Radioteleskop erforscht Milchstraße
Sterngucker in Münstereifel wird ohne Fernrohr arbeiten




Der „Astro-Peiler“ auf dem Stockert fast fertiggestellt - Einweihung 17. September 1956




(R) B o n n. Auf dem 435 Meter hohen Stockert" bei Münstereifel geht der Bau des ersten Radio-SpiegeIteleskops, auch „Astro-Peer" genannt, in der Bundesrepublik der Vollendung entgegen. Damit wird auch die deutsche Wissenschaft auf dem Gebiet der Radioastronomie bald in vorderster Linie mitarbeiten können. Auf Einladung der Pressestelle des Landes Nordrhein-Westfalen besichtigten Journalisten den gegenwärtigen Stand der Bau und Montagearbeiten an der Empfangsanlage, die der Sternwarte der Universität Bonn angegliedert wird. Staatssekretär Dr. Brandt vom Wirtschafts- und Verkehrsministerium NRW und Univ. Prof. Dr. StraßI von der Sternwarte Bonn gaben den Gästen die notwendigen fachlichen Erläuterungen.

Einen Durchmesser von 25 Meter wird der Parabolspiegel aus Leichtmetall haben, der jetzt auf einen 16 Meter hohen Pyramidenstumpf auf dem Stockert bei Münstereifel montiert werden soll. Das Radioteleskop wird helfen, Deutschland nach langjähriger Pause dem hochentwickelten Forschungsstand der USA und Englands auf dem Gebiet der Radartechnik nahezubringen




Auf dem Baugelände sind die beiden Hauptteile der Anlage noch zueinanderzubringen, d. h. der große Parabolspiegel (Gewicht 20 Tonnen, Durchmesser 25 Meter) ist mit Hilfe mächtiger Kräne auf den bereits stehenden Betonturm (Höhe 16 Meter) zu montieren. Die Gesamtanlage wird etwa zwei Millionen DM kosten und ist in verhältnismäßig kurzer Zeit erstellt worden (Baubeginn am 12. Juli 1956, Einweihung durch den NRW-Ministerpräsidenten am kommenden 17. September).

Die Anlage auf dem Stockert soll eine Doppelaufgabe erfüllen: in einem Teil A der Radioastronomie dienen und in einem Teil B Grundlagenforschung für die Entwicklung von Radargeräten betreiben. Zu den Professoren Dr. Becker und Dr. Straßl von der Universitätssternwarte Bonn wird für den Teil B als Fachmann Herr von Trentini in den Dienst der neuen Anlage treten. Für die Gebiete der Flugsicherung und der Schiffahrtssicherung - es sei an den Zusammenstoß „Andrea Doria" / "Stockholm" erinnert - werden im Sektor B bedeutende Ergebnisse erwartet.

Ein. paar Daten zur Anlage selbst: Der Leichtmetallspiegel hat die gleichen Dimensionen wie das im April d. J. eingeweihte holländische Teleskop. Dort wie auch bei ähnlichen Anlagen in England - läuft der Spiegel auf einem großen Spurkranz. Die Stockert-Anlage wird erstmals mit einer zentralen senkrechten Achse innerhalb des Aufsatzsockels arbeiten, von der man eine größere Genauigkeit als von der Laufkranzkonstruktion erwartet. Das ganze drehende System ruht hier auf Kugellagern.




In sich schwenkbar

Auf dem Betonturm wird der Spiegel nach allen Seiten schwenkbar montiert und kann durch eine automatische Steuerung der Bewegung der Gestirne genau folgen. Er fängt die Radiowellen auf, die von bisher unbekannten kosmischen Objekten ausgesandt werden, eine Empfangsapparatur im Innern des Turmes verstärkt diese "Signale" und schreibt sie in einer automatischen Registrieranlage auf.

Aus den Registrierstreifen erhalten die Astrophysiker Aufschluß über die Natur und die physikalischen Prozesse der Himmelsobjekte. Der astronomischen Forschung eröffnet sich dadurch eine neue Welt, da nun auch solche kosmischen Gebilde untersucht werden können, die fast keine Lichtstrahlung aussenden und deshalb unsichtbar sind. [...] -sonders zur Erforschung der ausgedehnten dunklen Wolken von Wasserstoffgas eingesetzt werden, die den Raum zwischen den Sternen erfüllen. Die Atome dieses kosmischen Gases senden eine Radiostrahlung von der Wellenlänge 21 cm aus. Ergebnisse dieser Forschung können sein: Bestimmung der Bewegung und Anordnung der Gaswolken im Weltraum und neue Erkenntnisse über den spiralförmigen Aufbau des Sternensystems unserer Milchstraße, in dem bekanntlich auch unsere Sonne ihren Platz hat.

Auf die Frage, ob mit einem solchen Riesenradioteleskop auch Forschungen im Bereich der weiter entfernten anderen "Spiralnebel“ möglich sein würden, antwortete uns Professor Straßl, das sei theoretisch denkbar, aber die aus riesigen Entfernungen kommenden Strahlungen würden vielleicht so schwach sein, daß sie auch mit einer solchen Anlage kaum wahrnehmbar sein dürften.

Neues Aufgabengebiet

lmmerhin erschließt sich unsere Forschung, nachdem England, Holland, die USA und Australien in der Radioastronomie einen Vorsprung errungen haben, mit der Fertigstellung der Stockert-Anlage (neben der "Fernrohrastronomie-“) ein neues, ungeheuer weitreichendes Aufgabengebiet. Die Bedeutung des Radioteleskopes für die Radarforschung ergibt sich daraus, daß wir, wie Professor Brandt betont, „mit der Radartechnik noch lange nicht am Ende sind. Die Parole muß lauten: soweit die Radartechnik vorantreiben wie möglich. Dann werden wir auch nicht mehr solche Tragödien erleben wie das jüngste Schiffsunglück vor der amerikanischen Küste“.



Prof. Brandt, der Vorsitzende des deutschen Ausschusses für Funkortung, und Prof. Straßl von der Sternwarte Bonn unterrichteten die Besucher über den Stand der Arbeiten am „Astro-Peiler“ auf dem Stockert

(R)-Foto: Munker




© Copyright wisoveg.de 2004
Zur Homepage