Kölnische Rundschau vom 1.8.1950

Unserer Heimat größter Reichtum

Die Entwicklung der Braunkohlenindustrie ab 1880

In der Zeit zwischen 1880 und 1910 erlebte die Braunkohlenindustrie ihre erste große Blütezeit. Diese Entwicklung wurde hervorgerufen durch eine Reihe von fabrikationstechnischen, wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Faktoren. In diese Zeit fallen auch die ersten bedeutenden Veränderungen des Landschafts- und Siedlungsbildes unter dem Einfluß der Braunkohle.

Einen ersten Auftrieb erhielt der Braunkohlenbergbau durch die Erfindung der Brikettherstellung. Mit der Aufstellung der ersten Brikettpresse hatte man 1877 im südlichen Revier begonnen, diese neue Errungenschaft auszuwerten. Bald gab es keine Braunkohlengrube mehr, die nicht einen bedeutenden Teil ihrer Kohle brikettierte. Der höhere Heizwert des Braunkohlenbriketts (nur noch 15-20% Wassergehalt) brachte zunächst den Sieg der Kohle über das Holz in der Hausbrandversorgung und erhöhte Nachfrage und verstärkten Abbau. Als zudem in den 80er Jahren die Steinkohle sich stark verteuerte, gingen zunächst die beiden Zuckerfabriken in Elsdorf und Bedburg, die bis dahin Ruhrkohle verfeuert hatten, zur Benutzung der billigeren Braunkohle über. Die Braunkohle war nun reif für die Industrie geworden. Selbst die bis dahin weniger bedeutenden Gruben bei Quadrath (Beisselgrube) und bei Horrem (Fischbach) entwickelten sich außerordentlich. Beim Abbau der Kohle ging man zum Rollochbetrieb über, bei dem die in einen Kohletrichter abgehauene Kohle durch eine Loch in einen unter Tage stehenden Wagen fiel.




Beschreibung: Der Rollochbetrieb. Der Hauer schlägt die Kohle in der trichterförmigen Grube. Die "Knabben" fallen durch das am Boden des Trichters befindliche Loch in den unter Tage stehenden Wagen.

Trotz des Abbaues von Hand war damit eine Erhöhung der Förderung möglich. Der Abtransport der Kohle erfolgte ausnahmslos durch Pferdefuhrwerke. Die Lage der Gruben abseits des Verkehrs und der schlechte Zustand der Straßen, die nur mit Kies bedeckt waren, hinderten die Weiterentwicklung sehr. Eine bedeutende Gelegenheit, das Gebiet um die neuen Gruben verkehrstechnisch zu erschließen, bot sich, als die Provinzialstraße Düren-Neuß gebaut werden sollt. Die Straße war nämlich über Bergheim-Oberaußem geplant. Sie wäre damit sicher von großer Bedeutung für die Braunkohlenindustrie geworden. Unter welchen Gesichtspunkten man aber zu dieser Zeit Straßenplanungen vornahm, erhellt daraus, daß es "einflußreichen Personen" gelang, unter Hinweis auf die mit der Anlage einer Landstraße verbundene häufige Gefahr der Einquartierungen und der Landstreicherplage die Durchführung des Projekts insoweit zu vereiteln, als die Straße nicht über Oberaußem, sondern über Niederaußem angelegt wurde. Diese Straße aber hat durch ihre Lage bis in die jüngste Zeit hinein nur eine geringe Bedeutung für die Entwicklung des gesamten Gebietes gehabt, ja sie muß heute sogar der Braunkohle weichen!

Auch die Landstraße Aachen-Köln, die von Aachen über Jülich und Elsdorf durch Bergheim führt, um bei Ichendorf das Vorgebirge zu überschreiten, war wohl eine bedeutende Verkehrsader der damaligen Zeit, in sehr schlechtem Zustand. "Vorgestern hat der Kayserliche Postwagen lange darin vestgelegen, heute aber ist der Graf von Welten daselbsten zweimal mit seinem Wagen umgeschlagen ..., so schildert der damalige Postmeister von Bergheim die Zustände seinem Vorgesetzten in Düsseldorf. Solche Straßen waren natürlich wenig dazu angetan, der Braunkohle einen weiten Wirtschaftsraum zu erschließen. Man sah den unhaltbaren Zustand der Straßen auch wohl ein, allein es fehlte an der Möglichkeit hier wirklich Abhilfe zu schaffen. zur Befestigung der Straßen war Basalt dringend erforderlich, aber die fehlenden Eisenbahnstrecken ließen den Transport zu kostspielig werden. Immerhin entschloß man sich, die für den Braunkohlenabsatz wichtige Straße von Oberaußem nach Kenten wenigstens mit schwerem Steinschlag auszubauen. Damit war die erste wirklich brauchbare Verbindung der Braunkohlengruben mit der Köln-Aachener Straße geschaffen. Bald darauf folgte die Straße Oberaußem-Quadrath, die direkt an der Grube Fortuna vorbeiführte. Eine grundlegende Änderung erfuhren die Verhältnisse erst kurz vor der Jahrhundertwende durch den Bau der Eisenbahnen. Dafür waren erhebliche Gelder notwendig, und da der Staat mit dem Bau immer wieder zögerte, schritt der Kreis Bergheim 1897 selbst zum Bau einer Schmalspurbahn: Die erste Strecke lief von Horrem über Bergheim nach Bedburg. Die Beisselsgrube erhielt in Ichendorf einen Anschluß. Die erste, überaus wichtige Querverbindung zwischen den Staatsbahnstrecken Köln-Aachen und Neuß-Düren war so geschaffen.

Im Jahre 1898 kauft eine Gesellschaft unter Führung von Kommerzienrat Adolf Silverberg (dem Begründer der Bedburger Linoleumfabrik) und dem Bankhaus Sal. Oppenheim zu Köln die Grube Fortuna auf, die bis dahin im Besitz von Joh. Meul geblieben war. Bald da-
nach erfolgte der Erwerb der Beisselsgrube. Damit hatte sich das Großkapital in den Bergbau eingeschaltet. Mit Unterstützung dieser Gesellschaft konnte der Kreis Bergheim nun auch an den Bau der "Kohlenbahn" gehen, die von Bergheim über Oberaußem in Richtung Rommerskirchen führte. Nach Westen erhielt die Bahn eine Verlängerung bis Elsdorf. Die Grube Fortuna erhielt ein eigenes Anschlußgeleise. Gleich nach der Verlegung der Bahnstrecke ging man auch an den Ausbau der Straßen. Sie wurden mit einer Basaltdecke versehen und waren so dem steigenden Verkehr zunächst gewachsen. Die Gemeinde Oberaußem hatte bald das beste Straßennetz im ganzen Gebiet. Die verbesserten Verkehrswege trugen erheblich bei zu der um die Jahrhundertwende beginnenden stürmischen Entwicklung des Braunkohlenbergbaues im Raum um Bergheim.

Unter Leitung weitsichtiger Männer, unter denen an erster Stelle Adolf Silverberg genannt werden muß, trat der Braunkohlenbergbau nun in ein neues Stadium technischer und wirtschaftlicher Entwicklung ein. Neue Brikettfabriken wurden bei der Beisselsgrube und der Grube Fortuna gebaut, und die Zahl der aufgestellten Brikettpressen stieg fortgesetzt). In Fortuna bis 1903 vierzehn Pressen). 1902 führte Adolf Silverberg auf Grube Fortuna die ersten Versuche zur Einführung der maschinellen Kohlegewinnung im Grubenbetrieb durch. Der erste Kohlenkratzbagger wurde 1908 aufgestellt. Damit war ein für die gewaltige Entwicklung des gesamten rheinischen Braunkohlenbergbaues entscheidender Fortschritt gemacht.

Die Ausdehnung der Grube Fortuna war aus kleinen Anfängen zu einer bedeutenden Fläche angewachsen, die zur Hauptsache auf ehemaligem Waldboden lag. Beim Beginn des Abbaues war man zunächst in nördlicher Richtung vorgestoßen, um dann aber bald den Abbau an den südlichen Rand der Grube zu verlegen. Der Grund dafür war das Absinken des Flözes am Nordrand der Grube und die damit steigende Abraumhöhe. Die Beisselsgrube bedeckte bis 1910 eine Fläche von knapp 15 Hektar. Das gesamte Gelände dieser Grube ist ehemaliges Waldland. Die anfangs unbedeutenden Abraummengen wurden in der Nähe der Brikettfabrik und der Ortschaft Ichendorf am Anhang des Vorgebirges aufgeschüttet.




Die Braunkohle wurde früher (bei verschiedenen Gruben auch heute noch) durch eine Kettenbahn aus der Grube in die Fabrik befördert. Unser Bild zeigt den erhalten gebliebenen Teil einer solchen Bahn bei Kraftwerk Fortuna, die noch bis in die letzte Zeit zur Notversorgung diente.

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