Kölnische
Rundschau vom 22. Juli 1948
-
-
Um
Bottenbroich wird noch gekämpft
-
-
Hochbagger
auf dem Abraum
-
Absetzer
auf bereits aufgefülltem Gelände beim Verteilen des
Abraums
Bagger und Absetzer -
Der Bagger, der eiserne
Bergmann, ist im linksrheinischen Braunkohlenrevier überall
an die Stelle des handarbeitenden Menschen getreten. Er entfernt das
Deckgebirge, den Abraum, und gewinnt im Hoch- oder
Tiefschnitt die Kohle aus den mächtigen Flözen. Wenn der
Bagger so die Erde aufreißen muß, um die dringend
benötigte Kohle freizulegen oder zu fördern, so sollte man
seinen jüngeren Bruder, den Absetzer nicht
vergessen. Diese mächtigen Maschinen mit ihren Auslegern bis zu
70 m verteilen den Abraum wieder in den ausgekohlten Abschnitten der
Tagebaue und leisten somit den wesentlichsten Teil der
Rekultivierungsarbeit. (So arbeiten beispielsweise auf dem Abraum
der Fortunagrube zwei große Absetzer und ein dritter, noch
größerer Absetzer, wird augenblicklich montiert.) Wer
etwas vom Wesen des Bergbaus versteht, sieht das Wirken des Baggers
und des Absetzers als einen geschlossenen technischen und
wirtschaftlichen Vorgang. - F -
Um
Bottenbroich wird noch gekämpft
Dieser
etwas militaristisch anmutende Titel hat eine gewisse Berechtigung:
gibt es doch die verschiedensten Auslegungen über die
Deplacierung Bottenbroichs nach Holzhausen.
Vorausschickend möchten wir bemerken, daß es
nicht angeht, wenn kleinliche Interessen eine großzügige
Planung torpedieren wollen. Wir müssen alle erkennen, daß
die Braunkohle einer der wenigen Aktivposten ist, die uns in unserem
Haushalt noch verblieben sind. Es geht auch nicht an, daß die
Umsiedler (die wenigsten sind übrigens alteingesessene Bauern,
denen eine Tradition lieber ist als ein auf der Hand liegender
Vorteil!) neben der Entschädigung, die immerhin (wie man
zugeben muß) gerechten Ansprüchen Rechnung trägt,
noch - Aktienbesitzer werden wollen. Das zu verstehen, braucht es
weniger kalkulatorischer Intelligenz, als vielmehr menschlichen
Verständnisses, im Dienste einer großzügigen
Planung! -
Daß die Rheinische
Braunkohle AG keine Schuld an der Verzögerung der
Umsiedlung trifft, wurde seitens des Bürgermeisters von Türnich
anerkannt.
Jeder Bottenbroicher ist genügend über
das Verfahren unterrichtet, um darüber Klarheit zu haben, daß
es nicht im Interesse der Gesellschaft liegt, irgendwen auf die
Straße zu setzen. Vor der Umsiedlung weiß jeder, daß
er eine Unterkunft hat!
Wir entwerfen kurz ein statistisches
Bild, um zu zeigen, daß eine Umsiedlung weniger schmerzhaft
ist, wenn man mit konkreten Dingen an das ganze Projekt herangeht -
immer unter Berücksichtigung dessen, daß wir ohne Kohle
nicht leben können: Während die Einwohnerzahl B. 1850 noch
278 Personen in 43 Häusern betrug und die Menschen sich
hauptsächlich
mit Ackerwirtschaft
beschäftigen, stieg die Einwohnerzahl 1939 auf 925
Personen in 172 Häusern. Von 231 Haushaltungen waren 176
Bergarbeiterhaushaltungen! Die Zahl der alteingesessenen Bewohner
ist also geringer. - Wenn man bedenkt, daß unter Bottenbroich
5 Millionen t wertvolle Kohle liegt, müßte man eigentlich
verstehen, daß eine Umsiedlung nur im allgemeinen Interesse
sein kann.
Eine Umsiedlung ist schon allein aus dem Grunde
notwendig, um durch den Ringsumabbau B. nicht zu einer Insel werden
zu lassen, die nur durch eine schmale Verkehrsader noch Verbindung
hält zur Außenwelt. Dazu kommt, daß
jegliches Hinterland wegfällt! Weiter wird der Abbau der
südwestlich B. anstehenden Kohle schwierig.
Die
Meinungen über die Art der Durchführung einer Umsiedlung
sind geteilt. Die Rhein. Braunkohle AG trat für
eine
Gruppenumsiedlung
ein. Danach sollen die
Einwohner Bottenbroichs in Türnich, Mödrath, Grefrath,
Habbelrath, Frechen, Bachem, Gleuel und Niederaußem
untergebracht werden, wo baureifes Land zur Verfügung stände.
Mit ein Vorteil dieser Planung wäre, daß die Bergarbeiter
nicht (wie bei der Planung Nur Holzhausen) weite Wege
gehen müßten, um an ihre Arbeitsplätze zu kommen,
sondern zu den Gruben Graf Fürstenberg und den Frechener Werken
einen kurzen Weg hätten. - Die Regierung jedoch hat sich für
eine
geschlossene Umsiedlung
nach Holzhausen
entschieden. Die Braunkohlegesellschaft hat sich nun, um weitere
Verzögerungen zu vermeiden, mit diesem Plan einverstanden
erklärt. Denn jede Verzögerung des Siedlungsprojektes ist
mit großen Betriebsschwierigkeiten verbunden. Das Interesse
der Gewerkschaft geht dahin, möglichst schnell und reibungslos
die Erstellung neuer Wohnungen zu erreichen. Unter normalen
Bedingungen wäre die Aktion bereits durchgeführt.
Das
Verständnis für die Lage der Bewohner
ist bei
der Gesellschaft vorhanden. Auf der anderen Seite darf nicht
vergessen werden, daß man keine friedensmäßigen
Wohnungen erwarten kann (wie sie die Umsiedler zum größten
Teil ja auch gar nicht hatten!), da die durch die Kriegsereignisse
bedingten Schwierigkeiten nicht außer acht gelassen werden
können. Im übrigen ist es bestimmt nicht zuviel verlangt,
wenn die, die bis dato alles behalten haben, auch einmal an
jene denken, die selbst heute noch kein Bett haben und die nicht
einen vollgültigen Ersatz für ihre verlorene Habe
erhalten!
Die Entwicklung der Umsiedlung
wurde
bei einer Verhandlung im Jahre 1938 und 1939 insofern geregelt, als
die Umsiedlung geschlossen durchgeführt wird. (Bei einer
Regierungsumfrage sollen sich 90 vH. der Einwohner B. für eine
geschlossene Siedlung in Holzhausen entschieden haben.) Weiter
sollte Holzhausen ein Musterdorf werden. Zunächst
war die Gesellschaft bestrebt, mit den einzelnen Bewohnern B. Kauf-
und Tauschverträge abzuschließen und geeignete Wohnräume
zu schaffen. 1939 verbot der Landrat in Bergheim der Gesellschaft,
persönliche Verhandlungen mit den Einwohnern B. zu
führen!
Nach dem Umbruch hatte es den Anschein, als ob
wegen kriegsbedingter Schwierigkeiten der Plan einer geschlossenen
Siedlung fallen gelassen werden müßte: im Interesse einer
schnelleren Abwicklung. Der Herr Regierungspräsident jedoch
erklärt, daß er grundsätzlich an dem alten Plan
einer geschlossenen Siedlung festhalte.
Die Trägerin
des Projektes
ist die Gemeinde Türnich. Sie hat das
gesamte Gelände in Holzhausen auf ihren Namen als Eigentum
erworben. Für Wegeherstellung, Kanalisation usw. ist Türnich
verantwortlich, während die Braunkohle die öffentlichen
Anlagen in B. bereits vergütet hat. Weiter trägt die
Braunkohle bei der Umsiedlung das Risiko der Überteuerung. (Ein
Vorteil für die Siedler, der normalerweise einem Verkäufer
nicht geboten wird!)
Wieviel Häuser sind bereits
fertig?
Während in Holzhausen sechs Häuser
stehen, sind es in Türnich und Grefrath je eins. Zehn Häuser
in Holzhausen sind im Rohbau fertig, drei Neubauten und ein Neubau
in Brüggen sind in Angriff genommen. (Man vergesse dabei nicht
die fatale Lage auf dem Baumarkt!) - Ein Teil Bottenbroichs besteht
aus der Siedlung der Leute, die in der benachbarten Grube Graf
Fürstenberg arbeiten. (50 Häuser die 1938/39 an die
Viktor-Rolff-KG verkauft wurden, werden durch die Verpflichtung der
KG in Türnich-Balkhausen wieder errichtet.) Davon sind bereits
zehn Einfamilienhäuser fertiggestellt, während vier
Doppelhäuser, achtzehn Wohn-, vier Einzel- und vier
Doppelwohnhäuser im Frühjahr auf dem Gassenfeld in
Balkhausen in Angriff genommen werden sollen. Vierzehn Häuser
der Firma Schleifenbaum sollen dazu noch aufgestellt werden.
Bemerkenswert ist,
daß die
Viktor-Rolff-KG bis heute eine verhältnismäßig große
Zahl an Wohnungen fertigstellen konnte, während in Holzhausen
trotz größter Anstrengungen seitens der Gemeinde
einerseits (als Siedlungsträgerin) sowie der Braunkohle
anderseits erst eine geringe Anzahl Wohnungen erstellt werden
konnte. Der Grund dafür ist, daß die VRKG auf zum größten
Teil aufgeschlossenem Gelände arbeiten konnte, während für
eine geschlossene Siedlung zunächst kostbare Zeit durch
Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Geländeauswahl und
durch notwendige Planungsarbeiten verlorenging.
Für den
nunmehrigen Bau ist eine
klare Entscheidung
über
die Bauart der Neubauten notwendig. Diese Entscheidung hängt
vom Regierungspräsidenten ab. Dazu kommt die Tatsache, daß
eine Materialbeschaffung sowie die Gestellung der Arbeiter
gewährleistet werden muß. Sind diese Punkte erfüllt,
so liegen dem Projekt keine Schwierigkeiten mehr im Wege.
Der
Vorschlag für den neuen Bauabschnitt fand allgemeine Billigung.
Danach führt die Rheinische Braunkohle AG in
eigener Regie und im Interesse einer gewissen Beschleunigung
zunächst (auf eigene Rechnung) das Bauvorhaben durch. Die
Interessen der Gemeinde Türnich blieben dabei voll gewahrt.
(Türnich soll in einem noch zu bestimmenden Maße
eingeschaltet bleiben.)
Fachleute sollen verschiedene
Haustypen
entwerfen, für die sich die
Umsiedler im entsprechenden Rahmen dann entscheiden können. -
Damit fällt das Gefühl der Ungewißheit, welches man
dieser ganzen Bottenbroich-Holzhausener Angelegenheit beigemessen
hat, von vornherein weg! - Wir können nur feststellen, daß
hier ein gentleman-agreement getroffen wurde, welches
nur von kurzsichtigen Menschen als kapitalistisch und
unsozial bezeichnet werden kann. - Nicht nur, daß
die wenigen für die Umsiedlung in Frage kommenden Menschen
bessere Wohnungen für schlechtere eintauschen: auch im
Hinblick auf das allgemeine Interesse und die Bedeutung für die
deutsche Wirtschaft können wir nur hoffen, daß bald
weniger diskutiert wird zwischen Bottenbroich-Holzhausen und
weitsichtiger Planung, sondern in Kürze die Bagger in
Holzhausen arbeiten - um nach einiger Zeit dem Absetzer
Platz zu machen.
- st
© Copyright
2003 wisoveg.de
Zur
Homepage