Das
Müllerhandwerk in den 30er bis 70er Jahren
Beschreibung eines Mühlenbetriebes
vor und nach dem Krieg
Serie - Alte Berufe
Die Förderung der
Kleingewerbetreibenden brachte eine Menge Kleinbetriebe im
landwirtschaftlichen und gewerblichen Sektor. Nationalsozialismus und
Kriegswirren bedingten einen Parteieintritt für angehende
Müllermeister.
Die Mehlmüllerei
umfaßte einen Mahlgang für Weizen- und Roggenmehl mit
mehrmaligem Durchlauf und / oder in Kombination mit Walzenstuhl und
Sichter, sowie einen Mahlgang für Roggenschrot, der um 1960
durch eine Schrotmühle ersetzt wurde. Eine Getreide- und
Futtermittelmüllerei für die Herstellung von
Mischfutter für Schweine, Kühe und Hühner war neben
einem kleinen Landhandel mit Fertigfuttermitteln eine weitere
Erwerbsgrundlage. Später wurde der Betrieb um eine
Saatgutreinigungs- und -beizanlage erweitert, die in den 70er
Jahren den Haupterwerbszweig darstellte, als die Mehlmüllerei
bereits eingestellt war. Obwohl die Mühle an der Erft gelegen
war, verfügte sie nicht über Wasserkraft.
Bis in
die 50er Jahre wurde nebenbei noch Brennholz auf einer Kreissäge
im Lohnverfahren geschnitten, vor dem Kriege bestand eine
Kleinlandwirtschaft mit Deutz-Traktor, als der Betrieb noch
von 2 Brüdern betrieben wurde, im Straßenbau wurde
vorübergehend in den 20er und 30er Jahren Sand gefahren,
es gab vor und während des Krieges eine Milchkuh, Hühner,
später eine Schweinemast mit etwa 30 Schweinen bis 1970,
zeitweise wurden 100 Masthähnchen gehalten. Mit dem
Aufkommen der Reithöfe wurde die Haferquetscherei zu
einem weiteren Standbein des Mühlenbetriebes. In geringem Maße
wurden Pflanzenschutzmittel und Keimhemmungsmittel für Kartoffel
- Einkellerung verkauft.
Die 3 Bilder zeigen Aufnahmen aus
den frühen 50er Jahren, als die Mühle ihren
wirtschaftlichen Höhepunkt hatte.
Seinerzeit waren dort
beschäftigt
Mathias Klein, Müllermeister
Josef Maus,
Müllermeister
Adolf Veith, Arbeiter
Willi Geuer,
Geselle
Toni-Günther Ruroth, Lehrling
Christoph Klein,
Arbeiter
Im 4-Kinder Haushalt wurde teilweise eine
Haushaltshilfe, bzw. eine Nichte als Kindermädchen
beschäftigt, öfters half eine Tante aus, denn es wurde ja
noch eingemacht und geschlachtet, wie es sich gehört,
insbesondere zur Kirmes und zum katholischen Namenstag.
Namen wie
Heinrich, Christoph, Mathias, Maria, Johanna, Helene, Elisabeth,
Margret kamen in mehreren Generationen jeweils vor.
Jedes Jahr
kam ein oder zweimal die Schneiderin ins Haus. Zu besonderen Festen
wie Hochzeiten kamen extra Köchinnen. An kirchlichen Festtagen,
sowie zur Kirmes wurden die Fenster mit Fahnen geschmückt,
zu Fronleichnam das doppelflügige Wohnzimmerfenster mit
Blumen, Figuren und Bildern versehen, davor eine Stellage mit allen
verfügbaren Blumen aufgestellt.
Besondere Beziehungen
gab es zum Schmied, zum Bäcker, zum Lebensmittelgeschäft,
zum Bauern fürs Milchholen und zur Post. Die Kirche spielte eine
hohe Rolle im Sozialgefüge der Familie, so stellte die Familie
in 2 Generationen den Küster.
Der alte Schumacher im Ort
arbeitete solange er konnte in seiner Werkstatt, die fast den
Anschein einer Museumswerkstatt hatte, später holte ein Schuster
auf Anforderung die Schuhe per Auto ab.
Einen Stellmacher gab
es auch, der ab und zu bemüht wurde, aber die Hauptholzarbeiten
in einer Mühle verrichtete ein Mühlenbauer, der die
Maschinen aufbaute und die notwendigen Kastenrohre und Voratsbehälter
aus Holz erstellte. (Abb1)
Mathias
Klein aus Euskirchen - Kreuzweingarten vor seinem Walzenstuhl:
Zwischen zwei geriffelten
Eisenwalzen wurde der Schrot und später der Grieß
zerkleinert. Die Walzen ließen sich nach Bedarf enger oder
weiter aneinander einstellen. Hier war Berufserfahrung und
technisches Geschick erforderlich; denn standen die Walzen zu eng,
blieben sie stehen und der Riemen sprang ab, standen die Walzen zu
weit, fand kein Zerkleinerungsprozeß statt. Die 2 schräg
verlaufenden Rohre und der konisch zulaufende Trichter führen
vom Voratsbehälter aus dem 1. Stock zum Walzenstuhlaufbau. Gut
läßt sich in der Mitte der Schieber zum Verriegeln des
Zulaufes erkennen. Das linke Holzgestell ist ein selbstgefertigter
Antriebsschutz, der sich im Falle eines abspringenden Flachriemens
schnell entfernen ließ.
Das Getreide oder Mehl wurde
durch sogenannte Elevatoren nach oben befördert,
durchlief die einzelnen Maschinen oder Vorratsbehälter und wurde
schließlich zum Absacken wieder per Elevator in eine
Mischmaschine gefüllt. Eine Mischung des Mehls war für eine
gleichbleibende Qualität erforderlich, den das Mehl des ersten
Durchganges war heller als jenes des letzten Durchganges.
Eine weitere Möglichkeit des
Transports in Mühlen waren Förderschnecken oder
Fördergebläse, letztere meistens in der
Futtermittelherstellung oder Getreidereinigung eingesetzt, waren
wegen ihrer Lautstärke und Staubentwicklung nicht sehr beliebt,
ebenso wie die Motten und Mehlwürmer, die oftmals zu
größeren Reinigungsarbeiten führten. Eine relativ
harmlose Plage wenn man sie beherrschte, waren die Mäuse,
die an unzugänglichen Stellen unter oder an kleineren Zwischen-
und Vorratssilos ihre Nester bauten. Zweckmäßigerweise
wurden meistens eine oder zwei Katzen gehalten, die im
Normalfalle den Einsatz von Mausefallen erübrigten.
So
ergab sich auch eine Müllerweisheit, daß es sogenannte
Mäusejahren gibt, in denen alle 7 oder paar Jahre besonders viel
Mäuse vorkommen. Viele solche Dinge wußte ein Müller
und da ein Müller ja Tag und Nacht arbeitet, was damals
in einem Dorfe ansonsten unüblich war, besaß er noch so
manches älteres Wissen oder eine besondere Fähigkeit. Und
handwerklich mußte ein Müller begabt sein, denn
abspringende oder reißende Riemen oder undichte Förderrohre
mußten unmittelbar repariert werden.
Geselle
Willi Geuer und Lehrling Toni Günther Ruhrot mit Mathias Klein
Anfang der 50er Jahre
Stolz
präsentiert Mathias Klein seinen soeben erworbenen Opel - Blitz
- Kleinlaster, der damals schon so etwas wie Wohlstand
symbolisierte.
Das Fahrzeug wurde für die Belieferung und
Abholung der verschiedensten Art eingesetzt. In der Billig -
Rheder - Tour wurden Privathaushalte und Landwirtschaftsbetriebe
mit Mehl und Fertigfutter beliefert. Von Kleinlandwirten oder
Privatpersonen, die gegen ein paar Sack Roggen oder Weizen ihren
Acker verpachtet hatten, wurde oftmals das Getreide abgeholt und in
der darauffolgenden Woche als Mehl oder Schrot zurückgeliefert.
Ebenso auf der Arloff - Kirspenich - Tour. Daneben wurden
Bäckereien in den umliegenden Ortschaften beliefert. Kleine
Ernten wurden aufgekauft. Manche Tour führte auch zum Neußer
Getreidehafen oder zum Futtermittelhersteller.
Interessant der kleine Tauschhandel, der sich nebenbei
gebildet hatte: Mehl gegen Honig, Eier, Kirschen, Kartoffeln oder
Wurst für den Privatbedarf. Während die Bauern auf das
Futter oder ihr Saatgut warteten, gab es immer wieder eine Pause für
ein kleines Verzällcher am Rande, wo auch schonmal
zum Abschluß eines guten Tages ein Dornkaat oder
Jägermeister vom Mattes oder Mättes wie man ihn
nannte, spendiert wurde.
Mit der Konkurrenz in den benachbarten Dörfern gab es relativ wenig Kontakte, aber auch keine großen Probleme. Auf jedem zweiten oder dritten Dorf war ein Müller, der seine umliegenden Dörfer belieferte. Dies hatte den Vorteil, daß mancher Kunde zwischen 2 Müllern wählen konnte. Im Dorf des anderen Müllers hatte man die wenigsten Kunden, und wenn, dann kamen diese oftmals selbst zur Mühle.
Mit dem Mühlensterben,
der Konkurrenz der Großmüllerei und der Abnahme der
Betriebe in der Landwirtschaft, aber auch kleinerer Bäckereien,
wurde die Mehlmüllerei, die in den 30er und 40er Jahren Tag und
Nacht lief, ab den 60er Jahren nur noch fallweise betrieben, bis sie
schließlich ganz aufgegeben wurde. Mit dem Rückgang der
Kleintierhaltung in Privathaushalten und Umstieg der
landwirtschaftlichen Betriebe auf Fertigfutter oder eigene
Schrotmühlen fielen nach und nach weitere Kundenkreise weg.
Eine interessante Entwicklung war, daß viele
Kleinkunden, die aus den Ostgebieten des alten Deutschlands und aus
Polen stammten, die treuesten Kunden ab den 60er Jahren waren und die
auch noch über die Zeit des damaligen Wirtschaftswunders hinaus
noch an ihren Gänsen, Ziegen und Hühnern im
Privathaushalt festhielten.
Aus der Maggelszeit
sind auch noch einige kleine Geschichten erhalten, als 'Mattes
sich für 4 Sack Mehl eine Zentralheizung in sein Haus einbauen
ließ. Einige Mehlübergaben an Juden hat es gegeben.
Kontrollen durch die Polizei auch. Mit den Hamsterern aus dem 50 km
entfernten Köln tat er sich eher schwer, was sollte er schon mit
Meißner Porzellantellern und Suppenschüsseln mit Goldrand
anfangen. Ansonsten hat sich der Mattes treu und redlich
mit seiner Schwerhörigkeit durch die Kriegszeit gefuttelt,
da man feststellte, daß er manche Befehle ab einer gewissen
Entfernung nicht mehr wahrnahm und so wurde er dann irgendwann nach
Hause geschickt.
Neben dem alten Mühlenhandwerk
starben auch ehemalige alte soziale Ordnungen und andere Handwerke,
wie die des Stellmachers, Radmachers, Mühlenbauers oder
Dorfschmiedes. Diese Berufe findet man immer weniger. Nach dem Krieg
endete und änderte sich ebenso das Bild der Dorfgemeinschaften,
die Familienzusammengehörigkeit. Statt eines Schusters
gibt es den Mister Mint im Supermarkt, statt eines Müllers gibt
es den großen städtischen oder ausländischen
Mühlenkonzern.
Heinrich Klein