Kölnische
Rundschau vom 10. November 1949
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- Hexenverbrennung
im Dekanat Bergheim
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- 1649 sang in Köln zuerst
die Trutz-Nachtigall
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Im Jahre 1491 wurde zu Hochkirch im
Dekanat Bergheim/Erft eine Frau als Hexe verbrannt. Es war die erste
Hinrichtung einer Hexe, die am Niederrhein nach dem Erscheinen des
Hexenhammers (ein Werk der Inquisitoren Institoris und Sprenger) vor
sich ging. Das unglückliche Wesen besagte
(berüchtigte) vor seinem Tode noch eine andere Frau. Die so
Beschuldigte wurde zu Bergheim ins Gefängnis gesetzt und dort
durch den Scharfrichter an sieben Tagen auf das schärfste
gefoltert. Über diesen Fall berichtete der Vogt Winrich zu
Bergheim am 27. September 1491 an den Bürgermeister und Rat der
Stadt Köln, am 8. Oktober an Junker Gerhard von Berg und am 11.
des gleichen Monats an den Herzog zu Jülich. Vom Junker
Gerhardt erbat sich der Vogt eine Weisung, wie er sich in dem Falle
verhalten solle. Es sein nämlich damit zu rechnen, daß
die Frau nicht mehr auf die Beine komme. Sie lasse sich eher zu Tode
peinigen, denn ein Wort zu bekennen. Weder er noch der Meister
(Scharfrichter) wüßten, was nunmehr zu tun sei. Und in
dem Bericht an den Herzog zu Jülich heißt es: Die Frau
bitte, daß man sie töte. Sie sei derart zugerichtet, dat
si balder sterft, dan sie geneist. Länger liegen lassen
könne man sie nicht. Zwar erwähnt der Vogt in keinem
seiner Bericht das Verbrechen namentlich, dessen die Frau
beschuldigt wurde, aber wir müssen aus dem Umständen
entnehmen, daß man ihr ebenfalls zauberei vorwarf.
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- Welcher Abgrund menschlicher Not
offenbart sich in der Bitte der Frau, man solle sie töten!
Ihren Namen kenne wir nicht. Wir wissen nur, daß einmal die
Mauern von Bergheim Zeugen ihres Leides und ihrer Qualen gewesen
sind. Vergebens forscht man in den Akten nach dem Schicksal der
Frau. Keine Zeile ist uns insoweit überkommen. Wie schwer haben
die Menschen jener Tage unter Vorstellungen leiden müssen, die
noch bis in das 18. Jahrhundert auf die öffentliche Meinung
Einfluß nehmen sollten. Dabei ist es der eigene Aberglaube,
das Eingefangensein in überkommenes Erzählungs- und
Gedankengut, das den Juristen der damaligen Zeit die Tatbestände
lieferte. So ist bekanntlich der Ritt durch die Luft ein Kernpunkt
im Hexenwahn. Nun kennt sowohl die römische als auch die
germanisch-nordische Mythologie die im Flug die Luft durchfahrenden
Unholde und Götter. Die Göttin Herkate der Römer
schwebte als Vorsteherin des Schattenreichs und Geisterkönigin
mit Scharen von Verstorbenen durch die Lüfte und die nordische
Freya ritt bei finsterer Nacht auf ihrem Eber zur Heiligen Walhall.
Es sitzt also der Aberglaube in den zahllosen Hexenprozessen über
sich selbst zu Gericht, ein sonderbares Schauspiel für den Grad
der Verwirrung, deren die Menschen fähig sind. Welch seltene
Menschlichkeit, Größe und Unabhängigkeit gegenüber
der öffentlichen Meinung bewies da der Jesuit Friedrich von
Spee, als er in seiner Ende der zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts
erschienenen Cautio criminalis in Form von 51 dubiis sowohl die
Grundsätze, von denen man bei den Hexenprozessen ausging, als
auch das unverantwortliche richterliche Verfahren in nackter Blöße
hinstellte. Die Menschen des 20. Jahrhunderts, die schon so
mannigfachen Diktaturen der öffentlichen Meinung gegenüber
gestanden haben und sich zum Teil noch ausgesetzt sehen, sollten für
Friedrich von Spee ein besonderes Verständnis haben. In den
Besten unserer Tage lebt der Wunsch, daß wieder Männer
von der Reinheit, Unerschrockenheit und Hilfsbereitschaft eines von
Spee aufständen, um Wahnvorstellungen und Vorurteile, welche
die menschliche Existenz antasten, auszuräumen.
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- Wenn wir Friedrichs von Spee mit
diesen Worten gedenken, so ist dies auch aus einem anderen Anlaß
begründet; erschien doch ein Jahr nach der Beendigung des
Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1649 in Köln zum
ersten Male seine Trutz-Nachtigall im Druck, jenes Werk,
das seinen seltsamen Titel deshalb trägt, weil nach den Worten
des Dichters im Vorwort das Büchlein trutz allen
Nachtigallen süß und lieblich singet. Das Werk
bringt eine Reihe von Liedern der Liebe zu Gott und Christus. Eines
der bekanntesten Lieder, das nach textlichen Änderungen
volksliedhaften Charakter annahm, ist das dem Leben und Sterben des
Heilandes gewidmete Gedicht:
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- Bei
stiller Nacht
zur ersten Wacht
ein Stimm begunn zu
klagen.
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- Das Jahr 1949 wird wohl nicht zu
Ende gehen, ohne daß von berufener Seite auf das nun
dreihundert Jahre zurückliegende Ereignis eingegangen und in
einem herausgestellt wird, daß der Dichter der
Trutz-Nachtigall jener Deutsche und Jesuit war, der sich
in seiner Cautio criminalis gegenüber aller Menschensatzung zum
ungeschriebenen Gesetz der Menschenwürde bekannte. Wir aber
knüpfen den Faden, den wir im Bergheim des Jahres 1491 beginnen
ließen, zu Ende und wollen uns im Totenmonat zu der
unbekannten, vom Scharfrichter zu Tode gequälten Frau nicht
weniger bekennen wie zu dem großen Friedrich von Spee.
-
- H.D.
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