Kölnische Rundschau vom 13. September 1949

Vom Werden einer neuen Straße

Seit vielen Jahren ist es bekannt, daß die Luxemburger Straße, da wo sie die Ville überquert, sich über ergiebige Braunkohlenfelder hinzieht. Wir brauchen die Kohle mehr den je, weil zwei Drittel des deutschen Braunkohlenbergbaus jenseits des eisernen Vorhangs liegen und weil der rheinische Braunkohlenbergbau mit den Briketts für Hausbrand und Industrie, außerdem auch mit dem Strom seiner Kraftwerke, weit größere und dichter mit Menschen besetzte Gebiete zu versorgen hat als vor dem Kriege.

Das Grün zu beiden Seiten der alten Straße lichtet sich immer mehr, der Abbau der großen Flöze ist von beiden Seiten an die Straße gerückt, die sich immer mehr zu einem hoch über die Umgebung ragenden Damm entwickelt. Die Hauptmasse dieses Dammes ist ein langgestreckter Kohlepfeiler, der in absehbarer Zeit abgebaut werden muß. Ähnlich wie mit den Fassadenresten der ausgebombten Häuser der Altstadt, verschwindet damit das Letzte, was vom Wesen des alten Straßenstücks übrig geblieben ist. Auch der bodenständige Bergmann weiß, daß damit ein Teil der vertrauten, heimatlichen Vergangenheit verschwindet, und er empfindet den Verlust nicht weniger stark, auch wenn er von er klaren Notwendigkeit des Bergbaus weiß.

Er sieht aber auch die neue Straße, die im eingeebneten Tagebau südlich der alten Straße entsteht. Sie ist breiter, berücksichtigt den Fußgänger- und Radfahrerverkehr und ähnelt den Autobahnen. Als vor einigen Wochen ein Stück der alten Straße infolge der unglücklichen Lagerung eines Tonnestes einbrach und mit mächtigen Anschüttungen wiederhergestellt wurde, übernahm die neue Straße für ein paar Tage den Verkehr. Sie mußte aber dann wieder gesperrt werden, weil sonst die noch nicht mit der Betondecke versehene Packlage eines Teilstückes zerstört worden wäre. Nun ist die neue Straße bis an die Heider Brücke fertiggestellt, so daß in kürzester Zeit die langvermißte Verbindung Liblar - Brühl möglich ist.


Allerdings ist der Verkehr durch die engen Straßen des Ortes Heide nur ein Übergang.

Östlich der Heider Brücke wird eine neue Verbindungsstraße nach Brühl in südlicher Richtung abzweigen, wo im Damm der Großraumfahrt bereits die Unterführung sichtbar ist. Die Linienführung ist durch das „Himmelreich“ vorgesehen.

Von der Heider Brücke aus sind die Arbeiten an der neuen Luxemburger Straße in schnellem Fortschreiten. Die Trasse ist schon von weitem zu erkennen. Auch an der Ostseite nahe bei dem Holzhaus an der Gennerstraße, mitten im Rekultivierungsgelände der Grube Hürtherberg, rückt der Durchbruch mit den arbeitenden Baggern und den Abraumzügen voran.

Ohne den Krieg und die Zeit vor der Währungsreform wäre die neue Straße längst fertiggestellt. Aber während des forcierten Abbaus von 1940-1945 und in der Zeit der mühsamen Ankurbelung der Wirtschaft bis in das Jahr 1948 hinein, war es von den Behörden, die die Macht in Händen hatten, verboten, Arbeitskräfte der Produktion zu entziehen. Material und Maschinen wurden rücksichtslos ausgenutzt, bis jede Ersatzlieferung aufhörte und der Schaden an vielen Stellen nicht mehr gutzumachen war. Nachdem aber das Revier im Herbst 1948 die Vorkriegsleistung - allerdings mit einer gegen 1937 um mehr als 60 % erhöhten Belegschaft - erreicht hat, ist auch die Grundlage für eine schnelle Durchführung des Straßenbaus geschaffen. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß die Braunkohlenwerke ihre zu diesem Zweck vorgenommenen Rückstellungen in der Währungsreform verloren haben. Trotzdem soll jede Verzögerung vermieden werden. Auch Vermutungen über hemmende Verhandlungen wegen der Kabelführungen sind angesichts der klaren Rechtslage gegenstandslos. -

Wer aber die Rekultivierungen der Grube Hürtherberg gesehen hat, wer im alten Tagebau Gruhlwerk auf der neuen Straße gestanden hat, die Felder und den seit über 20 Jahren aufgeforsteten Wald südlich der Straße durchschritten hat, weiß, daß hier kein totes Gelände liegen geblieben ist, sondern daß hier bereits neue


lebendige Landschaft entsteht,

an deren Gestaltung auch der Kleingärtner seinen Anteil hat. - An der Euskirchener Straße liegen ganze Strecken aufgeforsteter Tagebaue, die nur noch der Kundige als ehemaliges Bergbaugebiet erkennt. So wird auch die neue Luxemburger Straße mit ihrer Umgebung ihr natürliches Gesicht gewinnen, und es sieht keineswegs danach aus, daß sich hier etwa eine eintönige Kultursteppe erstrecken würde.

Mit der neuen Straße werden rekultivierte Gebiete zugänglich, die bisher - wie viele andere Flächen im südlichen Revier - so gut wie unbekannt waren. Über die Erinnerungen hinweg schreitet das Leben weiter; in der Härte unseres Daseinskampfes läßt sich auch die geliebteste Heimat nicht wie ein historisches Museum konservieren. Ein zukunftsreiches Leben setzt voraus, daß die Wirtschaft in einem Raum, dessen Bevölkerung stark zugenommen hat und ständig weiter zunimmt, sich kräftig regen und alle Möglichkeiten der Arbeit ausnutzten kann. Auch ohne Einwirkung des Bergbaus verschwinden alte Straßen oder verlieren an Bedeutung, wie es sich im Verhältnis der alten Bonner Straße zur Köln-Bonner Autobahn bereits vor fast zwei Jahrzehnten gezeigt hat. Straßen haben ihr eigenes Gesicht und Geschick, auch das neue Teilstück der alten Römerstraße, das aus einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit entstand, wird sein eigenes Dasein haben und sich bald in die größere Landschaft einfügen.

(KR) Eigener Bericht

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