Zahl im Ver­hältnis zur eingesessenen Bevölkerung sehr gering war. Nur bei der Anlage von Heerstraßen wurden, soweit es nötig war, Rodungen vorgenommen.

Aus zahlreichen Spuren römischer Bauwerke geht hervor, daß sowohl das Gebiet der Sötenicher Kalkmulde als auch die Gegend bei Tondorf und Blankenheim in römischer Zeit dicht bewohnt waren. Die neuen Herren siedelten sich in der Regel bei den bereits bestehenden Wohnplätzen an. Nur selten schritten sie zur Anlage neuer Siedlungen, es sei denn, daß strategische Rücksichten die Errichtung militärischer Stützpunkte an den römischen Heer­straßen erforderten wie z. B. in der heutigen Feldflur „Am Kaiser­stein" bei Billig und in der Nähe des Michelsberges. Römischen Ursprungs sind die heutigen Ortsnamen Pesch und Kalkar. Der Name Pesch geht auf das lateinische Wort pascuum zurück und bedeutet soviel wie Weide. Noch heute gebraucht man in unserer Gegend das Wort Pesch oder Peisch allgemein für einen um­zäunten Platz, besonders für eine Wiese. In der Gemarkung von Rodert findet sich der Pütz Pesch, der Siefen Pesch und der Proler Pesch. In Eicherscheid gibt es einen Weier Pesch und einen Gröllpesch. Der Ortsname Kalkar kommt von dem lateinischen Wort calcaria, das soviel wie Kalksteingruben bedeutet. Wir wissen, daß die Römer hier solche Gruben besessen haben, die bis auf den heutigen Tag ausgebeutet werden.

Auch in römischer Zeit blieb das Erfttal oberhalb von Ivers­heim unbesiedelt. Von den uns bekannten Heerstraßen, die damals die Römerstädte am Rhein mit Trier verbanden, führte eine von Köln über Wesseling östlich vom heutigen Euskirchen vorbei nach Billig und weiter über Wachendorf, Holzheim, Harzheim, Zingsheim, Nettersheim nach Marmagen. Eine andere lief von Bonn über Ippendorf, Meckenheim, Scheuren, am Michelsberg vorbei über die Wasserscheide zwischen Ahr und Erft nach Tondorf, Blankenheimerdorf und weiter nach Trier.

Das obere Erftal wurde also wegen seiner damaligen Unweg­samkeit und Verkehrsfeindlichkeit umgangen. Es bot nichts, was die Römer angelockt hätte. Wenn auch in Schönau und Münster­eifel römische Münzen und in der Otterbach einige Topfscherben gefunden wurden, so ist dies allein durchaus kein Beweis für eine Besiedlung des oberen Erfttales in römischer Zeit. Denn einwand­freie Baureste aus dieser Zeit fehlen hier gänzlich, während sonst in der näheren und weiteren Umgebung Münstereifels Zeugnisse römischen Fleißes und römischer Kunst sehr zahlreich sind. Ich erwähne die römischen Kalk- und Ziegelöfen bei Iversheim, Kalkar, Zingsheim und Bouderath, die umfangreichen Reste römischer Landhäuser bei Kreuz-Weingarten, Flamersheim, Billig und Blan­kenheim sowie die zahlreichen Grabstätten, Waffen, Geräte und Münzen, die in den Feldfluren von Iversheim, Arloff, Kirspenich, Nöthen, Pesch, Harzheim und in der Umgebung des Michels­berges ausgegraben wurden. Ein prachtvoller römischer Mosaik­boden, auf den man 1851 bei Wegebauten in der Nähe von Kreuz­Weingarten stieß, befindet sich im Bonner Landesmuseum. Beson­ders hervorzuheben ist auch ein römischer Gräberfund aus Ivers­heim, der im Münstereifeler Heimatmuseum untergebracht ist.

Das großartigste Denkmal römischer Baukunst in unserer Gegend ist der sogenannte Römerkanal. Dieser wurde vermutlich 120 bis 150 n. Chr. erbaut und diente dazu, das Römerlager und die spätere Stadt Köln mit gutem Trinkwasser zu versorgen. Er hatte seinen Ursprung im Urfttale bei Nettersheim und führte sein Wasser über Berg und Tal und doch mit gleichem Gefälle 75 km weit in eine noch heute unter dem Kölner Dom vorhandene Zisterne. Nördlich von Kreuz-Weingarten in der sogenannten „Paffenhardt" ist der Kanal, der im Volksmund den Namen „Düvels­graben", „Düvelsader" oder „Düvelskalle" hat, an mehreren Stellen geöffnet und bequem zu besichtigen. Man fand in dem beim Bau verwendeten Mörtel Bleisand, ein Beweis dafür, daß die Römer, dem Beispiel der Kelten folgend, die Bleierzvorkommen in unserer Gegend ausgebeutet haben. Das kalkreiche Wasser des Römer­kanals hat an dessen Boden eine Schicht von Kalksinter abgesetzt. Diese füllt die untere Hälfte des fast anderthalb Meter hohen Kanals aus. Wegen ihrer leichten Verarbeitung und Maserung ist die Sinterschicht vielfach als Material für Säulen kirchlicher und weltlicher Bauten benutzt worden. Die Säulen an der Eingangstür zur hiesigen Pfarrkirche, je drei Säulen an den Seitenwänden des Chors sowie die Stufen der Chortreppen sind aus dem Kalksinter des Römerkanals angefertigt. Während der Völkerwanderung wurde dieses Wunderwerk römischer Baukunst größtenteils zer­stört. Im 12. Jahrhundert kannte man nicht einmal mehr seinen Zweck. Der Volksglaube ging dahin, der Kanal sei als Leitung zur Aufnahme des Moselweines für die Kölner bestimmt gewesen.


III. Die fränkische Zeit.

Als die Römerherrschaft um 400 n. Chr. im linksrheinischen Gebiet ihr Ende fand und ripuarische Franken die Nordabhänge der Eifel in Besitz nahmen, wurde unsere Gegend deutsches Land. Auch die Franken begnügten sich zunächst damit, das alte Kultur­land zu besetzen. Hier entstanden in frühester fränkischer Zeit die Siedlungen, deren Namen auf -weiler und -heim enden. Sie waren, wie die Siedlungen der Kelten und Römer, ursprünglich Einzel­gehöfte und wurden dort errichtet, wo eine Quelle, ein Feld oder auch ein Waldstück besonders gefiel. So bedeutet der Ortsname Antweiler soviel wie Gehöft am Wasser. Der bei Münstereifel gelegene Ort Eschweiler, dessen Name aus Eschenweiler ent­standen ist, war ursprünglich ein an einem Eschenwäldchen ge­legenes Gehöft. Die Ortsnamen auf -heim, das soviel wie Heim­stätte bedeutet, sind im Bereiche der Sötenicher Kalkmulde sehr zahlreich. Zu dieser Gruppe gehören Kirchheim, Schweinheim, Iversheim, Holzheim, Harzheim, Zingsheim und Nettersheim. Im Gebiete der Blankenheimer Kalkmulde entstanden in frühfrän­kischer Zeit die Siedlungen Holzmühlheim und Blankenheim.

Nicht viel jünger sind die Orte, deren Namen auf -dorf enden. Im Gegensatz zu den eben erwähnten Siedlungen bezeichnen die Namen auf -dorf Orte, die von vornherein von mehreren ver­wandten Familien, einer Sippe, angelegt und bewohnt wurden. Zu ihnen gehören in unserer Gegend Wachendorf am Wachenbach und Tondorf an der alten Römerstraße, die durch die Blanken­heimer Kalkmulde nach Westen führte. Die geringe Zahl dieser Siedlungen in unserer Gegend ist der beste Beweis dafür, daß bei ihrer Anlage die waldfreien Gebiete schon dicht besiedelt waren.

Das Gebiet der ripuarischen Franken, dessen Kern dem heutigen Regierungsbezirk Köln entspricht, zerfiel in Gaue, die von Gau­grafen verwaltet wurden. Das obere Erfttal lag im nordöstlichen Teile des Eifelgaues. Dieser grenzte im Norden an den Zülpichgau, im Osten an den Bonngau. Die ältesten Gaugrafen des Eifelgaues waren, soweit wir wissen, die Grafen von Aar, ein angesehenes und einflußreiches Geschlecht, dessen Stammsitz die ehemalige Burg Are bei Altenahr war.

Als der Merowingerkönig Chlodwig die verschiedenen frän­kischen Stämme um 500 n. Chr. unter seinem Zepter vereinigt hatte und das Christentum allenthalben Eingang fand, begann im Eifelgebiet eine umfangreiche kolonisatorische und kulturfördernde Tätigkeit. Die Eifel erfreute sich nämlich der besonderen Gunst der fränkischen Herrscher. Denn in ihr lagen bedeutende könig­liche Waldungen. Zu ihnen gehörte auch das damals noch viel ausgedehntere Waldgebiet unserer Gegend. Reste davon sind der heutige Flamersheimer und Münstereifeler Wald. Dieser umfang­reiche Waldbesitz wurde von einem königlichen Gutshof, einer Pfalz, aus verwaltet und bewirtschaftet. Diese lag in der Nähe von Flamersheim beim heutigen Orte Kirchheim. Hier hielten die mero­wingischen und karolingischen Herrscher mit Vorliebe Hof. Der Pfalzgraf, dem der Schutz des Königsgutes anvertraut war, wohnte in der Nähe auf einer Feste, an die heute noch der in der Ge­markung Kirchheim vorkommende Flurname ,.Hockebur", d. h. hohe Burg, erinnert. Nach der Zerstörung dieser Burg durch die Normannen entstand auf dem Tomberg bei Rheinbach eine neue Feste, und die Pfalzgrafen verlegten nunmehr ihren Sitz dorthin.

In der fränkischen Zeit nahm die Bevölkerung der alten Sied­lungsgebiete rasch zu, und man sah sich gegen Anfang des 8. Jahr­hunderts genötigt, den Kampf mit dem siedlungsfeindlichen Wald aufzunehmen und durch umfangreiche Rodungen neues Siedlungs­land zu schaffen. Der weitere Verlauf der Besiedlung unserer Gegend läßt sich deutlich erkennen aus der Verbreitung der Orts­namen auf -scheid und -au. Zunächst wurde das Erfttal oberhalb der heutigen Stadt Münstereifel besiedelt. Hier entstanden die Siedlungen Eicherscheid, Lingscheid, Langscheid und Schönau. Der Ort Eicherscheid war ursprünglich eine Siedlung im Eichen­wald, woher sich der heutige Name erklärt. Bei Schönau war es der fruchtbare, wasserreiche von Erft, Krumm-, Dreis- und Lückebach aufgeschüttete Talboden, die schöne Au, die die ersten Bewohner anlockte und dem heutigen Ort seinen Namen gab.

Nach der Besiedlung des Erfttales oberhalb Münstereifels setzte die Rodetätigkeit auf den Hochflächen ein, die das obere Erfttal umgeben und die wegen des wenig fruchtbaren Schieferbodens und teilweisen Wassermangels bisher keine Anziehungskraft auf die fränkischen Siedler ausgeübt hatten. Hier entstanden, z. T. wohl schon im 8. Jahrhundert, die Orte, deren Namen unmittelbar auf Rodetätigkeit hinweisen. Es sind die mit den Endungen -roth oder -rott, -rath, -hohn, -heck, -berg und andere. Von den Siedlungen unserer Gegend gehören hierher Rodert, das in einer Urkunde aus dem Jahre 1483 als Rodenroth bezeichnet wird, Bergrath, Boude­rath, Roderath, Hohn, Scheuerheck, Effelberg und Mahlberg.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß auch zahlreiche in Münstereifel vorkommende Familiennamen, beson­ders solche alteingesessener Familien, auf gerodete i`5rtlichkeiten hinweisen, z. B. die Namen Bollenrath, Hillebrand und Roth. Als nämlich im 13. und 14. Jahrhundert besondere Familiennamen auf­kamen, entlehnte man diese mit Vorliebe Flur- und Siedlungs­bezeichnungen. Bei zahlreichen Familien unserer Stadt deutet der Name auf eine bestimmte Siedlung des gerodeten Gebietes unserer Umgebung hin, aus der die Vorfahren dieser Familien, z. T. schon vor Jahrhunderten, in die Stadt zugezogen sind. Beispiele hierfür sind die Familiennamen Bouderath, Kastenholz, Kolvenbach, Ling­scheid, Lethert, Mahlberg, Rodert und Scheuren.

Die wichtigsten Rodungsmittelpunkte in der Eifel waren die zahlreichen Klöster der Benediktiner, Prämonstratenser und Zister­zienser. Diese wurden nämlich von den karolingischen Königen mit großen Waldgebieten beschenkt.

Von größter Bedeutune für unsere Gegend wurde die Gründung des Benediktinerklosters Prüm durch Bertrada, die Schwester Karl Martells, im Jahre 721. Der reiche Besitz dieser Abtei wurde noch bedeutend erweitert im Jahre 762. Damals vermachte der erste Karolingerkönig, Pippin der Kleine, dem Prümer Kloster unter anderem einen größeren Landstrich in unserer Gegend, vor allem auch das obere Erfttal. Wie aus dem Prümer Güterverzeichnis her­vorgeht, das der Abt Regino von Prüm 893 anfertigen ließ, handelte es sich dabei um Besitzungen in Kreuz-Weingarten, Wachendorf, Iversheim, Nöthen, Pesch, Eicherscheid, Schönau, Rodert, Mahl­berg und Effelsberg.

Der dritte Abt von Prüm, Markward, gründete um 830 im oberen Erfttal zur Kultivierung dieser Landschaft inmitten der noch ungelichteten Wildnis als Tochteranstalt Prüms das novum monasterium, das neue Kloster, welches anfangs Neumünster oder einfach Münster genannt wurde, später aber weeen seiner Lage im Eifelgau Münster in der Eifel oder Münstereifel hieß. Das neue Kloster erhielt die meisten der eben genannten Besitzungen in unserer Gegend, doch behielt sich der Abt von Prüm die Ober­aufsicht über das Kloster vor.

Welche Gründe bei der Wahl des Platzes für das neue Kloster maßgebend waren, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Abzulehnen ist die Ansicht, daß zur Zeit der Klostergründung bereits eine Barbarakapelle vorhanden gewesen sei, wie sie bis zur Erbauung des jetzigen Pfarrhauses im Jahre 1829 an seiner Stelle gestanden hat. Möglich ist, daß diese Barbarakapelle die erste Hilfskirche der von Prüm nach hier verpflanzten Benediktiner gewesen ist. Bei der Wahl des Platzes für das neue Kloster waren meines Erachtens in erster Linie die örtlichen Verhältnisse maßgebend. Die Benedik­tiner errichteten ihre Eifelklöster mit Vorliebe in einsam gelegenen, geschützten, noch bewaldeten Tälern, wie es das Erfttal oberhalb Iversheims zu Anfang des 9. Jahrhunderts noch war. Der gewählte Platz lag dazu in der Mitte der dem neuen Kloster zugeteilten Gebiete, was deren Bewirtschaftung und Verwaltung erleichterte. Eine große Rolle dürfte auch die große das Tal nach Süden sperrende Schleife der Erft zwischen Werkbrücke und Oberschule gespielt haben. Durch sie war in der damaligen Zeit wegen des noch ungebändigten Flusses der Zugang zum Klosterbezirk von Süden her behindert. Auch die leichte Beschaffbarkeit des Bau­materials dürfte die Wahl des Platzes beeinflußt haben. Das be waldete Gelände lieferte das nötige Bauholz, die benachbarten Hänge des „Hähnchens" und des Radberges boten Bruchsteine, das noch ungeregelte Flußbett der Erft Sand und die Gegend von Iversheim Kalk.

An das neue Kloster erinnert heute nur noch die Pfarrkirche mit dem anliegenden Klosterplatz und der Klosterberg. Das ursprüngliche Klostergebäude stand zwischen Kirche und Knaben­schule. Es war ein hochgiebeliger Bau, der bis 1769 gestanden hat. Dieser enthielt das eigentliche Kloster mit den Zellen der Mönche, Speisesaal, Bücherei und die Innenschule für die zukünftigen Mönche. Ein Kreuzgang verband Kloster und Kirche. Beide bil­deten den inneren Teil des Klosters. Dieser war von mehreren Plätzen umgeben, dem Kirchplatz im Osten und dem Freihof oder heutigen Klosterplatz im Norden, und grenzte im Westen an die am Klosterberg gelegenen Gärten. Den heutigen Klosterplatz umgab im Norden und Osten der äußere Klosterbezirk. Dieser enthielt Priorwohnung, Krankenstube, Herberge, Außenschule, Handwerker­werkstätten, Wohnungen für das Personal, Scheunen, Ställe, Back­haus, Küche und Brauhaus. An die zuletzt genannten Gebäude erinnert noch heute die Pistorei, die Verbindung von Klosterplatz und Alte Gasse. Das Wort Pistorei kommt von dem lateinischen Wort pistor = Bäcker, bedeutet also soviel wie Bäckerei.

Der ganze Klosterbezirk hatte eine Ausdehnung von etwa 6 Morgen. Er war durch Mauern, Türme, Wall und Graben ge­schützt, bildete also eine Stadt im Kleinen. Die Südmauer verlief einige Meter nördlich der heutigen Adolf-Hitler-Straße. Deren Häuser waren ursprünglich an diese Mauer angelehnt, und in ihren Kellern sind noch Reste der Südmauer vorhanden. Von der Adolf­Hitler-Straße aus verlief die Ostmauer zur Alten Gasse und folgte dieser bis zum Waisenhaus. Von hier reichte die Nordmauer bis zur Höhe der heutigen Stadtmauer. Die Westmauer stand an der Stelle der heutigen Stadtmauer.

Das neue Kloster wurde bald nach seiner Gründung ein wirt­schaftlicher und kultureller Mittelpunkt für die nähere und weitere Umgebung. Die Mönche begannen ihre Tätigkeit mit der Rodung des Waldes und der Entwässerung des Sumpfgeländes im Tal. Alsdann rodeten sie die Wälder der benachbarten Hänge. Noch heute weisen eine Reihe von Namen auf die ehemalige Wald­bedeckung hin, so z. B. die Bezeichnung „Hähnchen" = kleiner Hain für den im Westen der Stadt sich hinziehenden Bergrücken, der Name „Windheck" - windiger Waldstreifen für die Fort­setzung des „Hähnchens" bis zur Otterbach, der Name „Lange­heck" = langer Waldstreifen für die den Klosterbezirk durch­ziehende Straße. Auch die Bezeichnungen „Heisterbach" für den früher durch Buchenwald fließenden Bach vor dem Heisterbacher Tor und „Radberg" = gerodeter Berg weisen auf ehemalige Wald­bedeckung hin.

Die Rodungen dauerten im Erfttal bis ins 12. Jahrhundert hinein. Nur ganz allmählich verwandelte sich das Wald- und Sumpfland des Tales in grüne Wiesen. An den Hängen der „Wind­hecke", des „Hähnchens", des Heisterbacher Tales und in der heutigen Feldflur „Auf der untersten Sittert", vielleicht auch am Radberg und ersten Quecken entstanden wohlgepflegte Obst- und Weingärten. Das notwendige Brotgetreide, Roggen und Spelz, sowie den unentbehrlichen Flachs und Hanf erhielt das Kloster von seinen zahlreichen im weiten Umkreis gelegenen Besitzungen. Die erforderlichen Kräuter und Gemüse lieferte der Klostergarten, der innerhalb der Klostermauern auf dem heutigen Klosterberge lag.

Besondere Pflege widmeten die Mönche dein Weinbau. Wie aus dem bereits erwähnten Prümer Güterverzeichnis hervorgeht, wurde im 9. Jahrhundert in der ganzen Nordeifel von Münstereifel bis Aachen die Rebe angebaut. Besonders im Erfttal stand der Weinbau in hoher Blüte, vor allem in Iversheim und Kreuz-Wein­garten, wo bereits in einer Urkunde von 893 Weinberge erwähnt werden. Aber selbst in Effelsberg und Hospelt, Orten, die über 400 Meter hoch liegen, gab es im Jahre 1222 Weinberge. In Kreuz­Weingarten, dessen Name schon auf den ehemaligen Weinbau hin­weist, wurden bis ins 18. Jahrhundert hinein Reben angebaut. In Niederkastenholz bei Flamersheim gab es noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts Weinberge, und noch bis zum Weltkriege zog man hier Rebensetzlinge, die man den Ahrwinzern verkaufte.

Auch eine Reihe von Flurnamen unserer Gegend erinnern an den ehemaligen Weinbau. Ich erwähne nur die Bezeichnung „Am Weingartens Berg" für die Gegend bei der Steinsmühle am Fuße des Giersbergs sowie die Walddistriktsbezeichnung „Auf der Wein­sträßen" im Münstereifeler Stadtwald. Hier führt der alte Weg vorbei, auf dem einst die Klostergüter in Effelsberg, Hospelt und an der Ahr den abzuliefernden Wein nach Neumünster fahren ließen.

Man hat das Verschwinden des Weinbaus aus der Nordeifel vielfach auf eine Verschlechterung des Klimas in den letzten Jahr­hunderten zurückführen wollen. Das ist falsch. Der Geschmack der Menschen hat sich vielmehr stark verändert. Im Mittelalter mit seinen rauheren Sitten sah man bei Speise und Trank mehr auf das Kräftige. Die Gewinnung hochedler Weine war deshalb nicht wie heute der Zweck des Weinbaus. Man trank auch den Wein, der aus unreifen Trauben gewonnen wurde, doch suchte man ihn bis­weilen durch Zuführung von Honig, der damals die Rolle unseres heutigen Zuckers spielte, zu versüßen. Doch geschah dies, wie der berühmte Mönch Cäsarius von Heisterbach ausdrücklich betont, nur bei Festlichkeiten, Erkrankungen von Klosterbrüdern und Besuchen hoher Gäste.

Doch kehren wir zum neuen Kloster zurück. Eine seiner wich­tigsten Aufgaben war die Bewirtschaftung seiner ausgedehnten Güter. Das in nächster Nähe des Klosters gelegene Land wurde von diesem selbst bewirtschaftet. Die weiter entfernt liegenden Güter wurden größtenteils von sogenannten Fron- d. h. Herren­höfen aus verwaltet. Ein solcher lag z. B. in Iversheim. Es war der noch heute vorhandene Prümer Hof, dessen Name an seinen ersten Besitzer, die Abtei Prüm, erinnert und der bis zur Aufhebung des Stiftes 1803 diesem gehörte.

Das nicht zu einem Herrenhof gehörige zerstreut liegende Land war in kleinere Stücke zu 30 Morgen, sogenannte Hufen, eingeteilt und an Lehnsleute vergeben. Die Inhaber der Hufen, die Hüfner, waren persönlich frei, also keine Sklaven. Sie durften aber ihren Wohnsitz ohne Genehmigung des Klosters nicht verändern. Als Gegenleistung für die lebenslängliche Nutznießung des ihnen gleich­sam geliehenen Grundstücks mußten sie einen jährlichen Zins ent­richten. Dieser richtete sich nach der Zusammensetzung ihres Gutes. So lieferten sie vom Hof Hühner und Eier, vom Acker Getreide und Flachs, vom Wingert Wein, von der Weide ein Schwein, vom Wald Holz und Baumrinde zum Heizen und Be­leuchten, Pfähle für den Weinberg und Schindeln zur Bedachung von Gebäuden.

Abgesehen von diesen Lieferungen sachlicher Art mußten die Lehnsleute eine Menge persönlicher Dienstleistungen zugunsten des Klosters und seiner Fronhöfe verrichten. So waren sie ver­pflichtet, an bestimmten Tagen bei der Getreide-, Heu- und Wein­ernte zu helfen und die Schweine des Klosters im Walde zu hüten. Nach der Ernte mußten sie die Scheunen in den Fronhöfen bewachen, damit diese nicht, wie es in einer Urkunde heißt, von böswilligen Leuten angezündet würden.

An die Stelle dieser Lieferungen und Dienstleistungen trat im 12. Jahrhundert der sogenannte Zehnte, der zehnte Teil der Ernte, welcher später oft in einen festen Geldbetrag umgewandelt wurde.

Die Einkünfte, die dem Kloster aus seinem Grundbesitz zu­flossen, waren von vornherein sehr groß. Unter anderem erhielt es von seinen Lehnsleuten jährlich 250 Karren Getreide oder Wein. Dazu kamen die Einnahmen, die ihm aus dem Vermögen von acht ihm unterstellten Kirchen zuflossen, zu denen die von Rheinbach, Kirspenich, Weingarten und später auch die von Neumünster gehörten.

Diesen Einkünften standen naturgemäß große finanzielle Lasten gegenüber, die durch die Unterhaltung und den Schutz des Klosters, seiner zahlreichen Insassen, der Fronhöfe und der in der Umgebung zerstreut lebenden Lehnsleute bedingt waren. Außerdem war mit der Nutznießung des Vermögens der genannten Kirchen die Ver­pflichtung verbunden, diese zu unterhalten.

Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Klosters wurde die Überführung der Reliquien des Alärtyrerpaares Chry­santhus und Daria dorthin im Jahre 844. Der Glaube an ihre Wunderkraft führte bald große Scharen von Pilgern aus der näheren und weiteren Umgebung nach Neumünster. Die reichlich gespendeten Opfergaben und manche fromme Stiftung vermehrten den Wohlstand und das Ansehen des Klosters. Nach kaum 40jährigem Bestehen hatte es bereits eine solche Bedeutung erlangt, daß es im Teilungsvertrag von Mersen 870 unter dem Namen Neu­münster ausdrücklich unter den Klöstern verzeichnet ist, die da­mals dem deutschen Könige Ludwig zugesprochen wurden und so bei Deutschland verblieben.

In verhältnismäßig kurzer Zeit entstand bei dem neuen Kloster und seiner Kirche eine weltliche Ansiedlung. Der rege Verkehr ver­anlaßte bald Handwerker und Geschäftsleute, sich neben dem Kloster niederzulassen, um die Unterbringung und Verpflegung der z. T. weit herkommenden Pilger zu übernehmen. Ob diese gewerb­liche und kaufmännische Siedlung sich südlich an den Kloster­bezirk anschloß oder östlich davon auf der rechten Seite der Erft lag, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen.

Die friedliche Entwicklung Neumünsters erfuhr eine jähe Unterbrechung durch die Raubzüge der Normannen. Zweimal, 882 und 892, suchten diese kühnen aus England herübergekommenen Seeräuber die Eifel heim und dehnten ihre Plünderungszüge bis Prüm aus. Beim Rückzuge griffen sie eine auf einem vorspringen­den Berge gelegene neuerbaute Burg an, auf die sich eine größere Volksmenge geflüchtet hatte, und eroberten sie. Wo diese eroberte Burg lag, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, da ihr Name nicht überliefert ist. Doch ist es sehr gut möglich, daß es die alte Burg auf dem zweiten Quecken nordöstlich der Stadt war. Denn sie erfüllte alle in der betreffenden Urkunde genannten örtlichen Bedingungen. Auch ist sie wahrscheinlich in dieser Zeit zerstört worden. Denn im Brandschutt des Turmes fand man eine Münze aus der Zeit des Frankenkönigs Ludwigs des Frommen, der von 814 bis 840 regierte. Außerdem grub man dort einzelne fränkische Schmucksachen aus, die im Heimatmuseum untergebracht sind. Die Zerstörung der alten Burg durch die Normannen ist auch deshalb wahrscheinlich, weil zur gleichen Zeit die Burg der Pfalzgrafen in Kirchheim von ihnen dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Wie dem auch sei, Neumünster erholte sich rasch von den Stürmen dieser Zeit. Im Jahre 898 besuchte der König Zwentibold von Lothringen Neumünster. Bei dieser Gelegenheit verlieh er als Landesherr dem Kloster sowie der neuen Siedlung das Recht, Märkte abzuhalten, Zölle zu erheben und Münzen zu prägen, ein Zeichen dafür, daß Neumünster schon damals alle älteren Nach­barorte überflügelt hatte. Von Münzen, die in Neumünster geprägt worden wären, ist nie etwas Genaueres bekannt geworden. Es scheint also sicher zu sein, daß dieses Recht nie ausgenutzt wurde. Auch vom Zoll erfahren wir kaum etwas. Man muß annehmen, daß das Kloster dieses Recht bald wieder verloren hat. Dagegen spricht die Urkunde klar und deutlich davon, daß in Neumünster ein Markt gehalten werden solle, und es kann nicht bezweifelt werden, daß sich sehr rasch vor den Toren des vielbesuchten Klosters Kauf und Verkauf entwickelten. Des Sonntags kamen aus der näheren Umgebung die Kirchenbesucher, von weiter her die Wallfahrer. Besonders an hohen kirchlichen Festtagen muß ein starker Verkehr stattgefunden haben, der bald zur Entstehung von regelmäßigen Jahrmärkten führte. Im Süden des Klosterbezirks bildete sich eine breite Marktstraße, die bei ihrem Zusammen­treffen mit der Nordsüdstraße, der heutigen Werther Straße, den dreieckigen eigentlichen Markt bildete.


IV. Die Schutzherrschaft der Grafen von Are, Jülich und Hochstaden.

Schon lange vor seiner Stadterhebung wies Neumünster als kirchlicher, kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt eines größeren Gebietes ein gewisses städtisches Leben auf. So wird es schon in einer Urkunde des Jahres 1086 als urbs, Stadt, bezeichnet. Daraus geht hervor, daß die Siedlung damals bereits einen erheb­lichen Umfang angenommen hatte, wenn sie auch noch keine Stadt im rechtlichen Sinne war. In derselben Urkunde wird ein gewisser Arnolt als praefectus urbis, Vorsteher der Stadt, be­zeichnet. Es handelt sich bei ihm offenbar um einen Untervogt, der im Auftrage eines Höheren die Geschäfte der Siedlung leitete. Neumünster mit seiner ganzen Umgebung stand nämlich damals noch unter der Oberhoheit der Abtei Prüm, wurde aber in deren Auftrag von Vögten verwali et, die sich in der Regel durch Unter­vögte vertreten ließen.

Die Raubzüge der Normannen hatten nämlich die Prümer Abtei in solche Bedrängnis gebracht, daß sie in der Folgezeit dazu über­ging, ihren ausgedehnten Landbesitz dem Schutze mächtiger welt­licher Schirmherren anzuvertrauen. Diese nannte man advocati, Vögte. Anfangs wurde die Schutzherrschaft über Kloster und Ort Neumünster von der Abtei als Lehen ausgegeben, das nach dem Tode des Lehnsträgers an die Abtei zurückfallen sollte. Bald jedoch betrachteten die Vögte die zu schützenden Gebiete als ihr Eigen­tum. Sie vererbten, verschenkten und verpfändeten sie. Das führte zu Streitigkeiten zwischen ihnen und der Prümer Abtei. Deshalb berief der deutsche Kaiser Heinrich IV. im Jahre 1102 eine große Fürstenversammlung nach Neumünster, um allgemein über die Machtbefugnisse der Vögte zu beraten.

In den Urkunden des 12. Jahrhunderts treten als Schutz- und Schirmvögte unserer Stadt abwechselnd die Grafen von Are, von Jülich und von Hochstaden auf. Sie verbanden mit dem Schutze der Klostergüter allmählich die Herrschaft über die Stadt. Nament­lich die Grafen von Jülich fühlten sich als Herren von Münster­eifel, zumal sich das ehemalige Benediktinerkloster nach Erledigung seiner ursprünglichen kolonisatorischen Aufgabe, dem Zug der Zeit folgend, nach 1100 in ein weltliches Kollegiatstift umgewandelt hatte und von der Prümer Abtei ziemlich unabhängig geworden war. Dadurch waren an die Stelle der Klosterbrüder Stiftsherren getreten. Diese wohnten nicht mehr, wie die Klosterbrüder, ge­meinsam. Sie bauten sich eigene Wohnungen und führten einen selbständigen Haushalt. Um den nötigen Raum zu schaffen, wurden die Wirtschaftsgebäude am Klosterplatz niedergelegt. Noch heute umsäumen die Stiftshäuser diesen Platz, wenn es auch nicht mehr die ursprünglichen sind. Das eigentliche Klostergebäude verfiel all­mählich, bis es 1769 abgebrochen werden mußte.

Die Schutzherrschaft über Neumünster unterlag im 13. Jahr­hundert noch manchem Wechsel. Lange Zeit war die Stadt der Zankapfel dreier Parteien, der Abtei Prüm, der Grafen von Jülich und des Erzbischöflichen Stuhles in Köln, dem der letzte kinder­lose Graf von Hochstaden 1247 Neumünster verpfändet hatte. Der Streit endete schließlich mit dem Vertrage von 1265. Das Lehns­recht der Abtei Prüm erlosch. Neumünster kam endgültig in den Besitz der Grafen von Jülich und blieb bis 1609, also 344 Jahre, unter Jülicher Herrschaft. Seitdem war das Schicksal der Stadt aufs engste mit der Geschichte des Jülicher Landes verknüpft.


V. Die Herrschaft der Grafen und Herzöge von Jülich.

Im Gegensatz zum Klosterbezirk, der schon bei seiner Anlage von einer starken Mauer umgeben worden war, entbehrte die Stadt bis Ende des 13. Jahrhunderts der Befestigung. Erst die beständigen Fehden mit den Kölner Erzbischöfen, die damals Rheinbach be­festigten und die Hardtburg bei Kreuz-Weingarten bauen ließen, veranlaßten die Grafen von Jülich, auch Neumünster zu befestigen und zu einem starken Stützpunkt ihrer Herrschaft auszubauen.

Den Kern der Stadtbefestigung bildete die Burg, mit deren Er­bauung 1272 begonnen wurde. In Verbindung mit dem Burgbau stand die übrige Stadtbefestigung, deren Anfang ebenfalls in das Ende des 13. Jahrhunderts fällt und die Anfang des 14. Jahrhunderts vollendet war. Der Mauerring umschließt die Stadt in Form eines unregelmäßigen Fünfecks. Er wies fünf Ecktürme, 13 Wehrtürme und vier Tore auf.

Die Münstereifeler Stadtbefestigung ist von allen rheinischen Stadtummauerungen die besterhaltene. Hohe Rundtürme stehen noch heute an den Ecken des unregelmäßigen Fünfecks, je zwei an der Nord- und Südseite und einer oberhalb der Burg an der Stelle, wo die Mauer nach dem Johannistor abbiegt. Der Eckturm am heutigen Schlachthof heißt in den Urkunden des 17. Jahr­hunderts Hohnsturm, was soviel wie Hain- oder Waldturm be­deutet. An der sogenannten Dreimühle östlich vom Orchheimertor stand der Pulverturm, in dem die Pulvervorräte der Stadt auf­bewahrt wurden.

Zwischen den Ecktürmen und Stadttoren waren 13 Wehr­türme ziemlich gleichmäßig auf den Mauerring verteilt, zwei an der Nordseite, drei an der Südseite und je vier an der Ost- und Westseite. Den Wehrturm an der Alten Gasse, der früher als Gefängnis diente, nannte man Bürgerturm. Der in der Mitte der Westmauer stehende hieß Trappen- oder Treppenturm, da er von der Langenhecke aus durch Treppen zugänglich war. Westlich vom Orchheimertor stand der Schnidersturm, der wohl deshalb so genannt wurde, weil die Schneiderzunft in ihm ihren Beratungs­raum hatte. Die übrigen Türme waren in der Regel nach den Bewohnern oder Nachbarn genannt. In den Urkunden des 17. Jahr­hunderts finden sich die Bezeichnungen: Wolffsturm, Elsigsturm, Keutgensturm, Kellersturm, Duppersturm und andere. Die meisten dieser Wehrtürme sind nur noch in Mauerhöhe erhalten, während sie früher hoch emporragten.

Die vier ursprünglichen Stadttore sind noch vorhanden, das Werthertor im Norden, das Johannistor im Osten, das Orch­heimertor im Süden und das Heisterbachertor im Südwesten.

Der Name des Werthertores und der nach ihm benannten Straße geht auf einen ehemaligen Weiler Werthe zurück. Diese Siedlung lag, wie aus einer Urkunde des Jahres 1112 hervorgeht, am Eingang zum Schleidbachtal. Sie wurde durch die große Cberschwemmung vom Jahre 1416 zerstört und geriet bald in Vergessenheit. Noch heute aber findet sich im Grundbuch der Stadt Münstereifel für die dortige Gegend die Bezeichnung „Landweiler". Durch das Werthertor gelangte man am Fuße des Uhlenbergs entlang zur Muschemer Mühle und über die dortige Brücke nach Wachendorf, Satzvey, Zülpich, Düren und der Landeshauptstadt Jülich. Eine weit geringere Bedeutung hatte im Mittelalter der durch das Erft­tal nach Norden führende Weg. Euskirchen war, obschon es 1302 zur Stadt erhoben worden war, bis Anfang des 19. Jahr­hunderts ein unbedeutender Ort.

Der Name des Johannistores im Osten der Stadt erklärt sich aus dem Vorhandensein einer Johanniskirche, die bis zum Jahre 1808 in der Nähe stand. Sie wurde bis zur Aufhebung des Stifts 1803 als Pfarrkirche benutzt. Durch das Johannistor führte ein alter Verkehrsweg. Dieser überschritt an der Dell das Erfttal und führte in Form eines Hohlweges durch die Senke zwischen Radberg und erstem Quecken über die Höhe nach Rodert und über Houverath nach Ahrweiler und Remagen. Auf den alten Flurkarten der Ge­meinde Rodert heißt er Ahrweiler Weg, und auf den amtlichen Karten findet sich noch heute die Bezeichnung „Ahrstraße". Er war übrigens bis vor 100 Jahren der einzige befahrbare Weg, der Münstereifel und seine Umgebung mit der Ahr verband.

Der Name des Orchheimertores geht auf den noch vorhandenen Flurnamen „Ochermann" zurück, der im 17. Jahrhundert in der Form Orchheim und Orchem erscheint. Durch das Orchheimertor gelangte man über die Sittardsbrücke auf der alten Blankenheimer Straße über Kolvenbach, Roderath und Frohngau nach Blanken­heim.

Das Heisterbachertor schließlich hat seinen Namen von dem Bache erhalten, der noch heute vor dem Tore fließt. Der Name erinnert, wie schon angedeutet wurde, an die ehemalige Bewaldung des nach den Nöthener Tannen sich erstreckenden Tales. Denn Heister bedeutet soviel wie junge Buche oder Eiche. Durch das Heisterbachertor führte der schon erwähnte alte Verkehrsweg, der an der Dell das Erfttal überschritt, weiter am Ohmschen Hause vorbei über die Nöthener Heide nach Pesch und Zingsheim und weiter über die alte Römerstraße nach Westen.

Eine Eigenart der Münstereifeler Stadtbefestigung ist der Um­stand, daß die Erft wegen der Enge des Tales in die Ummauerung einbezogen werden mußte. Nahe beim Heisterbachertor liegt die Einflußstelle der Erft ins Stadtgebiet. Die Mauer ist hier unter­brochen, und durch zwei auf einem Mittelpfeiler ruhende Bogen fließt das Wasser mit starkem Gefälle in die Stadt. Man kann noch deutlich erkennen, bis zu welcher Höhe das Erftwasser einst gestaut war, um den südlichen Wallgraben bis zum Orchheimertor mit Wasser zu füllen. In dem Gewölbe der Brücke zeigt sich ein Spalt, durch den ein Fallgitter niedergelassen werden konnte. Über der Brücke erhob sich einst ein hoher Wehrturm. In ihm befanden sich die Hebevorrichtungen, weshalb wohl der Turm „Das Werk" genannt wurde. Der Turm, der zeitweise als Schützenhaus diente und auch eine Zeitlang das städtische Hospital beherbergte, mußte nach der Überschwemmung von 1818 abgetragen werden.

Auch die Stelle unterhalb der Burg, wo die Erft das Stadtgebiet verläßt, war durch einen Wehrturm, die untere Schoßpforte, ge­sichert. Der Ausdruck Schoßpforte oder Schotzpfort bedeutet soviel wie Schutzpforte und bezeichnet eigentlich nur das Falltor, das in Zeiten der Gefahr die Maueröffnung verschloß. Noch heute überbrückt hier ein tonnenförmiges Gewölbe die Erft und zeigt die Stelle für das ehemalige Fallgitter.

Mit der Errichtung des Mauerkranzes war die Stadtwerdung Münstereifels vollendet. Fast gleichzeitig wurde die Pfarrkirche St. Johannis errichtet, die für die Bürger der Stadt bestimmt war. Das Kollegiatstift mit der Stiftskirche war seitdem nicht mehr das Alleinbeherrschende. Im Jahre 1298 wird Münstereifel zum ersten­mal oppidum genannt, was soviel wie umfriedigter, fester Platz bedeutet. Es war ein wichtiger Stützpunkt der Grafen von Jülich geworden, wenn es auch diese Bedeutung nach dem Aufkommen der Feuerwaffen bald verlor. Es lag zu ungünstig für eine Ver­teidigung. Die Stadtmauern verlaufen nämlich im Osten und Westen in halber Höhe des Berges. Für jeden Angreifer von einem höheren Punkte her lag die Stadt offen.

Seit dem 14. Jahrhundert gehörte Münstereifel neben Jülich, Düren und Euskirchen zu den vier Hauptstädten der Grafschaft Jülich. Vorübergehend war es sogar Residenz des Landesherrn. Als erster bewohnte Graf Gottfried die Burg. Er starb daselbst 1335 und wurde in der Stiftskirche beigesetzt. Die überlebendgroße Figur auf seinem Denkmal in der Krypta stellt den Verstorbenen in voller Rüstung dar. Sein Nachfolger war Graf Wilhelm 1., dem Kaiser Karl IV. 1356 die Herzogswürde verlieh. Dieser verlegte seinen Wohnsitz nach Nideggen, das nun 200 Jahre lang der Wohn­sitz der Herzöge von Jülich blieb.

Die Burg von Münstereifel aber wurde Sitz eines herzoglichen Amtmannes. Das Herzogtum Jülich war nämlich in 42 Verwaltungs­bezirke, Ämter, eingeteilt. Von diesen war das Amt Münstereifel das südlichste. An der Spitze der einzelnen Ämter standen Amts­leute, die meist adeligen Familien angehörten. Von den Amt­männern des Amtes Münstereifel sind vor allem die Herren von Gertzen und von Sintzig bekannt, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelebt haben. An sie erinnern die Marmordenk­mäler an den Seitenwänden des Mittelschiffs der Pfarrkirche. Weiter ist zu nennen der Anfang des 17. Jahrhunderts verstorbene Herr von Goldstein, der in der Kapelle auf dem Michelsberg seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Zum Amtsbereich des Amtmannes gehörte außer der Ver­waltung seines Bezirks die Gerichtsbarkeit. Das Amt Münstereifel zerfiel in 16 Gerichtsbezirke, das Stadtgericht Münstereifel und 15 weitere Schöffengerichte, von denen die nächsten in Iversheim, Arloff, Kalkar, Nöthen und Schönau ihren Sitz hatten. Zum Stadt­gericht gehörten seit ältester Zeit die Ortschaften Rodert, Eicher­scheid, Hohn, Kolvenbach und Bergrath. Dementsprechend unter­scheiden die Urkunden des 16. und 17. Jahrhunderts inwendige, d. h. innerhalb der Stadtmauern wohnende Bürger und auswendige.

Die Stadt Münstereifel nahm als dritte Hauptstadt des Herzog­tums insofern eine bevorzugte Stellung ein, als sie ihre Angelegenheiten fast ganz selbst verwaltete. Die Träger dieser Selbstverwal­tung waren der Rat oder Magistrat, die Schöffen und der Bürger­meister.

Wie alle rheinischen Städte, hatte auch Münstereifel spätestens seit dem 13. Jahrhundert einen Rat. Dieser wurde von einer Anzahl angesehener Bürger, die dem Stande der Grundbesitzer oder Kauf­leute angehörten, gebildet. Seine Mitglieder waren die Ratsmannen oder Ratsherren. Um jeden Schein der Parteilichkeit zu verhüten, durften sie nicht untereinander verwandt sein. Handwerker waren von dem Amt grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, daß sie auf die Ausübung ihres Handwerks verzichteten.

Die Zahl der Ratsherren betrug bis 1781 zwölf. Beim Aus­scheiden eines Mitglieds ergänzten sich die übrigen durch Zuwahl. Dabei wurde oft der Versuch gemacht, an Stelle des Vaters den Sohn in den Rat einzuschmuggeln. Wiederholt sah sich die herzog­liche Regierung veranlaßt, gegen diesen Mißbrauch vorzugehen und die Stelle kurzerhand von sich aus zu besetzen.

Der Rat verwaltete die städtischen Angelegenheiten. Hierzu gehörten z. B. Stadtverteidigung, Lebensmittelversorgung, Straßen­bau, Straßenbeleuchtung, Straßenreinigung, Feuerschutz, Wasser­versorgung, Gesundheitspflege und Armenpflege.

Die Ratsherren wählten aus ihrer Mitte sieben Schöffen, die als Beisitzer beim städtischen Schöffengericht tätig waren. Dieses tagte gewöhnlich unter dem Vorsitz des Vogtes, des Stellvertreters des Amtmannes. Das städtische Schöffengericht war zuständig bei Übertretungen und geringeren Vergehen. Die Strafen bestanden in der Regel in Geldbußen oder Haft. Mitunter verhängte man auch andere Strafen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen, so z. B. bei Feld- und Gartendiebstählen sowie Waldfrevel, wovon in den Ratsprotokollen immer wieder die Rede ist. Noch 1783 wurde eine Frau, die des Sonntags beim Kartoffeldiebstahl ertappt worden war, mit 15 Stockschlägen bestraft. Eine recht originelle Strafe wurde im Jahre 1678 einem jungen Manne auferlegt. Dieser hatte im Stadtwald entgegen den Bestimmungen der soge­nannten Buschordnung ein Säckchen mit Eicheln gesammelt und war dabei vom Buschschütz überrascht worden. Auf Anweisung der Schöffen ließ der Bürgermeister aus den gestohlenen Eicheln eine Schnur herstellen, diese dem Übeltäter um Haupt und Körper winden und ihn in diesem Aufzug je zwei Stunden an den einzelnen Stadttoren und vor dem Rathaus stehen.

Die höhere Gerichtsbarkeit, vor allem die Aburteilung der Schwerverbrecher, lag in den Händen des Amtmannes und des Hauptgerichtes. Gegen dessen Urteil konnte der Verurteilte beim herzoglichen Hofgericht in Jülich Berufung einlegen. Noch heute er­innert der Flurname „Am alten Gericht" für die Gegend oberhalb der Muschemer Mühle an den Ort, wo einst der Galgen stand, an dem die zum Tode Verurteilten gehängt wurden.

Außerhalb des städtischen und herzoglichen Gerichtes stand der Klosterbezirk, der seit ältester Zeit seine eigene Gerichtsbarkeit hatte.Diese wurde ursprünglich im Namen des Abtes von Prüm vom Prior ausgeübt, später nach der Verweltlichung des Klosters vom Propst. Ihr unterstanden auch die Zinsbauern der zum Kolle­giatstift gehörenden Güter in der Umgebung von Münstereifel.

Diese Befreiung des Klosters und späteren Stiftes von der Gerichtsbarkeit des Landesherrn und der Stadt nannte man Immu­nität. Daher wird in den Urkunden des 16. und 17. Jahrhunderts der ehemalige Klosterbezirk als „Die Immunität" bezeichnet.

Aus dem Kreise der Ratsherren ging auch der Bürgermeister, der Führer des Magistrats, hervor. Er wurde auf ein Jahr gewählt und konnte erst dann zum zweitenmal gewählt werden, wenn jeder Ratsherr dieses Amt einmal bekleidet hatte. Die Wahl erfolgte am 27. September. Am Sonntag vor Martini fand in feierlicher Weise die Einführung des Neugewählten statt. In festlichem Zuge gelei­tete man den neuen Bürgermeister zum Rathaus. Ihm voran schritt der Sternbeilträger mit dem Zeichen der städtischen Hoheit und bahnte ihm einen Weg durch die Menge zum Sitzungssaal. Hier machte der älteste Schöffe die Wahl den versammelten Bürgern öffentlich bekannt. Dann begrüßte der Vogt als Vertreter des Amtmannes im Namen des Landesherrn den Bürgermeister. Er er­innerte ihn an seine Pflicht, die Vorrechte der Stadt zu achten und zu schützen, und ermahnte die Bürger, in allen bürgerlichen An­gelegenheiten den gebührenden Gehorsam zu leisten.

Im Anschluß an die Einführung des neuen Bürgermeisters wurden die bisherigen Stadtdiener, die städtischen Angestellten und Beamten, wie wir heute sagen würden, in ihrem Amte be­stätigt oder bei schlechter Amtsführung abgesetzt. Den Reigen eröffnete der Hausknecht, der Hausmeister des Rathauses, der zu­gleich Ratsdiener war. Ihm folgten der Buschhüter, der Feldschütz, der Wachtmeister, die Tor- und Nachtwächter, der Wasenmeister, der für die Beseitigung der Tierleichen zu sorgen hatte, der Stadt­trommler, der die Verordnungen des Magistrats bekannt zu machen hatte, der Postbote, der Kuh-, Sau-, Schaf- und Ziegenhirt. Eine gehobene Stellung nahm der Sekretarius, der Stadt- oder Rats­schreiber ein, von dem in der Regel juristische Vorbildung ver­langt wurde. Er führte unter anderem bei den Ratssitzungen das Protokoll und versah zuweilen auch das Amt des Gerichtsschrei­bers bei den Verhandlungen des städtischen Schöffengerichts. Die erhaltenen Rats- und Gerichtsprotokolle bilden eine unserer wich­tigsten Quellen für die Geschichte unserer Stadt. Als Vertreter der Stadt nahm der Ratsschreiber in der Regel an den Verhandlungen des herzoglichen Landtags in Düsseldorf teil. Hierhin hatten näm­lich die Jülicher Herzöge infolge der 1423 erfolgten Vereinigung ihres Landes mit dem Herzogtum Berg Ende des 16. Jahrhunderts ihren Hauptwohnsitz verlegt. Andere wichtige Beamte waren der Marktmeister, der die Einhaltung der Bestimmungen der Markt­ordnung überwachte, und der Hospitalmeister, der das städtische Hospital verwaltete und alljährlich über Einnahmen und Ausgaben dieser Anstalt Rechnung ablegte. Die aus dem 16. bis 18. Jahr­hundert vorliegenden Hospitalsrechnungen stellen neben den Rats­und Gerichtsprotokollen unsere wichtigste kulturgeschichtliche Quelle dar. Markt- und Hospitalmeister bedurften als Mitglieder des Rates der Bestätigung beim Huldigungsakte nicht.

Die Ratsherren und Stadtdiener pflegten die Einführungsfeier des neuen Bürgermeisters mit einem Trunk im Ratskeller zu be­schließen. Der Neugewählte aber gab den Ratsherren, wenn die Verhältnisse es gestatteten, auf dem Rathaus einen Schmaus, worauf diese großen Wert gelegt zu haben scheinen.

Für seine Bemühungen um die Stadt standen dem Bürger­meister, der wie alle Mitglieder des Rates sein Amt ehrenamtlich verwaltete, eine Reihe von Vergünstigungen zu, die uns heute recht seltsam erscheinen. Er war von allen Abgaben und Steuern befreit und hatte die Nutznießung des westlichen Stadtgrabens. Außerdem erhielt er aus dem Stadtwald einen windschlägigen, d. h. durch den Wind niedergeschlagenen, beschädigten Baum, den sogenannten Bürgermeisterbaum, ferner die Zungen aller zum Verkauf ge­schlachteten Rinder. Außerdem standen ihm ein Teil der Brand­weinsteuer und eine Zulage an Geld und Wein für das Aufbewahren der Stadtschlüssel zu. Der älteste uns bekannte Bürgermeister von Münstereifel war Peter Wasum, der von 1455 bis 1456 die Geschicke unserer Stadt lenkte.

Die mehr als 300jährige Herrschaft der Jülicher Grafen und Herzöge wirkte sich für die weitere Entwicklung Münstereifels sehr günstig aus. Die lange Friedenszeit, die nur in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch religiöse Zwistigkeiten zwischen Kaiser und Landesherrn unterbrochen wurde, führte zu einer wirt­schaftlichen Blüte der Stadt. Neben dem Ackerbau, der wegen der Enge des Raumes und der Kargheit des Schieferbodens innerhalb des Stadtgebietes nie von großer Bedeutung war, und der Vieh­zucht entwickelten sich frühzeitig bäuerliche Nebengewerbe: Müllerei, Brauerei, Gerberei, Spinnerei und Weberei. Uralt ist in unserer Stadt das Müllereigewerbe, dessen Entwicklung durch den Wasserlauf der Erft und ihrer Nebenbäche sowie durch die Menge der landwirtschaftlichen Erzeugnisse der nächsten Umgebung sehr begünstigt wurde. Die Urkunden des 12. bis 17. Jahrhunderts erwähnen nicht weniger als 12 Mühlenbetriebe im Bereiche des heutigen Stadtgebietes. Die beiden ältesten, bereits 1112 und 1171 erwähnten Mühlen lagen am Eingang zum Schleidbachtal und Esch­weilertal. Es waren Getreidemühlen, die dem Stift gehörten. Die Klostermühle am Schleidbachtal hat bis um die Mitte des 19. Jahr­hunderts gestanden. Erst im 13. Jahrhundert erhielt die Stadt vom Landesherrn das Recht, innerhalb der Stadtmauern eine Stadtmühle zu errichten. Diese lag an der heutigen Orchheimer Straße gegen­über der Unnaustraße im Gerhard'schen Hause. Durch die Gasse „Auf'm Deich floß ehemals der Mühlbach zur Stadtmühle. Außer diesen Getreidemühlen erwähnen die Urkunden eine 01-, eine Malz-, eine Säge-, eine Pulver- und eine Schleifmühle sowie mehrere Loh-, Walk- und Follmühlen. Im Klosterbezirk in der Nähe des heutigen Pfarrhauses stand einst eine Windmühle, wie aus dem Flurnamen „An der Windmühle" hervorgeht.

Die Walk- oder Follmühlen erinnern uns an das Gewerbe, welches Münstereifel im Mittelalter eine große Berühmtheit ver­schaffte, an seine Wollspinnerei und Wollweberei. Die Ausdrücke „Walk" und „Foll" bezeichnen die Arbeit des Walkers oder Follers, der das fertig gewebte Tuch nach vorhergehender Reinigung walkte, d. h. durch Bearbeiten mit Holzhämmern dicker und filziger machte. Diese Arbeit geschah in den Walk- oder Foll• mühlen durch hölzerne Stoßhämmer, die vom Wasserrad in Be­wegung gesetzt wurden.

Die Rohstoffgrundlage der Münstereifeler Wollweberei war der Schafreichtum unserer Gegend. Im Mittelalter hatte jede Eifelstadt ihre eigene Schafherde. In Münstereifel gab es 1594 rund tausend Schafe, während die letzte Zählung im November 1938 nur 160, und wenn man vom Gut Vogelsang absieht, nur 20 Stück ergab.

Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Münstereifeler Wollweberei wurde die Zunft der Wollweber. Sie war die be­deutendste, reichste, angesehenste und wahrscheinlich älteste der drei damals in unserer Stadt bestehenden Zünfte. Bereits im Jahre 1339 gestattete Graf Wilhelm I. von Jülich den Wollenwebern zu Münstereifel, Gewand zu weben, zu wirken, auszuschneiden und mit ihrem Zeichen zu versehen. Die Wollweberzunft hatte im Rat­haus ihr eigenes Beratungszimmer.

Die Zunftbestimmungen über die Herstellung von Tuch waren sehr streng. So kam es, daß das Münstereifeler Tuch als Qualitäts­ware nah und fern einen guten Ruf genoß. In einer Eingabe der Adenauer Wollweberzunft an ihren Landesherrn, den Kurfürsten von Trier, heißt es ausdrücklich, abgesehen von Münstereifel bringe kein ausländischer, d. h, nicht kurtrierischer Gewerbetreibender so feines Tuch wie das ihrige auf den Markt. Der Umstand, daß ein Wettbewerber ein solches Lob erteilte, dürfte genügen, um die Geschicklichkeit und Fertigkeit der Münstereifeler Tuchmacher zu erweisen.

Einen bedeutenden Aufschwung nahm das Wollgewerbe in unserer Stadt, als 1618 die Kapuziner nach hier kamen. Diese er­richteten nämlich, offenbar angeregt durch die Tätigkeit der hiesigen Wollweber, neben ihrem Kloster einen größeren Weberei­betrieb, um die Kapuzinerklöster der Kölner Ordensprovinz mit den notwendigen Tuchen zu versorgen. Dies konnte aber, da sie selbst gering an Zahl waren, nur mit Hilfe der alteingesessenen Weber geschehen, denen sie damit Arbeit und Brot verschafften. Im Jahre 1630 betrug die Zahl der vom Münstereifeler Tuch­gewerbe versorgten Klöster der Ordensprovinz 15, die Zahl der Mönche 360. Obschon der Tuchbedarf der Kapuziner zu einer starken Steigerung des Absatzes führte, sahen die Münstereifeler Wollweber nach wie vor ihr Hauptabsatzgebiet im eigenen Markt. Von ihm suchten sie genau so wie die Schuster jeden fremden Handwerker, Hausierer und Verkäufer fernzuhalten. Andererseits hören wir nur ausnahmsweise davon, daß Münstereifeler Hand­werker in anderen Städten ihre Waren verkauften.

Diese Beschränkung des Handels auf den eigenen Markt unter Verzicht auf geschäftliche Verbindungen mit der Außenwelt kenn­zeichnete das Münstereifeler Gewerbe bis ins 19. Jahrhundert hinein. Trotzdem blieb die Stadt wegen ihrer politischen und kul­turellen Bedeutung für lange Zeit ein wichtiges Handelszentrum. Besonders starken Zulauf hatten die regelmäßig stattfindenden Jahrmärkte. In alter Zeit gab es deren drei in unserer Stadt. Diese fanden am 25. Januar (Pauli Bekehrung), am 21. September (Mat­thäus) und am 28. Oktober (Simon Juda) statt. Als sie durch die Kriegswirren des 16. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten waren, erneuerte sie der Herzog Wilhelm I. von Jülich im Jahre 1579.

Trotz gelegentlicher Rückschläge, wie sie z. B. die furchtbaren Hochwasserkatastrophen und Seuchen des 15. Jahrhunderts mit sich brachten, hatte Münstereifel im Jahre 1600 rund 3000 Ein­wohner, eine stattliche Zahl, wenn man bedenkt, daß damals, ab­gesehen von einigen Mühlenbetrieben, nur der enge Raum inner­halb der Stadtmauern bewohnt war. Es war nach Aachen und Düren der bedeutendste Ort am Nordrand der Eifel. Von der Wohlhabenheit der damaligen Bürgerschaft zeugen noch heute das prachtvolle aus dem 14. und 16. Jahrhundert stammende Rathaus sowie die stattlichen Giebelhäuser der Orchheimerstraße.


VI. Die Herrschaft der Pfalzgrafen von Neuburg und Sulzbach.

Leider veränderte sich das günstige Bild der wirtschaftlichen Lage Münstereifels in der Folgezeit völlig. Mehr als hundert Jahre fortwährender wilder Kriege, die sich auf rheinischer Erde ab­spielten, weil eine ohnmächtige Kleinstaaterei das Rheinland zum Tummelplatz der Söldnerheere fremder Völker werden ließ, fügten dem Eifelland und auch unserer Stadt schwersten Schaden zu.

Im Jahre 1609 starb mit dem Tode des kinderlosen Herzogs Johann Wilhelm das Jülicher Herrscherhaus aus. Um das reiche Erbe, das aus den Herzogtümern Jülich, Cleve, Berg und ver­schiedenen Grafschaften und Herrschaften bestand, entbrannte ein heftiger Kampf zwischen dem Kurfürsten Johann Philipp von Brandenburg und dem Pfalzgrafen Ludwig von Neuburg an der Donau. Beide waren nämlich durch ihre Heirat mit dem letzten Jülicher Herzog verwandt. in diesem Streit, der als der Jülich­Klevische Erbfolgestreit bekannt ist und von 1609 bis 1614 dauerte, mischten sich unter anderen Holländer und Spanier. Während der langjährigen Kämpfe hatte unsere Stadt sehr zu leiden. Bald war sie in den Händen der Spanier, bald in denen der Holländer, und von beiden Seiten wurde sie wiederholt gebrandschatzt. Der Ver­trag von Xanten 1614 beendete den Kampf durch einen Vergleich. Das jülische Erbe wurde geteilt. Der Pfalzgraf von Neuburg er­hielt das Herzogtum Jülich und wurde Herr von Münstereifel.

Der erste Neuenburger Herzog Wolfgang Wilhelm, der 1613 zum Katholizismus übergetreten war, verfolgte die kleine protestan­tische Gemeinde, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Münstereifel gebildet hatte. Der protestantische Pfarrer Hubert Eller wurde 1614 von spanischen Truppen verjagt. Zur wirk­sameren Bekämpfung der neuen Lehre wandte sich der Herzog 1625 auf Betreiben einiger Stiftsherren im Verein mit dem Magistrat an die Jesuiten in Köln. Diese errichteten in Münstereifel eine Niederlassung und gründeten in demselben Jahre mit finanzieller Unterstützung der Wollweberzunft eine Lateinschule, die als Stätte humanistischer Bildung für das ganze Eifelgebiet, Belgien und Luxemburg bedeutsam war und aus der das spätere Gymnasium, die heutige Deutsche Oberschule, hervorging.

In die Regierungszeit des Herzogs Wolfgang Wilhelm fällt auch der 30jährige Krieg. Wenn auch unsere Gegend in ihm keine ent­scheidenden kriegerischen Operationen erlebte, so sah sie doch den Krieg im Lande mit allen Greueln der damaligen Zeit. Unauf­hörlich zogen sengende und plündernde Kriegshorden, Franzosen, Lothringer, Spanier, Hessen, mit ihrem Troß von Weibern und Kindern durch unsere Stadt. Die andauernden Einquartierungen von Freunden und Feinden, die auch nach Friedensschluß kein Ende nahmen, preßten aus der erschreckten Bevölkerung das Letzte heraus und vernichteten den Wohlstand Münstereifels. Leider sind wir im einzelnen darüber nicht unterrichtet, weil sowohl die Rats­protokolle als auch die Hospitalsrechnungen aus dieser Zeit fast völlig fehlen. Doch manche Pfarrbücher unserer Gegend enthalten darüber höchst interessante Notizen.

Die Raubkriege Ludwigs XIV. brachten neues Unheil über unsere Stadt. Sie sah in dieser Zeit meist französische Truppen in ihren Mauern. Zu den schweren Kriegslasten kam im Jahre 1680 die Pest, die besonders in der Eifel wütete und auch in Münster­eifel viele Menschen hinwegraffte.

Wie es damals in der Stadt aussah, zeigt ein Ratsprotokoll aus dem Jahre 1681. Als die Elisabethinerinnen, ein Frauenorden, der mildtätige Zwecke verfolgte, beabsichtigte, in Münstereifel eine neue Niederlassung zu gründen, erklärte der Rat im vollsten Ein­vernehmen mit der Bürgerschaft, man habe Klöster genug, zumal die Zahl der steuerzahlenden Bürger seit dem Jahre 1618 von 500 auf 200 zurückgegangen sei. Fast 50 Häuser seien niedergerissen, verwüstet, verdorben und unwohnbar gemacht. Damit die Stadt nicht noch mehr verengt und noch mehr Bürger verdrängt würden, lehne die Bürgerschaft das Gesuch ab.

Um diesen Bescheid des Rates voll zu verstehen, muß man wissen, daß es Ende des 17. Jahrhunderts in Münstereifel außer dem Kollegiatstift, das allein ein Fünftel des Stadtgebietes einnahm, noch drei andere Klöster gab, das Jesuiten-, Kapuziner­und Karmelitessenkloster. Außerdem hatte die Stadt damals fünf Kirchen, fünf Kapellen, ein Jesuiten-Gymnasium und eine Kloster­schule für die weibliche Jugend. Der 1513 errichtete Steinfelder­hof war Eigentum der Abtei Steinfeld. Münstereifel war also in Wahrheit eine Stadt der Kirchen, Klöster und Schulen. Mit der Zunahme der von der Steuerpflicht befreiten geistlichen Anstalten war bei der Enge des Raumes naturgemäß die Zahl der steuer­zahlenden Bürger ständig gesunken.

Im dritten Raubkrieg, der von 1688 bis 1697 dauerte, wurde Münstereifel am 21. April 1689 von französischen Truppen ge­plündert. Bei dieser Gelegenheit wurden die Tore und Mauern der Stadt übel zugerichtet. Die Burg aber ging in Flammen auf und liegt seit diesem Tage in Trümmern. Zwei Jahre später, 1691, drangen die Franzosen wiederum gewaltsam in die Stadt ein, zer­störten einen Teil der Mauern und steckten die inzwischen wieder­hergestellten Tore in Brand. Bis zum Ende des Krieges wech­selten Einquartierungen, Brandschatzungen und Plünderungen ab.

Das gleiche Bild bot der Spanische Erbfolgekrieg (1701 bis 1714), in dem gerade das Jülicher Land schwer heimgesucht wurde. Im übrigen verlief das 18. Jahrhundert für unsere Stadt ruhiger. Nur während des Österreichischen Erbfolgekrieges (1742 bis 1748) be­zogen 1743 österreichische und ungarische Truppen mehrere Monate lang in Münstereifel Quartier.

Langsam bahnte sich eine Besserung der wirtschaftlichen Lage der Stadt an. Allein an dem allgemeinen wirtschaftlichen Auf­schwung, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgte, hatte Münstereifel bei weitem nicht den Anteil wie z. B. Düren, Eschweiler, Stolberg, Schleiden, Gemünd und Monschau. Diese Städte hatten zahlreiche aus den Niederlanden, Frankreich und Luxemburg stammende Emigranten zu ihrem eigenen Vorteil auf­genommen. Sie erhielten damit nicht nur tüchtige, gelernte Arbeits­kräfte, nicht nur die technischen Neuerungen der wirtschaftlich fortgeschritteneren westlichen Länder, sondern auch kapitalkräftige Männer, die die Väter führender Industrieller wurden. Da sie als Protestanten in der Regel von den mittelalterlichen Zünften aus­geschlossen waren, wurden sie die Träger einer neuen Wirtschaft, der Industrialisierung. Ich nenne nur die bekannten Namen Hoesch, Schoeller, Poensgen und Scheibler.

Ganz anders lagen die Verhältnisse in Münstereifel. Es lag nicht nur fern von den günstigen Verkehrswegen des Eifelvorlandes und war ohne größere Ausdehnungsmöglichkeit im engen Erfttal. Es wehrte auch nach wie vor alles Fremde ab. Sein Gewerbe blieb, dem kirchlich-klösterlichen Gepräge der Stadt entsprechend, streng katholisch und streng zünftig eingestellt.

Immerhin erfuhr auch die alte Gerberei und Wollweberei Mün­stereifels eine Belebung. Denn die Stadt hatte ihre große An­ziehungskraft für die nähere und weitere Umgebung nicht ver­loren. Auch nahm die Zahl der mit Münstereifeler Tuch ver­sorgten Kapuzinerklöster mehr und mehr zu und betrug Ende des 18. Jahrhunderts 36 mit 660 Mönchen. Seit dem Jahre 1749 fand am Feste Mariä Himmelfahrt und den beiden folgenden Tagen ein Kram- und Viehmarkt statt, nachdem bereits 1713 ein Wollmarkt eingeführt worden war, der jährlich am 16. Januar abgehalten wurde. Auch entwickelte sich Münstereifel im Laufe des 18. Jahr­hunderts zu einem Stapelplatz für Salz, Ahr- und Moselweine, Kolonialwaren und Bleierze. Dagegen scheiterte der 1785 unter nommene Versuch des Magistrats, einen Wochenmarkt einzu­führen, und ist auch bis heute nicht verwirklicht worden.

Wenn auch die Bevölkerung der Stadt gegen Ende des 18. Jahr­hunderts auf 1500 Köpfe gesunken war, so übertraf sie immer noch die Euskirchens und Rheinbachs, deren Einwohnerzahl 1000 nicht überstieg.


VII. Münstereifel unter französischer Herrschaft.

Die in der Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzende wirtschaft­liche Belebung fand ein rasches Ende, als die Wogen der fran­zösischen Revolution über die deutsche Grenze schlugen. Nach der Niederlage der Osterreicher bei Fleurus in Belgien stand am 2. Oktober 1794 ein Revolutionsheer vor Düren. Nach dem Fall dieser Stadt und der Einnahme Jülichs rückten die Franzosen am 8. Oktober in Münstereifel ein, und alle Häuser wurden mit Ein­quartierung belegt.

Noch in demselben Jahre wurde das gesamte linksrheinische Gebiet als französisches Eigentum erklärt und einer Zentral­regierung in Aachen unterstellt. Das bisherige jülischeAmtMünster­eifel wurde aufgelöst und der Bezirksregierung in Bonn angeglie­dert. Im Jahre 1797 wurde das neu eroberte linksrheinische Gebiet nach französischem Muster in die vier Departements Roer, Saar, Rhein-Mosel und Pfalz eingeteilt. Diese zerfielen in kleinere Ver­waltungsbezirke: Arrondissements, Kantone und Mairien (Bürger­meistereien). Münstereifel bildete mit den Ortschaften Arloff, Iversheim, Rodert, Eicherscheid, Schönau, Mahlberg, Effelsberg, Lethert, Langscheid, Mutscheid, Houverath und Rupperath eine Mairie, die 1802 rund 4200 Einwohner zählte. Die Ortschaften Berg­rath, Kolvenbach und Hohn, die bisher zum Stadtgericht Münster­eifel gehört hatten, kamen zur Bürgermeisterei Nöthen und damit zum Roerdepartement, dem späteren Regierungsbezirk Aachen.

Die Stadt Münstereifel nebst Eicherscheid und Rodert zählte 1812 nur noch 1422 Einwohner. Sie wurde zum Kanton Rhein­bach geschlagen und ging damit aller Vorzüge verlustig, die sie als dritte Hauptstadt des Herzogtums Jülich besessen hatte. Ihre Rolle als Behördenstadt mußte sie an Rheinbach abtreten. Sie ver­lor das Marktrecht. An die Stelle des städtischen Schöffengerichts trat ein sogenanntes Friedensgericht in Rheinbach. Im Jahre 1802 wurden in Münstereifel alle Klöster aufgelöst. Das alte Kollegiat­stift, das Kapuziner- und Karmelitessenkloster verloren ihre Güter. Auch das Gymnasium büßte für immer einen großen Teil seiner Güter ein und schien dem Untergange nahe zu sein, obschon es damals von fast 200 auswärtigen Schülern besucht wurde und nach einem Berichte des französischen Präfekten Chaban in Koblenz die „Hauptquelle des Gedeihens der Stadt" war. „Von der früheren Herrlichkeit Münstereifels, so klagt wehmütig Katzfey in seiner „Geschichte der Stadt", blieb außer einigen Ruinen nichts übrig als ein trauriges Andenken."

Die Maßnahmen der französischen Verwaltung wirkten sich für unsere Stadt besonders in wirtschaftlicher Hinsicht sehr nachteilig aus. Durch die Beseitigung der herzoglichen Verwaltung und die Aufhebung der Klöster verloren zahlreiche Beamte, Angestellte und Handwerker ihren Wirkungskreis und ihr Einkommen. Durch den Wegfall des Zehnten, den zahlreiche Bauern der Umgebung immer noch dem Kollegiatstift geliefert hatten, trat eine Stockung in der Lebensmittelversorgung der Bürgerschaft ein. Diese war nämlich bisher zum großen Teil vom Stift mit Brotgetreide versorgt worden.

Besonders schwer getroffen aber war die Wollweberei unserer Stadt. Infolge des Aufhebens der Zünfte und der Einführung der Gewerbefreiheit waren die Erzeugnisse der Wollweber nicht mehr geschützt, da jetzt jeder berechtigt war, dieses Gewerbe aus­zuüben. Die Münstereifeler Tuchmacherei, die nun auf Export an­gewiesen war, konnte sich, da sie bei ihrer streng zünftigen Ein­stellung den Anschluß an die neuen Kräfte verpaßt und auf alle technischen Neuigkeiten verzichtet hatte, gegen die Konkurrent der Dürener, Gemünder und Monschauer Tuchweberei nicht be­haupten. Nach der Aufhebung des Kapuzinerklosters war dessen Webereibetrieb von einem Kuchenheimer Gewerbetreibenden er­worben und weitergeführt worden. Aber bald darauf wurde er still­gelegt, und zahlreiche Arbeitskräfte wurden brotlos.

Besser scheint es während der französischen Herrschaft der Münstereifeler Gerberei ergangen zu sein. Der Lederbedarf der französischen Heeresverwaltung war groß, und auswärtige Kon­kurrenz machte sich nicht so stark bemerkbar wie bei der Woll­weberei. Häute, Eichenrinde und Arbeitskraft waren billig. Der Tran aber, der infolge der von Napoleon verhängten Festlands­sperre sehr im Preise gestiegen war, wurde durch ausgeschmolzenes Schweinefett ersetzt. Schlechter war die Lage der Weißgerber, da das Tragen der Lederhose aufhörte.

Zahlreiche Bürger unserer Stadt waren damals gezwungen, in den Bleibergwerken und Eisenhütten der weiteren Umgebung Arbeit zu suchen, um ihre Familien ernähren zu können, und sie schreckten nicht vor stundenlangen Anmarschwegen zur Arbeits­stätte zurück.

Der Mangel an Verdienstmöglichkeiten während der fran­zösischen Herrschaft führte zu dem Versuch, dem Bergbau in unserer nächsten Umgebung Eingang zu verschaffen. Im so­genannten „Schönauer Siefen" bei Eicherscheid suchte man mit besonderer Genehmigung der französischen Regierung mehrere Jahre lang nach Steinkohlen. Bei Eicherscheid, Holzem, Hospelt und Hummerzheim förderte man eine Zeitlang Kupfer- und Blei­erze. Allein alle diese Versuche wurden wegen Unergiebigkeit, schlechter Verkehrsverhältnisse und Mangels an Kapital bald wieder aufgegeben. An den ehemaligen Bergbau in der Eicherscheider Gemarkung erinnern heute noch die Flurnamen ,.Im Stollensiefen", „Am Hüttefeld", „Weierpesch" und „Gröllpesch".


VIII. Münstereifel unter preußischer- Herrschaft.

Am 10. Februar 1815 wurde Münstereifel preußisch. Die ehe­maligen Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg wurden zunächst zu einer besonderen preußischen Provinz zusammengefaßt und durch königliche Verordnung vom 18. April 1816 in die beiden Regie­rungsbezirke Düsseldorf und Köln eingeteilt. Diese zerfielen seit dem 20. April 1816 in Kreise. Münstereifels Hoffnung, Sitz einer Kreisverwaltung zu werden und so seinen alten Charakter als Behördenstadt wiederzugewinnen, ging leider nicht in Erfüllung. Es mußte diese Rolle vielmehr endgültig dem günstiger gelegenen Rheinbach überlassen und kam zum Kreise Rheinbach.

Unter preußischer Verwaltung vermochte Münstereifel seine frühere Bedeutung in keiner Hinsicht wiederzugewinnen. Es blieb für lange Zeit ein fern vom Verkehr gelegenes, weltvergessenes, verarmtes Landstädtchen. Die wirtschaftliche Not der Bevölkerung wurde 1816 noch verschärft durch eine vollständige Mißernte, die zu einer Teuerung und Hungersnot führte. Zwei Jahre später wurde die Stadt von einer furchtbaren Überschwemmung heim­gesucht, die an Straßen, Häusern, Brücken und Mauern schwersten Schaden anrichtete. Jetzt erst wurde die Außenwelt auf die miß­liche Lage Münstereifels aufmerksam. Die preußische Regierung griff helfend ein. Um eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse herbeizuführen, war sie bereit, Münstereifel zur Garnison­stadt zu machen, falls die Bürgerschaft auf das Gymnasium ver­zichten wollte. Doch konnte man sich trotz aller Not nicht dazu entschließen, die alte Bildungsstätte preiszugeben, obschon diese damals nur noch von 63 Schülern besucht wurde. So blieb auch in der Folgezeit die wirtschaftliche Lage unseres Städtchens sehr ungünstig. Erst als nach dem Ausbau der Bezirksstraße Köln­Trier 1841 eine wesentliche Verbesserung der Verkehrsverhältnisse eingetreten war, setzte auch allmählich eine neue Belebung des Wirtschaftslebens ein. Gestützt auf die technischen Errungen­schaften einer neuen Zeit, versuchte man, die uralte Münstereifeler Wollweberei, die nur noch von wenigen Handwerkern ausgeübt wurde, einer neuen Blüte entgegenzuführen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden eine Wollspinnerei in der ehemaligen Muschemer Mühle am Eschweilertal, eine Tuchfabrik an der Stelle der alten Schleifmühle, der jetzigen Hettnerschen Fabrik, und eine Kunstwollfabrik in der Steinsmühle. Außerdem wurde im Gebäude der heutigen Druckerei Schulte eine Tuchweberei eingerichtet. Auch die Gerberei nahm, begünstigt durch die Wasserverhältnisse und die vielen jungen Eichenwälder, zumal mit der Fabrikation von Sohlleder, einen hohen Aufschwung. Die Zahl der Gerbereibetriebe unserer Stadt stieg in den folgenden Jahrzehnten auf 15. Die vier vorhandenen Brauereien gewannen einen großen Teil der Eifel als Absatzgebiet. Auch das Handwerk erlebte bessere Zeiten. Im Jahre 1854 gab es in Münstereifel 20 Schuster, 17 Tischler, 13 Bäcker, 12 Leinenweber, 11 Schneider, 10 Fleischer, 8 Schlosser, 7 Maurer, 4 Schmiede, 4 Zimmerer, 4 Goldarbeiter, 3 Rad- und Stellmacher, 3 Beutler, 3 Korbflechter, 3 Schönfärber, 3 Böttcher, 2 Nagelschmiede, 2 Sattler, 2 Müller, einen Buchbinder, einen Kammacher, einen Glaser, einen Tapezierer, einen Klempner, einen Seiler und einen Uhrmacher. Um die Mitte des 19. Jahr­hunderts wurden in unserer Stadt 4 Krammärkte abgehalten, der erste am zweiten Montag in der Fastenzeit, der zweite am Pfingst­montag, der dritte drei Tage vor St. Michael und der vierte am St. Martinstage. Die Einwohnerzahl Münstereifels war wieder auf rund 2200 gestiegen.

Diese hoffnungsvollen Ansätze führten leider zu keiner dauern­den Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Als 1864 und 1865 das Gebiet am Nordrand der Eifel durch Eisenbahnen er­schlossen wurde, trat wieder ein merklicher Rückschlag ein. Die uralte Wollweberei der ganzen Nordeifel verlagerte sich nach Aachen, Düren und Euskirchen und verschwand fast ganz aus der Eifel. Münstereifel, das durch die unverständliche, kurzsichtige Politik seiner damaligen Stadtverwaltung ohne Bahnverbindung geblieben war, mußte seine ehemals führende Rolle an Euskirchen abtreten, wo die Wollweberei, begünstigt durch die vorteilhafte Verkehrslage, einen großen Aufschwung nahm. Das Münstereifeler Textilgewerbe aber kam nach und nach völlig zum Erliegen. Der letzte Wollweber unserer Stadt, der sein Gewerbe noch hand­werksmäßig ausgeübt hatte, Gottfried Koll, starb 1923. An die alte Tuchmacherei erinnern heute nur noch die Wollgarnspinnerei Fischenich in Eicherscheid sowie einige alte, z. T. verfallene Foll­mühlen. Auch ein alter Ausdruck der Webersprache, jemanden verwalken = jemanden verhauen, ist noch allgemein gebräuchlich.

Ähnlich erging es der alten Münstereifeler Gerberei. Die be­queme Einfuhr ausländischer Gerbstoffe machte die Gerbereien vom Bezug der Eichenrinde unabhängig. An günstiger gelegenen Orten, wie Euskirchen und Düren, entstanden größere Betriebe, denen die hiesigen, zumal infolge der Einführung des Schnell­gerbeverfahrens, auf die Dauer nicht gewachsen waren. Ihre Zahl ging ständig zurück, so daß heute nur noch zwei Gerbereien in unserer Stadt vorhanden sind. Cberhaupt verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Stadt wieder zusehends, und so blieb es bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Eine nachhaltige Besserung setzte erst ein, als Münstereifel 1890 eine Eisenbahnverbindung mit Euskirchen und damit Anschluß an die schon bestehenden Linien am Nordrand der Eifel erhielt. An der neuen Bahnstrecke entstanden bald neuzeitliche Industrie­betriebe, so die Arloffer Tonwerke und die Maschinenfabrik Hettner in Iversheim. Dazu trat nach dem Kriege die Seifen- und Glyzerinfabrik Greven in Iversheim. In diesen Betrieben fanden zahlreiche Bewohner der Stadt neue Arbeit und Brot.

Das alte Münstereifeler Gewerbe dagegen erfuhr keine Be­lebung. Auch anderweitige nennenswerte Industrien blieben der Stadt versagt. Die später entstehenden Sägewerke und Kunstmöbel­werkstätten boten keinen ausreichenden Ersatz. Allein gerade diese Industrieflucht aus Münstereifel sollte sich bald zum Besten der Bürgerschaft auswirken. Unser altes romantisches Städtchen wurde wegen seiner landschaftlich schönen Lage und seiner über­aus günstigen klimatischen Verhältnisse ein beliebter Ausflugs­und Kurort. Es erwachte allmählich aus seinem Dornröschenschlaf, in den es im 19. Jahrhundert versunken war. Der Eindruck der Verwahrlosung, den es mit seinen verfallenen Mauern, verunrei­nigten Gräben und vernachlässigten Häusern bis zur Jahrhundert­wende auf den Besucher gemacht hatte, verschwand mehr und mehr. Die Mauern wurden gegen weiteren Verfall gesichert, die Gräben im Norden und Süden der Stadt ausgefüllt und mit Grün­anlagen versehen. Die vielfach geschmacklos verputzten Giebel­häuser wurden z. T. freigelegt und dem altertümlichen Stadtbild angepaßt. Vor allem wurde das ehrwürdige Rathaus, das 1821 unbegreiflicherweise auf Abbruch verkauft, 1912 aber wieder käuf­lich erworben worden war, nach Kriegsende mit Unterstützung des Staates und des Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz wiederhergestellt und seiner ehemaligen Bestimmung zurück­gegeben.

Die Besserung der Verkehrsverhältnisse kam nicht nur dem Wirtschaftsleben, sondern auch den hiesigen Bildungsstätten zu­gute. Die Schülerzahl des Gymnasiums, die 1888 nur 140 betragen hatte, stieg bis zur Jahrhundertwende auf 300, bis 1911 auf 387, von denen nicht weniger als 3l0 Auswärtige waren. Der größte Teil von ihnen wohnte im Erzbischöflichen Konvikt, das bereits im Jahre 1856 eingerichtet worden und zunächst im Westflügel des Gymnasiums untergebracht war, 1896 aber den südlich des Orch­heimertores gelegenen Neubau bezog. Auch die seit 1878 be­stehende, im ehemaligen Karmelitessenklostcr untergebrachte städtische Lehrerinnenbildungsanstalt wies eine günstige Ent­wicklung auf. Nach ihrer Auflösung eröffneten 1921 die Ursulinen in dem Gebäude ein Lyzeum mit Haushaltungspensionat, das eben­falls ganz überwiegend von auswärtigen Schülerinnen besucht wurde.

Der Aufschwung, den Münstereifel nach dem Bahnbau nahm, spiegelt sich in der Bevölkerungsziffer wieder, die von 1890 bis zum Weltkrieg von 2400 auf fast 3000 stieg. Diese Entwicklung wurde zwar durch den Weltkrieg unterbrochen, setzte sich aber nach seiner Beendigung, vor allem nach Beseitigung seiner üblen Nachwirkungen für das besetzte Rheinland um so stärker durch, wenn sie auch bisher zu keiner wesentlichen Steigerung der Be­völkerungsziffer führen konnte. Seitdem fanden wieder regelmäßig wenigstens einmal im Monat Viehmärkte statt, von denen drei, später vier mit Krammärkten verbunden waren und deren Besuch sich von Jahr zu Jahr steigerte. Einen weiteren Markstein in der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Stadt bedeutete die Errich­tung eines ganz neuzeitlich eingerichteten Kneipp-Kurhauses, das 1929 eröffnet wurde. Heute kann man sagen, daß dank dem Weitblick und der Rührigkeit der Stadtverwaltung aus Münster­eifels Ruinen neues Leben erblüht ist. Alles berechtigt zu der Hoffnung, daß „Münstereifel, das rheinische Rothenburg, als Kneippbad des Westens, als Stadt des Fremdenverkehrs, als Sitz einer deutschen Oberschule und eines Konvikts, als Stätte eines regen Gewerbefleißes einer gesicherten, schönen Zukunft ent­gegengeht."





Quelle: Aus Vorgeschichte und Geschichte der Stadt Münstereifel und ihrer Umgebung, von Dr. Adolf Hombitzer, Studienrat an der St. Michael-Oberschule, Münstereifel 1939, Selbstverlag des Verfassers, Kreisarchiv Blankenheim Dek 1 Mün





Zurück zu Bad Münstereifel




© Copyright wisoveg.de - Bad Münstereifel