Mechernicher Bleibergwerke trieben Tuchfabrikanten zu kühnem Projekt
Von Hermann Eckstein




Über anderthalb Millionen Reichsmark sollte die Talsperre kosten - Fremdenverkehr schon eingeplant




Vor 50 Jahren begann man im Kreis Euskirchen mit dem Bau der Steinbachtalsperre, die inzwischen zu einem Ausflugsziel ersten Ranges geworden ist. Wie man zu der Planung eines solchen Bauwerks kam, wer die Initiatoren waren, welchem Zweck die Talsperre dienen sollte und wie sie sich nach ihrem Entstehen auf der grünen Wiese zu einem vielgenutzten Naherholungsziel entwickelt hat, darüber wird die "Rundschau" in lockerer Folge berichten. Unser heutiger Bericht ist der Entstehungsgeschichte des immer beliebter gewordenen Stausees gewidmet, der auch heute seine Bedeutung für die Industrie nicht verloren hat.

So sah es vor mehr als fünf Jahrzehnten dort aus, wo heute die Steinbachtalsperre angesiedelt ist.
Reproduktion: Eckstein




Steinbachtalsperre. Die verrückten 20er Jahre waren gerade gut über die Bühne. Euskirchen war trotz vorrangetriebener Industrialisierung ein verträumtes, kleines Städtchen, das über eine gut florierende Tuchindustrie verfügte. Obwohl das Geschäft mit den kreisstädtischen Stoffen fast nichts zu wünschen übrigließ, wurden die Fabrikanten von großen Sorgen geplagt, die existenzgefährdender Art waren, wie aus jener Zeit bekannt ist.

Zur Herstellung der Tuche benötigte man nämlich große Mengen an Wasser, das zudem noch besondere Voraussetzungen erfüllen mußte. Besonders zum Einfärben der Tuche mußte das Wasser weich, mangan- und eisenfrei sein. Diesen Anforderungen entsprach das Wasser des Veybachs aber nicht, aus dem sich die rund 20 Tuchfabriken damals bedienten.

Bleibergwerke an Wasserhärte schuld?

Messungen des Veybachwassers im Jahre 1926 ergaben einen Wasserhärtewert von bis zu 24 Grad. Die extreme Wasserhärte wurde damals auf die Mechernicher Bleibergwerke zurückgeführt, die ihre Abwässer aus den Aufbereitungsanlagen in den Veybach einleiteten. Das Ergebnis einer Wäsche der Wolle mit dem Veybachwasser wurde zunehmend katastrophaler .

Der Stoff war nach der Wäsche nicht weiß, sondern grau, rot oder gelb. Zudem staubten die Produkte später. Um diesem Mißstand eine Abhilfe zu schaffen, installierte einer der Textilfabrikanten eine eigene Aufbereitungsanlage, für die damals runde 100 000 Reichsmark ausgegeben wurden.

Zur Rettung der Tuchindustrie blieb nur eins: vom Veybachwasser unabhängig werden. Doch dies war leichter gesagt als getan. Schließlich benötigte man für jeden Quadratmeter Tuch rund 60 Liter Wasser.

In diesen "harten" Zeiten machte die damalige Wasserbaufirma Blass den Vorschlag, das weichere und bessere Wasser des Steinbachs zu nutzen

Dazu hätte eine rund 12 km lange Pipeline gebaut werden müssen. Das war, wie sich später herausstellte, die Geburtsstunde der Steinbachtalsperre.

Im Dezember 1932 sickerten dann erstmals die Pläne einer Talsperre durch. Als von "weittragender Bedeutung für die Tuchindustrie" wurden diese Pläne von den Zeitungen bezeichnet;

Im idyllischen Steinbachtal unterhalb von Kirchheim sollte das Projekt verwirklicht werden. Die Voraussetzungen für eine Talsperre würde der Steinbach schon erfüllen, hieß es in einem Bericht.

Der Bach, der bei Bad Münstereifel entspringt und bis zum Kloster Schweinheim von einigen Nebenläufen zusätzlich gespeist wird, umfaßt ein Einzugsgebiet von rund 16 Quadratkilometern.

Eine recht kleine und unbedeutende Fläche, wenn man demgegenüber das Einzugsgebiet der Erft - zu dem auch der Steinbach gehört - mit seinen fast 2000 Quadratkilometern in Betracht zieht.

Die Gesamtniederschlagsmenge im Steinbachgebiet wurde damaIs mit rund zehn Millionen Kubikmetern im Jahr angegeben.

Mit den Diskussionen um Für und Wider wurden erste Bodenuntersuchungen in Gang gesetzt. In einer Stadtratssitzung im Januar des Jahres 1933 berichtete der damalige Bürgermeister Disse von dem geplanten Projekt. Genaues konnte damals aber noch nicht berichtet werden.

Nur eins stand fest: Die Verhandlungen würden sich als sehr schwierig erweisen, zumal Standort und Beschaffenheit der Talsperre noch nicht feststanden.

Die Geldfrage war zum damaligen Zeitpunkt auch noch höchst unklar. Als Mitfinanzier war nur der Kreis Euskirchen in der Diskussion.




Auch Bevölkerung von Not geplagt

Das schnellstens etwas geschehen mußte, war klar, zumal der Härtegrad des Veybachwassers ständig anstieg. Anfang der 30er Jahre lagen die Werte bei fast 60 Grad, während das Wasser für die Tuchindustrie höchstens fünf bis sechs Grad, aufweisen durfte. In der Sitzung beschloß man, zunächst rund 8000 Mark für die Vorarbeiten zu bewilligen.

Sorgen hatten in dieser Zeit aber nicht nur die Tuchfabrikanten. Auch die Bevölkerung war von Nöten geplagt. Zu dieser Zeit herrschte nämlich große Arbeitslosigkeit. Die Pläne einer Talsperre weckten bei vielen Erwerbslosen die Hoffnung, wieder eine Beschäftigung zu finden.

Aber nicht nur Arbeitslose knüpften Hoffnungen an die Talsperre. In den umliegenden Orten machte man sich schon Gedanken, wie man von einem zu erwartenden Fremdenverkehr profitieren könne. Pläne für den Ausbau von Zufahrtstraßen zur Talsperre wurden ebenfalls schon gemacht.

Vor allem die Euskirchener Industrie - hier Ruhr-Lückerath - war auf Steinbachwasser angewiesen.




Es ganz besonders schlauer Zeitgenosse schmiedete bereits Pläne für ein Ausflugscafe. Wiederum andere Bürger planten, am idyllischen Seeufer ein kleines Wochenendhaus zu errichten. Kurzum - landauf, landab schmiedete man in den schönsten Farben Zukunftspläne, obwohl die Realisierung des Projekts noch unklar war .

Da sich in den amtlichen Gremien und in der Bevölkerung zunehmend die Meinung und Überzeugung breit machte, der Mechernicher Bergbau sei der Verursacher allen Übels - gemeint ist das harte Wasser - gingen die Bergbauer im Februar 1933 zum Gegenangriff über. Schon seit Menschengedenken sei Blei abgebaut und in Euskirchen Veybachwasser entnommen worden, hieß es damals.

"Früher hat man in Euskirchen Militärtuche fabriziert, und da kam es auf weiches Wasser nicht so sehr an wie heute, da man sich auf das Ziviltuch umstellen mußte. Na also, warum denn die Aufregung?! Und überhaupt: Ahnen denn die Tuchmacher in Euskirchen noch nichts davon, daß sie in vielleicht nicht allzuferner Zeit wieder buntes Tuch herstellen", hieß es in einer Zeitungsausgabe vom 11. Februar 1933 in weiser Voraussicht der Zukunft.




So sah die Planung für die Talsperre vor einem halben Jahrhundert aus mit Klärbecken, Badebecken und anderen Einrichtungen, die gebaut und inzwischen mehrmals überholt wurden

In Gang geraten war die Stimmungsmache gegen den Bergbau durch eine noch immer unklare Finanzierung des Talsperrenprojektes. Scheinbar wollte man die Bergbauer mit zur Kasse bitten.

Um damals einer Schließung von Tuchfabriken aus dem Wege zu gehen, war von dem städtischen Wasserwerk mit einem Kostenaufwand von 25 000 Reichsmark eine besondere Leitung gelegt worden, aus der die Tuchindustrie ihr Wasser erhielt.




Mitte Februar - inzwischen war ein Talsperren-Zweckverband gegründet worden - tauchte dann das erste Untersuchungsergebnis des Steinbachtals auf. Demnach war ein Stausee mit einem Fassungsvermögen von rund zwei Millionen Kubikmeter Wasser vorgesehen, der oberhalb des Klosters Schweinheim angesiedelt werden sollte. Das Tal war unbewohnt, eine kostspielige Umsiedlung fiel somit flach.

Das geplante Projekt sollte etwa 80 m höher liegen, als die Stadt Euskirchen. In einer 30 cm-Durchmesser-Rohrleitung sollte das Wasser über eine Strecke von rund zwölf Kilometern nach Euskirchen abfließen. Die Kosten waren mit rund 1,7 Millionen Reichsmark veranschlagt worden.

Von dieser Summe sollten runde 1,1 Millionen Reichsmark auf den eigentlichen Talsperrenbau und den damit verbundenen Landerwerb entfallen. 450 000 Reichsmark waren für das Rohrleitungssystem eingeplant worden.

Zwei Gründe für die Verwaltung maßgebend

Für den Entschluß, dieses Millionenprojekt in einer Zeit anzufassen, in der kaum der dringende Bedarf an Löhnen und Unterstützungen gedeckt werden konnten, waren bei den beteiligten Verwaltungen zwei Gründe maßgebend: Die Überzeugung von der weit über den Augenblick hinausgehenden wirtschaftlichen Bedeutung einer gesicherten Industriewasserbasis.

Ein weiterer Umstand war der, daß vom Reich als dem Eigentümer der Bleibergwerke bei denen die unmittelbare Ursache der damaligen Zwangslage zu suchen war, die Übernahme eines wesentlichen Teils des Kosten erwartet wurde, die Kreis und Stadt tragen mußten.




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