Euskirchener bestaunten Zug wie ein Weltwunder
Kölnische Rundschau vom 6. September 1974




Vor 100 Jahren fuhr von Euskirchen die erste Eisenbahn nach Düren
von Carl Brandt




Aus den Anfängen des Euskirchener Bahnhofsgebäudes stammt das obige Bild, wir vermuten fast, daß der Tag der Eröffnung auf die Platte gebannt wurde; denn die Personen tragen alle Festtagskleidung, die Bahnbediensteten die besten Uniformen, die Männer in Zivil und Gehrock und die beiden Frauen lange schwarze Kleider. Links im Bilde, vor der Wand der ersten Häuser in der Bahnhofstraße, hebt sich ein uniformierter Mann ab, der in der rechten Hand einen Gegenstand schwenkt und auf deinem kleinen Dach sitzt, unter dem eine Glocke hängt. Dieser Mann war das Lööschtemännchen des Bahnhofs, Peter Brenig, der älteste Sohn des Metzgermeisters Karl Brenig. Er mußte die Petroleumlampen auf dem Bahnhofsgelände und an den Weichen an- und ausmachen, putzen und pflegen. Die Glocke unter seinem Sitz wurde kräftig geschwungen, wenn ein Zug einlief, um die Reisenden auf die Abfahrt aufmerksam zu machen. (R) - Archiv




E u s k i r c h e n. Am 6. Oktober dieses Jahres jährt sich zum hundertsten Male der Tag, der für die Entwicklung der Stadt Euskirchen von evident wichtiger Bedeutung wurde. In den sonnigen Morgenstunden des 6. Oktobers 1864 dampfte die Lokomotive "Roer" mit sieben Personenwagen zum erstenmal aus dem Bahnhof Euskirchen nach Düren und übergab damit die im Jahre 1862 von der Rheinischen Eisenbahngesellschaft begonnene Strecke dem öffentlichen Verkehr. Euskirchen hatte den seit Jahren von einsichtigen und weitsichtigen Männern dringend geforderten Anschluß an das rheinische Eisenbahnnetz gefunden, es hatte aufgehört, ein Landstädchen abseits des Verkehrs zu sein. Die Grundlage für den Knotenpunkt von fünf zusammengelaufenen Eisenbahnstrecken wurde gelegt, aber auch der Grundstein für Euskirchens aufstrebende wirtschaftliche Entwicklung.




Erinnern wir uns, daß es vor 1835 überhaupt noch keine Eisenbahn in Deutschland gab. Die erste Dampfeisenbahn war die am 7. Dezember 1835 in Betrieb genommene kurze Bahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth. Die erste Eisenbahn in Westdeutschland war die Strecke Köln - Düren - Aachen - HerbesthaI, deren Bau 1843 vollendet wurde.

Die Inbetriebnahme dieser Eisenbahnlinie war Anlaß, daß ein heftiges Tauziehung um die Erschließung weiterer Eisenbahnstrecken begann.

Zunächst war eine Strecke projektiert, um das damals noch bedeutsame Schleidener Eisen und das Mechernicher Bleierzgebiet in Düren an die Strecke Köln Aachen anzuschließen. Von Düren sollte die Linie über Zülpich Nemmenich - Enzen - Kommern - Kall - Gemünd nach SchIeiden führen.

Nach Karl Leopolds Geschichte und Kultur der Eifel" kam es zwar 1845 zu einer Vermessung der Strecke Düren - Kommern. Die Regierung stand dem Vorhaben, das sich auf die Führung der Bahn über Stadtkyll nach Trier erweiterte, mit besonderer Teilnahme gegenüber. Aber es blieb bei dem Plan, auf dessen Ausführung auch die Revolution von 1848 nachteilig einwirkte. Ein Düren-Schleidener Ausschuß bewirkte endlich 1853 die Erteilung der Konzession. Das englische Unternehmen George Burge übernahm den Bau mit einheimischer Beteiligung, ließ ihn aber bei Ausbruch des Krim-Krieges (1853) im Stich. 1856 übernahm die rheinische Eisenbahngesellschaft die Konzession, nachdem Eifeler Industrielle Zinsgewähr für den Baubetrag unter der Voraussetzung versprachen, daß ein Teil der Bahn 1858 befahrbar und der Rest vor März 1862 fertig werde.

1857 aber wurden die Arbeiten eingestellt; denn die Rheinische Eisenbahngesellschaft schob nun den Plan einer Linie von Düren nach Trier über Euskirchen und Kall, das an die Stelle von Schleiden treten sollte, in den Vordergrund, weil die Fortführung der Bahn von Schleiden auf große Geländeschwierigkeiten stoße und zudem länger sei.




Streit um die Linienführung

In dem heftigen Streit um die Linienführung, der auch im Rheinischen und Preußischen Landtag zu erregten Auseinandersetzungen führte, bei denen die Regierung sich auf die Seite der Beschwerdeführer stellte, siegte schließlich die Rheinische Eisenbahngesellschaft. Die Entscheidung, die Linie Düren - Euskirchen an Stelle der Linie Düren - SchIeiden zu bauen, mag auch darin begründet gewesen sein, daß damals auch schon der Ausbau der Strecke Köln-Trier (1875) geplant war, dem später der der Linien Euskirchen - Bonn (1880) und Euskirchen - Münstereifel (1890) folgte.

Die Entscheidung der Rheinischen Eisenbahngesellschaft war die Geburtsstunde der Stadt Euskirchen als Eisenbahnknotenpunkt, sie schuf auch die Grundtage für ihre wirtschaftliche Entwicklung.

Zehn Jahre lang hatte sich die Stadt Euskirchen bemüht, an eine der geplanten Eisenbahnlinien angeschlossen zu werden. Den damaligen Euskirchener Stadtvätern unter Führung des tatkräftigen und volkstümlichen Bürgermeisters Pelter Joseph Ruhr schmeckte es durchaus nicht, nach Enzen zu Fuß gehen oder mit dem Pferdefuhrwerk fahren zu müssen, um den nächstgelegenen Bahnhof zu erreichen. Verbissen kämpften sie darum, die Linie von Düren über Euskirchen nach KalI zu führen.

Für den AnschIuß der Stadt Euskirchen an das Eisenbahnnetz waren sie bereit, große finanzielle Opfer zu bringen. Am 24. November 1862 schloß die Rheinische Eisenbahngesellschaft einen Vertrag mit der Stadt Euskirchen, nachdem die Stadt auf dem Pützberg ein Gelände von zwölf Morgen für die Bahnhofsanlagen kostenlos zur Verfügung stellen sollte, außerdem verpflichtete sie sich, noch 10000 Taler zu zahlen.

Bürgermeister Peter Josef Ruhr setzte sich tatkräftig für den Anschluß Euskirchens an die Eisenbahn ein.
Foto: Carl Horn




Der Bau der Eisenbahnstrecke Düren - Euskirchen schritt schnell voran, der Bau des Bahnhofsgebäudes machte gute Fortschritte, so daß es am 6. Oktober 1864 mit dem ersten Zug nach Düren in Betrieb genommen werden konnte. Die Eröffnung der neuen Bahnlinie sowie des neuen Bahnhofsgebäudes war ein großer Festtag für die rund 4000 Euskirchener. Der größte Teil der Bürger sah zum ersten Male einen Zug, der von einer Dampflokomotive in Bewegung gesetzt wurde und betrachtete das neue Verkehrsmittel wie ein Weltwunder.

Nachdem die neue Bahn vom 6. Oktober bis Ende des Monats nach einem vorIäufigen Plan verkehrt hatte, trat am 1. November 1864 ein FahrpIan in Kraft, der die Fahrzeiten von Euskirchen aus unter Berücksichtigung der Anschlüsse nach Belgien, Frankreich, England und Süddeutschland festsetzte. Aus diesem Fahrplan war merkwürdigerweise zu ersehen, wann die Euskirchener über Düren - Aachen in Lüttich, BrüsseI, Antwerpen, Ostende, Paris, Calais, London oder über Düren - Köln in Bingen, Frankfurt a. M., Straßburg, München und Wien sein konnten, aber nicht, wie die Fahrgelegenheiten nach Essen, Hannover und Berlin waren. Nach Düren verkehrten täglich vier Züge hin und zurück, die Fahrzeit betrug 50 Minuten. Die Fahrt nach Köln über Düren nahm bei der günstigsten Verbindung zwei Stunden, bei der ungünstigsten zwei Stunden und vierzig Minuten in Anspruch.




Ein Bild des Grauens und der Vernichtung bot der Bahnhof zu Ende des letzten Krieges.

Die Postkutsche von Euskirchen nach Köln fuhr auch noch weiter. Ängstliche Gemüter zogen es vor, sich über die rumpeligen Straßen mit dem Pferdefuhrwerk fahren zu lassen. Die Post fuhr bis Brühl, wo man in die Bahn, die bereits zwischen Köln und Bonn verkehrte, umsteigen konnte. Die Gemeindeväter von EIsig sprachen sich damals, als die Eisenbahn Düren - Euskirchen noch im Bau war und man ihnen sogar einen Bahnhof anbot, gegen dieses Projekt aus. Darum müssen ihre Kindeskinder heute noch zu Fuß laufen, wenn sie mit der Bahn fahren wollen.

Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Beratungen der Kreisstände über die Frage, ob der Kreis Euskirchen in der Lage sei, 70.000 Reichstaler für Grundstücksentschädigungen der Eisenbahnstrecke Köln - Trier bereitzustellen. Dabei erstellten die Bürgermeister folgendes Gutachten:




Die Stadtverordneten-Versammlungen von Euskirchen und Zülpich sowie die Vertreter der Bürgermeisterei Wachendorf stimmten unter gewissen Vorbehalten zu, die von Kommern befürchten, daß die Bahn durch das Veybachtal angelegt werde und dann mehr schädlich als nützlich sein würde.

Die Lechenicher sprechen von einem geringen Nutzen, Frauenberg verrät nur wenig Interesse, desgleichen Lommersum. Von Weilerswist sprechen sich drei Stimmen für und fünf gegen den Vorschlag aus.

Dagegen bekennen sich Wichterich und Satzvey zu einem unbedingten Nutzen. Die Abstimmung ergab drei Stimmen für das Projekt und ebensoviel dagegen.

Wieder einen Verkehrsknotenpunkt bildet Euskirchen heute mit seinem modernen Bahnhof.




Nach der Eröffnung des Euskirchener Bahnhofes zeigte sich bald, daß er auch den Verkehr aus dem Innern der Stadt nach sich zog und daß die bis dahin geschäftlich bedeutungslose Neustraße den alten Geschäftsstraßen im Westen der Stadt den Rang ablaufen werde. Der geschäftliche Schwerpunkt verlagerte sich von den um den Alten Markt gruppierten Straßen, wie Hochstraße, Kapellenstraße, Vuvenstraße, Kessenicher Straße usw., in den Bereich der Neustraße. Die Umwandlung der Neustraße zur Hauptverkehrsader der Stadt ging unaufhaltsam vorwärts, weil sich der Verkehr vom neuen Bahnhof durch die Bahnhofstraße und Neustraße in das Zentrum der Stadt orientierte. Darüber wird in einem weiteren Artikel zu berichten sein.




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