Kölnische
Rundschau vom 20. Oktober 1949
Bedeutende vorgeschichtliche Funde
T. Hürten vom Rhein. Landesmuseum entdeckte Gefäßscherben und Münzen
Münstereifel. Im Urfttal wurden soeben eine Reihe wichtiger Funde gemacht, die ein allgemeines Interesse beanspruchen dürften. Bei den ersteren handelt es sich um eine Reihe von Tonscherben, die aus der sogenannten La-Tène-Zeit stammen, die zur zweiten Hälfte der Eisenzeit gehört und etwa die letzten achthundert Jahre vor Christi Geburt umfaßt. Bei dem zweiten handelt es sich um einen ungewöhnlich großen Fund von über einhundert römischen Münzen, Scherben von Gefäßen aus der terra nigra, aus der viele, oft kunstvoll verzierte Haushaltungsgegenstände der Römer hergestellt waren, ein eiserner Ring und andere Gegenstände. Alle diese Funde wurden in einer
Kalksteinhöhle im Tal der Urft
gemacht. Die Höhle befindet sich in der oberen Hälfte einer etwa 20 Meter hohen Kalksteinwand und ist heute nur nach einer halsbrecherischen Kletterei vom oberen Rande aus zu erreichen. Während der Bombenangriffe des letzten Krieges wurde sie von den in der Nähe wohnenden Menschen als Schutzraum aufgesucht, die sich hierzu einer Holzleiter bedienten.
Die Höhle selbst, zwei kleinere befinden sich noch in unmittelbarer Nähe, ist schon seit langem bekannt, aber keiner der früheren Besucher war auf den Gedanken gekommen, hier nachzuforschen, ob Überbleibsel von früheren Besuchern in ihrem Dämmerdunkel verborgen seien. Dies blieb dem Münstereifeler Pfleger des Rheinischen Landesmuseums Toni Hürten vorbehalten, der, ausgestattet mit dem Spürsinn des echten Pflegers, mit einem bloßen Besuch und Anblick nicht zufrieden war. Er war entschlossen,
dem Rätsel,
das diese Höhle möglicherweise enthalten könnte, auf die Spur zu kommen. Wieder einmal bewies es sich, daß Neugier, allerdings gepaart mit Wissen und einer gehörigen Portion Einfühlungsvermögen, beachtliche Resultate haben kann. Langwierige und mühsame Arbeit brachten die obengenannten Funde schließlich ans Tageslicht.
Herr Haberey vom Landesmuseum, der die Fundstelle in diesen Tagen besuchte und untersuchte, datierte die ältesten Scherben als aus der La-Tène-Zeit stammend, fügte jedoch hinzu, daß eine genauere Untersuchung im Museum in Bonn noch folgen müsse. Menschen hätten allerdings in der Höhle wohl kaum gewohnt, da die Menschen der damaligen Zeit schon Hütten und sogar Häuser benutzten. Es sei vielmehr so zu verstehen, daß die Höhle nur als Unterschlupf, sei es in Zeiten der Unruhen und des Krieges oder auch bei Wetterunbilden, gedient habe.
Die Menschen der La-Tène-Zeit verfügten über eine recht hohe Kultur, bauten Häuser, benutzten Metallwerkzeuge vieler Art, webten ihre Gewänder und waren
Bauern, Hirten und Jäger.
Daß in der Höhle nur Scherben von Tongefäßen, nicht aber Werkzeuge gefunden wurden, spricht auch dafür, daß sie nur als vorübergehender Unterschlupf gedient hat, nicht aber als dauernder Wohnort benutzt wurde.
Was den Ursprung der römischen Münzen anbetrifft, so ist man auch hier zunächst nur auf Vermutungen angewiesen. Es wird angenommen, daß die Arbeiter an der römischen Wasserleitung, die ein Steinwurf weit von der Höhle verläuft, hier einer lokalen Gottheit opferten, um sich deren Schutz zu sichern. Wer diese Gottheit war, ist noch nicht bekannt, da die Höhle weder Reste eines Standbildes noch etwa eine Inschrift aus jener Zeit enthält. Man weiß aber aus ähnlichen Funden, daß zu jener Zeit
sehr viele Gottheiten oder Geister verehrt
wurden, indem man ihnen an einer Quelle, in einer Felsenspalte oder in einer Höhle Münzen oder auch andere Gegenstände von einigem Wert opferte, um sich ihres Wohlwollens zu vergewissern. Die Scherben römischer Töpfereien verraten allerdings auch, daß Römer oder römische Arbeiter die Höhle betreten haben, sicher aber auch nur, um sich vor einem Regen oder Gewitter zu schützen. Die meisten Münzen stammen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christi, aus derselben Zeit also, in der der Römerkanal mutmaßlich gebaut wurde.
Durch diesen Fund kann unter Umständen eine bisher noch bestehende Lücke in unseren Kenntnissen von dem Leben der vorgeschichtlichen Menschen geschlossen werden. Sie sind allerdings keineswegs die ältesten Funde, die bisher in unserer näheren Heimat gemacht wurden. Es sei in diesem Zusammenhang nur an die Kakushöhle bei Pesch erinnert, in der in den Jahren 1911 bis 13 neben scharf und spitz bearbeiteten Feuersteinen große Mengen von Knochen des Mammut und wollhaarigem Nashorn, von Wildpferd, Riesenhirsch, Renntier, Bison, Höhlenbären und Höhlenhyäne gefunden wurden, die der jüngeren und älteren Steinzeit angehören und daher etliche tausend Jahre älter sind als die jetzt gemachten Funde.
Zweifellos ruhen noch manche Funde längst vergangener Zeiten ihn der Erde, die aber meistens nur durch Zufall zutage gefördert werden. Die Zeiten der großen Erdbewegungen, wie sie nötig sind z.B. beim Bau von Bahnen und Straßen, Wasserleitungen und Ferngasleitungen oder auch bei der Errichtung des Westwals und bei denen notwendigerweise viele Funde gemacht wurden, sind allerdings vorüber. Dennoch gelingt es immer wieder, dank der ehrenamtlichen Tätigkeit der Heimatpfleger, das von ihnen, wie der gegenwärtige Fall beweist, von Zeit zu Zeit bedeutende Funde gemacht werden.