Beliebte alte Kreisbahn zählt heute nur noch drei Männer
Kölnische Rundschau vom 6. September 1974




Verspätungen gehörten in vergangenen Zeiten sozusagen zum Fahrplan




Euskirchen. Die Euskirchener Kreisbahn, 1895 als erste ihrer Art in ganz Preußen gebaut und seit 1959 lediglich noch für den Güterverkehr auf einem heute nur 2,7 Kilometer langen Schienen-"Netz" zuständig, hat sich zu einem Kleinbetrieb mit großem Güteraufkommen entwickelt: 1973 beförderte die EKB rund 90 000 Tonnen, das sind 4500 Güterwagen. In diesem Jahr rechnet die EKB mit einer Steigerung um 20 vH.

Dem Beispiel des typischen Landes der Regionalbahnen, dem benachbarten Belgien, folgend, beabsichtigte man im Kreis Euskirchen, die Ortschaften des langausgedehnten Kreises miteinander zu verbinden, sofern sie nicht in der Nähe der damaligen Staatseisenbahnen Köln - Trier und Euskirchen - Zülpich lagen. 1889 bildeten angehende Landwirte und Industrie ein Komitee zur Förderung der Bahn. Im Januar 1890 bat dieses Komitee den Kreisausschuß, einen generellen Plan für die Eisenbahn aufstellen zu lassen. Bis Ende 1891 waren die umfangreichen Vorarbeiten, vor allem die schwierige Rentabilitätsberechnung, fertig.


Stolz stellte sich bei einer der ersten Fahrten der „Flutsch“ in Mülheim-Wichterich das Zugpersonal und Fahrgäste dem Fotografen. Die Zeit des Personentransportes ist vorbei.


Der erste Zug

Am 26. Januar 1895 rollte der erste Güterzug über die Teilstrecken Liblar - Euskirchen und Mülheim-Wichterich - Zülpich. Am 1. März 1895 wurde der Personenverkehr eröffnet. Am 11. August 1895 schließlich wurde die Strecke Arloff-Zülpich eröffnet. Die Gesamtbaukosten einschließlich des Grunderwerbs und der Züge waren mit 1,97 Millionen DM veranschlagt.

Der 11. August 1895 war für das gesamte Kreisgebiet ein Festtag. Von Liblar aus startete um ein Uhr ein Personenzug, in dem unter anderem Regierungspräsident Freiherr von Richthofen, Landrat Geheimer Regierungsrat Freiherr von Ayx, der Königliche Schloßhauptmann und Kammerherr Excellenz Freiherr von Solemacher und Eisenbahndirektor Hoeter saßen. Fünf Stunden nach Abfahrt des Zuges in Liblar traf die Gesellschaft im flaggengeschmückten Euskirchen ein und versammelte sich im Hotel Joisten zum Festessen. In einem Bericht aus dem Jahre 1895 heißt es im letzten Satz: "Eigens verfaßte Lieder sowohl als die vorzüglichen Gaben von Küche und Keller des Hotels Joisten halfen mit dazu, die Stimmung zu heben."

Einen Tag zuvor hatte eine ähnlich erlauchte Gesellschaft die Bergstrecke Zülpich-Arloff-Satzvey eröffnet. Bei dieser Eröffnungsfahrt zeigte sich bereits, was künftig lange Jahre für den Personenverkehr der EKB typisch war: Der Zug traf mit anderthalb Stunden Verspätung in Euskirchen ein. Aber über solcherlei Verspätungen sah man damals noch gerne hinweg, vor allen Dingen in den Jahren des passiven Widerstandes, als eine Fahrt mit der französischen Regiebahn verpönt war. Die Kreisbahn war 1923 die einzige Verbindung nach Köln und beförderte weit mehr als 300 000 Personen.

Am 1. August 1954 war der Personenverkehr bei der EKB beendet, obwohl in den ersten acht Monaten dieses Jahres 1954 noch 146 771 Personen im Reiseverkehr und 169 599 Personen im Berufs- und Schülerverkehr befördert waren. 1954 beförderte die Kreisbahn 228 000 Tonnen Güter, davon in der Hauptsache Zuckerrüben. Braun- und Steinkohlen sowie Sand und Mörtel.

1959 wurde aber auch der Personenverkehr auf der Straße eingestellt. Bis dahin war die EKB noch ein "gemischtes Nahverkehrsunternehmen".

Heute, nachdem alle ehemaligen EKB-Strecken abgebaut sind, gilt die EKB als reine Industriebahn, die zu den nichtbundesbahneigenen Eisenbahnen gehört und dem Landeseisenbahngesetz unterliegt.

Ihr Streckennetz besteht nur noch aus einem 2,7 Kilometer langen Schienenstück in Zülpich mit zwei Anschlüssen, einem für die Firma Sieger-Papierfabrik und die Landhandelsfirma Mundt.

Im letzten Jahr wurde bei der Firma Mundt eine neue Verladestelle eingerichtet. Das Abfertigungsgebäude der EKB wurde von der Bundesbahn gemietet. Das Personal der Euskirchener Kreisbahn besteht heute noch aus drei Männern.




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