Kölnische Rundschau vom 2.8.1950

Unserer Heimat größter Reichtum

Die Entwicklung der Braunkohlenindustrie ab 1910

Die Entwicklung des Braunkohlenbergbaues nach 1910 ist gekennzeichnet durch weitgehende Mechanisierung des Abraumbetriebes und der Kohleförderung. Die Grube Fortuna dehnte sich schnell aus und trieb ihren Tagebau in der früher schon eingeschlagenen südöstlichen Richtung vor. Der Abbau der Kohle von Hand verlor ständig an Bedeutung und wurde nur deswegen noch längere Jahre beibehalten, weil in der Kriegszeit nach 1914 die Versorgung mit Maschinen nicht mit der geplanten Schnelligkeit erfolgen konnte. Das Wegschaffen des etwa 20 Meter hohen Abraumes mußte dem schnell nachdrängenden Kohleabbau Schritt halten und so entstand in den wenigen Jahren zwischen 1910 und 1920

eine riesige Abraumhalde

auf dem Gebiet der Kentener Heide, wo man schon in den ersten Jahren nach 1900 mit der Aufschüttung begonnen hatte. Als die Anschüttung nach 1922 beendet wurde, ging man sofort an die Aufforstung der Halde. In der Hauptsache wurden Akazien und Weißerlen angepflanzt. Die Kulturen entwickelten sich überraschend gut, und heute nach mehr als 25 Jahren ist die Halde mit hohen Bäumen dicht bestanden und fügt sich als hervorspringender Rücken gut in das Landschaftsbild des bewaldeten Vorgebirge. Die "Fortuna-Kippe" war die erste Braunkohlenhalde des rheinischen Reviers, an der Aufforstungsversuche gemacht wurden.

Während der Abbau der Kohle in den ersten Jahrzehnten der Förderung eine sprunghafte Steigerung zeigte wich diese nach 1910 einer stetigeren, wenn auch steil aufwärtsführenden Entwicklung. Da die Feuerungstechnik weitere Fortschritte gemacht hatte, konnten die in der Nähe liegenden Fabriken, die bisher Brikett verfeuerten, nun auch die Verwendung von Rohbraunkohle für ihre Kesselanlagen gehen. Das ergab eine wesentliche Verbilligung für die Industrie und ein Ansteigen der Förderung für die Gruben. (Preisverhältnis Rohbraunkohle - Brikett auf Gewicht bezogen 1:5, aber auch geringerer Heizwert der Rohbraunkohle!) Durch das größere Volumen der Rohbraunkohle tritt bei längerem Transportweg eine erhebliche Frachtbelastung ein. (60 Prozent Wasser werden mitbefördert!) Für die Versorgung der bestehenden Industrie um Köln war der Transportweg bereits zu groß. Die Versorgung dieser Industrie mit Energie aus der Braunkohle führte zum Gedanken der

Elektrizitätserzeugung in der Nähe

der Braunkohlengruben. Nachdem Verträge mit der Stadt Köln und dem Kreis Bergheim geschlossen waren, schritt eine Aktiengesellschaft 1911 zum Bau des ersten Großkraftwerkes auf Braunkohlenbasis. Das Elektrizitätswerk, das gleich neben der Brikettfabrik Fortuna erbaut wurde, erhielt den Namen Kraftwerk Fortuna (I). Die zehn Kessel des Werkes werden mit Rohbraunkohle der Grube Fortuna geheizt, die Schlote erreichen eine Höhe von 85 Meter und sind weit bis in die Eifel und in das Bergische Land hinein zu sehen. Die anfangs installierte Leistung mußte mehrfach erhöht werden. Nach dem Weltkrieg stieg der Stromabsatz so schnell, daß das Kraftwerk den Anforderungen nicht mehr gewachsen war. Die Aktiengesellschaft Rheinische Elektrizitätswerke im Braunkohlenrevier begann darum 1921 mit dem Bau eines zweiten Kraftwerkes Fortuna II. Hohe Förderbrücken für die Heranschaffung der Kohle wurden gebaut und bald zog ein breites Netz von Hochspannungsleitungen über die Höhen des Vorgebirges. Allein das Hochspannungsnetz zur Versorgung des Kreises Bergheim ist heute über 200 Kilometer lang.

Die billige Rohbraunkohle und die Energieerzeugung regten zur

Ansiedlung verschiedener Industriezweige

im Raum um Bergheim an. Hier sind in erster Linie zu nennen das Martinswerk in Kenten (Halbfabrikate für die Aluminium-Industrie) und das Elektrometallurgische Werk Lurgie-Thermie in Ichendorf. Auch die Glashütte in Ichendorf (1907) bedient sich der billigen Rohbraunkohle. Mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren nach 1935 nahm auch der Braunkohlenbergbau noch einmal einen Aufschwung. Durch abermalige Modernisierung der Anlagen, die sich vor allem im Übergang zum Großraum-Förderwagen anstelle der Kettenbahnen zeigt, wurden die Förderziffern nochmals bedeutend erhöht, ohne daß eine wesentliche Erhöhung der Belegschaft der Werke notwendig wurde. Die Gruben fraßen sich nach 1935 noch schneller als bisher in das Waldgebiet hinein. Allgemeine technische Fortschritte steigerten die Entwicklung noch in den Jahren nach 1940.

Die Grube Fortuna baute in der Hauptsache an ihrem Südostrande ab. Die Beißelsgrube erreichte 1938 bereits im vorgetriebenen Südteil die Köln-Aachener Landstaße und verlegte dann das Schwergewicht des Abbaues am dem nördlichen Rand der Grube. Die beiden Gruben rückten schnell aufeinander zu und vereinigten sich 1947. Allein in den Jahren von 1938 bis 1947 fielen hier weit über 100 Hektar Wald der vordringenden Braunkohle zum Opfer. In letzter Zeit scheint sich der Abbau wieder verstärkt auf den Ostrand der Grube zu verlegen. Wie lange noch? Bei dem jetzigen Abbautempo dürfte die

Flözverwerfung in weniger als zehn Jahren



erreicht sein. Damit wäre jedoch der Braunkohlenbergbau im Raum um Bergheim keineswegs zu Ende!

Schon seit 1935 führt die Rheinische AG. für Braunkohlenbergbau im Raume zwischen Niederaußem - Wiedenfeld - Garsdorf umfangreiche Bohrungen auf Braunkohle durch. Das zwischen Fortuna und Oberaußem abgesunkene Flöz hebt sich bis Niederaußem so weit, daß ein Tagebau lohnend wird. (Vergleiche Flözkarte zum ersten Artikel.) Die überlagernden Abraummengen sind dort allerdings erheblich mächtiger als bei der Grube Fortuna und bestehen aus reinem Löß, im Gegensatz zum sandigen Abraum der Fortunagrube. Über Umfang und Mächtigkeit des Flözes werden zunächst keine Angaben gemacht. Aus dem begonnenen Aufschluß ist jedoch auf eine Mächtigkeit von mindestens 35 Meter zu schließen.

Die Lage der Bohrungen

deren Zahl auf mehr als 1000 gestiegen ist(!) läßt einen Schluß zu auf die Lage des Flözes und die Richtung des zu erwartenden Abbaues über Wiedenfeld und Garsdorf hinaus.

Kaum 100 Jahre sind vergangen vom Beginn des planmäßigen Braunkohlenabbaues bis auf unsere Tage. Eine beispielhafte Entwicklung hat die Braunkohlenindustrie in dieser Zeit genommen. Diese Entwicklung in kurzen Zügen darzustellen war die Aufgabe dieser Aufsatzreihe. Die vielfältigen Einwirkungen der Braunkohlenindustrie auf das Landschafts- und Siedlungsbild wie auch die Frage der Rekultivierung wurden noch nicht behandelt. Diese Fragen wie auch die besondere Entwicklung im südlichen Raum des Kreises, sollen späteren Aufsätzen vorbehalten werden.

Js.

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