Kölnische Rundschau vom 23. Sept. 1948

Kraftmüllerwerk in Oberaußem

Die meisten Menschen essen wie selbstverständlich ihr tägliches Brot. Sie denken selten daran, daß zur Brotherstellung große Werke nötig sind. Im Landkreis Bergheim gibt es etwa zwanzig Mühlen. Vereinzelt in romantischer Gegend angelegt, sind sie mit einer Tagesleistung von 40 bis 50 Doppelzentnern Getreide sämtlich als Kleinmühlen anzusehen. Nach dem Versagen der am Rheinstrom gelegenen Großmühlen infolge gedrosselter Auslandszufuhr und Kriegsschäden sind die Kleinmühlen unentbehrlich für die Brotversorgung geworden.

Nicht weit entfernt von den hochmodernen Turbinen des Kraftwerkes „Fortuna“ liegt in Oberaußem eine solche Kleinmühle. Als Firmenschild liegt ein alter ausgedienter Mühlstein vor dem sauber gestrichenen Tor. Herr Wintz ist der Müllermeister. Sein kräftiger Körperbau, seine gute Gesundheit lassen seine Eignung für den schweren Beruf erkennen. Mit einem Müllergesellen wird tagtäglich die schwere Arbeit getan. Obwohl moderne Fördereinrichtungen vorhanden sind, bleibt doch noch genug Muskelarbeit für die Beförderung der schweren Doppelzentnersäcke.

An einer kleinen Rampe werden die ankommenden Getreidesäcke abgeladen und zum Aufzug gebracht. Mit einem Ruck sind sie hoch und werden in Silos entleert. Diese fassen etwa 70.000 kg, aus denen man zehntausend Brote backen kann. Das Getreide stammt von den großen Äckern der Umgebung. Aus den Silos fließt es nach Bedarf in die Reinigungsmaschine. Sie befreit die Körner von Staub und Schmutz. Ohne daß man es sieht, rieselt fortgesetzt Flugasche auf die wachsenden Ähren nieder, die nur in der Mühle als umsonst bezahltes „Getreide“ wieder zum Vorschein kommt.

Unter der Reinigungsmaschine steht das Kernstück des Betriebes, das Mahlwerk. Deren sind zwei vorhanden, so daß bei etwaigen Betriebsstörungen immer ein Werk arbeiten kann. Zwei Mühlsteine von je 1,40 m Durchmesser, die beide waagerecht liegen, sind das Hauptelement. Der obere Stein wird von einer kräftigen Welle über ein Kegelradgetriebe und eine Transmission von einem 18-PS-Motor angetrieben. Diese Kraft schleudert den Mahlstein hundertmal in der Minute um die eigene Achse und zermalmt dabei das Getreide zu Mehl und Kleie. Ein Becherwerk schleppt die Schrotmasse wieder hoch, die dann durch einen Sichter gejagt und in reines Mehl und Kleie zerlegt wird.

Das große Kegelradgetriebe im Keller der Mühle arbeitet fast geräuschlos. Das Geheimnis besteht darin, daß Holzzähne des Wellrades in Stahlzähne des Treibrades eingreifen. Einige Meter davon entfernt steht eine Haferquetsche. Die Zufuhr und der Abgang des Arbeitsprodukts geschieht selbsttätig. Haupterzeugnisse dieser Müllerei sind darum Futtermittel in Form von Futtermehl und gequetschtem Hafer. Darüber hinaus werden Weizenmehl, Weizenschrot, Roggenmehl und Roggenschrot hergestellt.

In vielen anderen Mühlen sehen die Arbeiter weiß und verstaubt aus. Mehl- und Quarzstaub schädigen die Atmungsorgane, so daß Erkrankungen nicht selten sind. - Man ist erstaunt, in der Oberaußemer Kraftmühle keinen sogenannten „Mehlwurm“ zu finden. Überall an den Maschinen sind Absaugeanlagen eingebaut. Ein ganz neuer Raumexhaustor sorgt für die Reinigung der sonstigen Betriebsluft.

Wenn diese Mühle auch mit den hochmodernen Betrieben am Rhein keine Konkurrenz aufnehmen kann, wenn ihr Maschinenbauwerk auch teilweise veraltet ist, bleibt sie für die Bevölkerung im Braunkohlenbezirk doch „ihre Mühle“.

- Chr.Sch.-Rh. -

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