Kölnische Rundschau vom 14. Juni 1949

„Fahrt frei“ in Horrem

Unser Ziel war diesmal der Reichsbahnhof Horrem, wo uns die Vertreter der Reichsbahn und der Bahnhofsvorsteher erwarteten. - An sich war es das fehlende Wartehäuschen auf Bahnsteig 3, das uns zu einem Besuch des Bahnhofs veranlaßte: so zu erfahren, was man tat und was noch getan werden muß, um auch hier ein einigermaßen friedensmäßiges Bild zu erhalten.
Auf alle Fragen ward uns reiche Antwort. Die Bedeutung des Bahnhofs ergibt sich aus seiner Lage an der Hauptbahnstrecke Köln - Aachen. Es halten zwar hier nicht die eiligsten aller Dampfrosse, die D-Züge. Dafür aber steigt der Reiselustige in Eilzüge und in die seit dem 15. Mai verkehrenden und sich steigender Beliebtheit erfreuenden Eiltriebwagen (Schnelltriebwagen) ein. Doch nicht nur das macht Horrem zu einem der wichtigsten Bahnhöfe in unserem Kreis. Die Lage im Braunkohlengebiet mit den Anschlüssen an die Beisselsgrube und die Horremer Brikettfabrik, Horrem als Knotenpunkt der Strecken von Bedburg, Liblar und Nörvenich: das alles läßt diesen Bahnhof doch in einem etwas anderen Lichte erscheinen, als es der normale Reisende zu betrachten gewohnt ist.

Beinahe kommen wir uns vor wie ein Ausrufer, der seine „Ware“ anbietet: denn vergessen wir nicht, Horrem als den Punkt hervorzuheben, von dem man in direkter Verbindung und ohne Umsteigen bis Osnabrück und mit den Eiltriebwagen über Aachen auch nach M.-Gladbach und Düsseldorf kommt.

Da müssen wir auch einen „wunden“ Punkt berühren, der vielleicht schon manchem Reisenden ins Auge gefallen ist: die direkte Verbindung Bergheim - Köln. - Nun, Sonderzüge werden bereits über die sogenannte „Ostschleife“ gefahren, ohne den Personenbahnhof Horrem zu berühren. - Da man aber in der Nähe der Brikettfabrik schlecht einen zweiten Bahnhof bauen kann, muß man sich vorerst damit begnügen, in Horrem umzusteigen: denn nicht jeder Reisende will weiter als Horrem.

Nun einige nüchterne Zahlen: 125 Züge der Hauptbahn berühren täglich den Bahnhof (einschließlich der Güterzüge), dazu 126 der Nebenbahn. - Insgesamt also 251 Züge, die alle irgendwie behandelt sein wollen - wie man in der Eisenbahnersprache zu sagen pflegt. - Und wie war es früher? - So um 1944? - Damals waren es 110 Züge auf der Hauptbahn und ebenso viele auf der Nebenbahn. Eine langsame und stete Aufwärtsentwicklung also, die uns kleine Schönheitsfehler vergessen läßt. Zumal es neben der Bewältigung des Reiseverkehrs noch andere dringliche Arbeiten gibt.

Da ist zum Beispiel der Groß-Königsdorfer Tunnel - - - doch halt, vergessen wir die Briketts nicht. Die Gruben bringen täglich zusammen 3000 t Briketts an 450 Wagen werden zur Zeit im Ein- und Ausgang gezählt.

Und nun zum Tunnel, der in der achtbaren Länge von 1623 m einer dauernden und kostspieligen Pflege bedarf. Es ist der älteste Tunnel Deutschlands in der sogenannten Kernbauweise. Bei Kriegsende wurde er auf einer Länge von 35 m gesprengt. Die Folge: 3000 m² Schwimmsand mußten beseitigt werden. Am Tunnel wird dauernd gearbeitet: eine Sysiphusarbeit, die den Kölner Dom zum „Vorbild“ hat. Alle 300 m sorgt ein Entlüftungsschacht für den Abzug der den Geleisen besonders zusammen mit der Feuchtigkeit schadenden Rauchschwaden und Gase. Schon vor vielen Jahren wurde der Gedanke wach, diesen Tunnel „aufzuschlitzen“, doch nahm man wegen der hohen Kosten davon Abstand.

Einiges zur Wiederaufbauarbeit innerhalb der Bahnmeisterei Horrem. - Da wurden insgesamt 14 Brücken wiederaufgebaut und 40 km Gleis wiederhergestellt bzw. neu verlegt. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, daß bei diesen Arbeiten u.a. 3 Millionen Steine, 10000 t Sand und 2000 t Zement „bewegt“ werden mußten. Es war nur ein kurzer Besuch in Horrem. Aber schon er zeigte uns, was alles getan, was alles überlegt, erdacht und - bezahlt werden muß, um einen nur mittelgroßen Bahnhof „betriebsfähig“ zu halten. - Den Reisenden darum sei gesagt: es kann nicht alles auf einmal getan werden. Den Männern an Schaltern und Hebeln, den Sperren, in den Büros und Ausbesserungswerken ein „Fahrt frei“ für ihre weitere, verantwortungsreiche Arbeit.
-nst

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