Kölnische
Rundschau vom 16. Sept. 1948-
-
Landstraße
im Zirkelschlag
-
-
Neue Braunkohlegrube - Landstraße
Bergheim - Niederaußem
-
Der Braunkohlentagebau kann
keine Rücksicht nehmen auf alte Grundrechte, auf geschichtliche
Wohnstätten und Verkehrsstraßen. Wo der Riesenbagger hin
muß, fällt ihm alles anheim. Der neue Tagebau Niederaußem
fordert nun als neues Opfer die alte Landstraße von Bergheim
nach Niederaußem, ein Stück der Hauptverbindung Neuß
- Dormagen - Jülich - Aachen. Vom Kilometerstein 1,4 bis 5,3
wird sie zukünftig als Durchgangsstraße ausgeschaltet.
Die neue Verkehrsstraße legt sich nun in eleganten
Kurven wie ein flankierender Zirkelschlag neben die alte Heerstraße
Napoleons. Kurz hinter Bergheim verläßt die neue Straße
die alte Linie, um dann hinter Niederaußem wieder auf den
alten Schotter zurückzubiegen. Mit einer Streckenlänge von
4,3 km wird sie 400 Meter länger als bisher. Ihr Neubau kostet
der Landwirtschaft etwa 30 Morgen gutes Ackerland, dem Bergbau aber
einige Millionen D-Mark. Die Wiedergewinnung der ausgekohlten
Tagebaue für landwirtschaftliche Nutzung ist darum für
beide ein wirtschaftliches Zukunftsproblem.
Die Festlegung
der neuen Straßenlinie erfolgte durch Sachverständige der
Bergwerksgesellschaft. Alte Querverbindungen werden nach Möglichkeit
erhalten und umgebaut. Die von Oberaußem und Büsdorf in
Niederaußem ankommenden Wege bleiben erdgleiche Kreuzungen.
Alle übrigen sind mit Brücken oder in einem Falle mit
Untertunnelung ausgeführt.
-
Die
Formgestaltung
Beim Neubau der Straße kommen alle
modernen Erkenntnisse zur Geltung. Die Fahrbahn hat auf der Strecke
von 0,0 bis 2,77 km eine Breite von 7,5 Meter, auf der weiteren
Teilstrecke von 2,77 bis 4,3 km eine Breite von 9 Meter. Neben der
Hauptfahrbahn befinden sich beiderseits Geh- und Radwege von 1,50
Meter Breite.
Maschinen und Arbeiter
Für
diese Bauaufgabe sind enorme technische Arbeitsleistungen
auszuführen. An Erde müssen 316.000 Kubikmeter mit etwa
dreiviertel Millionen Tonnen Gewicht befördert und bewegt
werden. Für die Brückenbauten wurden 2.200 Kubikmeter
Beton benötigt. Für Schalholz und anderes Bauholz sind
ebenfalls riesige Mengen verbraucht worden. Zur Schonung der
menschlichen Arbeitskraft kam ein ganzer Baumaschinenpark zum
Einsatz. Dieser sorgte mit einer Umschlageinrichtung in Niederaußem,
mit zehn Kilometer Gleis, 150 Loren, 8 Kleinlokomotiven, 2
Zweikubikmeterbaggern, 2 Betonmischern, einem Greif- und Stampfgerät
für den Kreislauf und die Verarbeitung des Materials. Der
Brikettverbrauch betrug monatlich 180 Tonnen gleich 3600 Zentner. Um
das erforderliche Betriebswasser zu beschaffen, verlegte man fünf
Kilometer an Rohrleitungen. Die Belegschaft betrug 1947
durchschnittlich 120 Mann. Darunter waren 1 Bauingenieur, 2
Bauleiter und Bauführer, einige Poliere, Lokomotivführer,
Heizer, Bauschlosser, Zimmerer, Maurer und Hilfsarbeiter. Träger
des Bauauftrages ist die Firma Rausch & Balensiefen,
Hennef/Sieg. Ohne die Materialbeschaffungsschwierigkeiten hätte
man die Zahl der Beschäftigten auf 250 steigern können.
Die Lage der Arbeiterschaft
In der
Bezahlung redet der Tarif das entscheidende Wort. Für die
Unterbringung errichtete man im Kriege eine Wohnbaracke. Im Winter
gut geheizt und mit Rundfunkempfängern ausgestattet, bot sie
den Leuten einen leidlichen Heimersatz. Für die Ernährung
sorgt erst eine Werkküche und jetzt die Gesellschaft
Fortuna-Nord. Mittags und abends gibt es Eintop und an
jedem zweiten Tag Brot und Wurst. Daneben haben die Leute
Möglichkeiten zur Selbstversorgung, die gerne ausgenutzt
werden.
Fertigstellung 1949
Seit der
Währungsreform sind die erforderlichen Baustoffe leichter zu
beschaffen. Nur die Gestaltung des Waggons geht noch zu langsam. Im
Sommer 1949 hofft man aber, den neuen Verkehrsweg der Öffentlichkeit
übergeben zu können. Die alte Landstraßenromantik
ist damit ausgeträumt. Die Kraftfahrer werden auf der glatten
Fahrebene wie auf der Rennbahn ihre Leidenschaft an Schnelligkeit
austoben. Aus der alten Landstaße ist dann eine
Verkehrsstraße geworden.
Chr. Sch.-Rh.
©
Copyright
2003 wisoveg.de
Zur
Homepage