Kölnische Rundschau vom 11. Sept. 1948

Rußlandheimkehrer vor besseren Tagen

Besuch im Bedburger Kriegsversehrten- und Erholungsheim

Die Männer, die im Bedburger Schloß von der Caritas betreut werden, sind erst vor kurzer Zeit aus russischer Gefangenschaft heimgekehrt. In einem vier- bis sechswöchigen Erholungsaufenthalt sollen sie so gestärkt werden, daß sie den nach der Währungsreform noch schwieriger gewordenen Lebenskampf bestehen können.

Einige Wochen der Erholungszeit sind schon um. Man merkt den Männern den Einfluß der ruhigen Umgebung und die gute Verpflegung an. Die zuerst müden und verzweifelten Mienen hellten sich auf und die Gesichter bekommen wieder eine gesunde Farbe. Die bösen Zeichen der Oedeme gehen zurück.

Der Tagesablauf im Heim wird von der behutsamen Hand eines erfahrenen Menschenkenners geleitet. Spaziergänge, Lesestunden, Übungen im Beruf, Ausspracheabende, Filmveranstaltungen in der Stadt und viel Freizeit. Ein Radio ist sehnlicher Wunsch der Heimkehrer. Zeitungen, Bücher und sonstiger Lesestoff sorgen für die geistige Kost.

In der Unterhaltung mit ihnen fallen immer wieder abfällige Äußerungen über das schlechte Essen in Rußland. Der guten Verpflegung und Betreuung in Bedburg wird viel Lob gezollt. Wenn man sie nach ihren Plänen für die Zukunft fragt, weiß kaum einer eine Antwort.

Einige Einzelschicksale

J. D. aus Blatzheim, 31 Jahre, wurde 1937 zur aktiven Dienstzeit einberufen. Ob Nord, Süd, Ost oder West, an allen Fronten ist er gewesen. Im Frühjahr 1945 geriet er in Gefangenschaft. Im Raume Wjasma und Smolensk hat er im Sägewerk, Bahnhofsaufbau, Kahlschlag, im Waldkommando und in der Kolchose arbeiten müssen. Es wurde ihm nichts geschenkt, er litt an Phlegmone und mußte operiert werden.

In den elf Jahren seiner Abwesenheit verlor er die Eltern. Er steht heute einsam und allein, da sein einziger Bruder vermißt wird. Er hat Aussichten, in der Braunkohlenindustrie unterzukommen.

Der 23jährige Dreher W. W. aus Rosenberg O.-Schlesien geriet in die Schlacht um Brünn April 1945 in Gefangenschaft. Nach mehreren Durchgangslagern kam er nach Iwanowo, östlich von Moskau ins Torflagen. Dort fing der Dienst um 2 Uhr nachts an. Die schwere körperliche Arbeit hielten wenige aus. Die Verpflegung war sehr schlecht.

Als Spezialist kam er dann in die Stoffabrik nach Iwanowo. Später wurde er bei Kaluga in einem Steinbruch abkommandiert. In den ersten Monaten mußten die Gefangenen im Freien wohnen und schlafen, bis sie die Erlaubnis erhielten, selbst eine Hütte zu bauen. Da er nicht in seine Heimat zurückkehren durfte, hat ein Kamerad ihn mit ins Rheinland gebracht. Seine Eltern sollen noch in Schlesien wohnen.


Auch der Leiter war in Gefangenschaft

Der Leiter des Heimes, Direktor Leonhardt, ist selbst in russischer Gefangenschaft gewesen. Er erzählt folgendes: „Als Geistlicher wurde ich von den Russen nicht anders behandelt wie jeder andere deutsche Soldat. Die Sowjets wußten, daß ich katholischer Priester war. Ich bat sofort im Gefangenenlager um Erlaubnis, eine hl. Messe feiern zu dürfen, die ich auch für jeden arbeitsfreien Sonntag erhielt. Das war allerdings nur 1-2 mal im Monat. Predigterlaubnis bekam ich auch. Anfangs mußte ich den Wortlaut in deutscher und russischer Sprache vorlegen. In einem zweiten Lager wurde das nicht mehr verlangt. Diese Gottesdienste waren meine und der mitgefangenen Katholiken schönste Freude. Unsere größte Belastung war es, daß wir nicht wie kriegsgefangene Soldaten behandelt wurden, sondern wie Verbrecher. Alle schwere körperliche Arbeit und auch der Hunger wäre erträglicher gewesen, wenn nicht Verachtung und für manchen russischen Offizieren auch Haß für jede Maßnahme im Lager bestimmend gewesen wäre. So kam es oft zu großen und kleinen Schikanen.“

Erholungsbedürftige Heimkehrer finden Aufnahme im Bedburger Kriegsversehrtenheim. Die Hauptfürsorgestelle, das Sozialministerium in Düsseldorf, der Caritasverband Köln, das Kreiswohlfahrtsamt, sowie die Direktion und Geschäftsführung des Heims geben im Einzelfalle Auskunft.

wg.

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