Sensationelle Funde auf riesigem Gräberfeld in Iversheim





Schädeloperation in der Frankenzeit ?
Kölnische Rundschau vom 4. Dezember 1958 - Von Paul Elbern



Iversheim. Der bekannte Schriftsteller Jürgen Thorwald hat in seinem jüngst erschienenen Buch „Das Jahrhundert der Chirurgie" nachzuweisen versucht, daß Schädeltrepanationen bereits in vorgeschichtlicher Zeit von den damaligen "Chirurgen " durchgeführt wurden. Durch einen sensationellen Fund auf einem ausgedehnten Gräberfeld im Steinbruch Katzfey „Auf dem Pützberg", den Münstereifels bewährter Bodenpfleger Toni Hürten vor wenigen Tagen machte, scheint erwiesen zu sein, daß Oeffnungen der Schädeldecke auch bei den in unserer Heimat um 706 n. Chr. ansässigen fränkischen Bewohnern bekannt waren. In einem der über 100 Gräber entdeckte er eine Schädeldecke, in die ohne jeden ZweifeI von Menschenhand eine ovalförmige, jedoch spitz zulaufende Oeffnung eingeschnitten war. Merkwürdiger noch ist die Tatsache, daß unter diesem Loch In der Schädeldecke ein Ohrring lag, dessen Gegenstück genau an jener Stelle gefunden wurde, wo er zu Lebzeiten der Verstorbenen gehangen hatte. Vielerlei Deutungen sind möglich, naheliegend ist jedoch nur die eine, daß die fränkische Patientin dem operierenden Arzt unter den Händen starb, worauf man sie beisetzte und ihr den Ohrring an dieser ungewöhnlichen Stelle mit ins Grab gegeben bat.



Schon vor fünf Jahren wurden von Toni Hürten durch die Aufmerksamkeit des Steinbruchbesitzers Katzvey Skelette in Gräbern freigelegt, die in den Kalkstein eingearbeitet waren. Die Grabstätten waren meist gut erhalten, teilweise konnte an verrosteten Nägeln und verfärbter Erdschicht das Vorhandensein von Särgen nachgewiesen worden. Schon damals fiel auf, daß keinerlei Grabbeilagen zu entdecken waren. Man vermutete gleich, daß die Gräber aus karolingischer oder nachkarolingischer Zeit stammen mußten. Beigaben waren nur in der Zeit vor Karl dem Großen üblich.

In den damals entdeckten rund 100 Gräbern war schon eine gewisse Ordnung festzustellen; alle fränkischen Toten wurden nach einem bestimmten, himmelsrichtungsmäßig ausgerichteten System beerdigt. Es gab übrigens schon Kinder- und Familiengräber. Leider sind sämtliche Grabstätten durch die Steinbrucharbeiten mittlerweile verschwunden. Einziger Fund war der Rest eines Messers. das links im Gürtel getragen worden ist.


Toni Hürten (Münstereifel) vor einem der zahlreichen, von ihm freigelegten Frankengräber bei Iversheim.

Oben: Reichhaltiger Schmuck wurde in den zuletzt freigelegten zwölf Gräbern geborgen: Eine Halskette, zwei Ohrringe und ein geschliffener Glassplitter, der aus dem kulturgeschichtlich ungemein wertvollen Goldschmuck (unten) stammt.


Das Ausrufezeichen

Vor einigen Wochen nun fanden Arbeiter beim Steinbrechen einen Spinnwirtel und einen Bronzering. Ein in Siegburg wohnender Sohn des Steinbruchbesitzers Katzfey horte sofort den zuständigen Bodenpfleger Toni Hürten zum Fundort. Er fand am gleichen Tag noch ein Grab mit Beigaben, eine weitere Spinnwirtel und zwei ziselierte Bronzeplättchen, die wahrscheinlich von einer Fußbekleidung stammen.

Von da ab war Toni Hürten bei jedem Wetter auf dem Gräberfeld zu finden. Was er in dieser Zeit allein an körperlicher Arbeit geleistet hat, ist erstaunlich. Ein Eisenbahnwaggon würde kaum reichen, die Steine abzutransportieren, die er mit der Hand aus der Erde holte, um nur ja nichts zu beschädigen.



Aber die Mühe lohnte sich. Bis Dienstag, als Techniker des Bonner Landesmuseums das Gelände aufmaßen, hatte Toni Hürten bereits zwölf Gräber genauestens untersucht. Dabei gelang ihm der eindeutige Nachweis, daß das Gäberfeld aus fränkischer Zeit, also etwa um 700, die früher gefundenen Gräber jedoch aus der Zeit Karls des Großen stammen.


Was birgt der Boden noch ?

Alle Grabstätten haben mit nur geringen Abweichungen Ost-West-Richtung. Es ist eine typische Gepflogenheit unserer fränkischen Vorfahren, die Toten mit dem Gesicht zum Sonnenaufgang hin zu bestatten. Die Arbeiten [...]*)

[...] ten übrigens den interessantesten Fund seines Lebens: Eine der beiden trug eine Kette aus bunten Tonperlen, die zweite ein Bronzekettchen mit Bronzeringen, an dem ein Anhängsel, relativ gut erhalten, befestigt war: Eine sehr eine, etwa zwei Zentimeter lange Goldschmiedearbeit, in die tadellos geschliffene Glasscherbchen eingelassen sind. Leider wird von all diesen wertvollen Funden das Münstereifeler Heimatmuseum kaum etwas bekommen, da sie alle zum Landesmuseum nach Bonn gehen.

Eine Bitte an alle

Es wäre nun durchaus verständlich, wenn sich nunmehr viele an der Geschichte unserer Menschen zum Steinbruch auf dem Pützberg aufmachten, um sich auf eigene Faust als Archäologen zu betätigen. Niemand sollte sich jedoch in dem Wahn wiegen, dort Reichtümer erben zu können. Auch der erwähnte Goldschmuck hat nur einen Geldeswert von einigen Groschen. Für den Wissenschaftler ist viel wichtiger, zu wissen, wo und in welcher umgebenden Schicht der Fund gemacht worden ist. Unerfahrene Hände könnten zudem auf dem Pützberg einen nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichten.

Deshalb die Bitte: Nichts ohne den Bodenpfleger unternehmen. Und Wißbegierigen sei an dieser Stelle versprochen: Sollte Toni Hürten neue, wichtige Funde machen, werden sie in der (R) sofort beschrieben.

*) Fehlende Passage in der Vorlage; Ergänzungen erbeten.



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