Kölnische Rundschau - Beilage Nr. 10, Oktober 1949



Ein schwerer Tag in der Geschichte Bedburgs

Von Georg Vetten (Kenten)

Im 17. Jh. war es im Erftland sehr unruhig. Überall trieben sich Kriegsvölker herum. Sie hielten mit ihren Grausamkeiten unsere Vorfahren in Angst und Schrecken. Heute waren es hessisch-weimarische Truppen und über's Jahr französische Söldner, die an den verzweigten Erftläufen vorbeizogen und in den Dörfern und Weilern sengten und mordeten. Hinter Bedburgs Mauern stand man wehrbereit; seine Bewohner richteten sich auf eine Belagerung ein.

Der alte Pfarrort Kirdorf, nicht allzuweit vor den Toren Bedburgs gelegen, ging im Jahre 1645 in Flammen auf. Hessen und Schweden hatten diese Schandtat auf dem Gewissen. Großes Elend herrschte in der kleinen Gemeinde. Viele Obdachlose suchten und fanden auch mitleidige Bürger in Bedburg, die ihnen um Gotteslohn Unterkunft gewährten. Freilich, in dem Städtchen war man auch nicht mehr allzusehr mit Gütern gesegnet. Waren es doch kaum drei Jahre her, daß die hessisch-weimarischen Söldner sich für kurze Zeit der Stadt bemächtigen konnten. Die vorübergehend Besetzung genügte, um viele Menschen an den Bettelstab zu bringen und das Gotteshaus vollständig zu zerstören.

Nach der Kirdorfer Katastrophe kamen auch die Dörfler von der Buchholzerhöhe und erbaten sich für den Notfall Schutz und Sicherheit innerhalb der Festungsmauern von Bedburg. Nie verstummten die Klagen von räuberischen Überfällen rings um die burgbewehrte Erftfeste. Bald waren es Einwohner von Geddenberg und Muches, bald die von Oberschlag, die mit einer Hiobsbotschaft zum Stadtobristen kamen. Es war schmerzlich für diese Menschen, die sonst weltabgeschieden in den Weilern am Fuße der Villenausläufe wohnten, daß ein herbes Geschick sie zwischen die Festungen Kaster und Bedburg eingeschlossen hatte. Hier dröhnte der Boden unter dem Tritt des vielen Kriegsvolkes, das sich bei einer erlittenen Niederlage stets in den Schutz des hügeligen Geländes zurückzog und dabei die bestellten Äcker, die saftigen Wiesen und den schönen Wald verwüstete.

Viele Jahrzehnte war es in der Gegend, in der die beiden Erftfesten so dicht beieinander lagen, nicht mehr Friede geworden. Doch immer wieder vertraute man der Mutter Erde wieder das Samenkorn an und hoffte mit Gottes Hilfe im nächsten Jahr ohne fremde „Helfer“ ernten zu können. Armes Volk an der Erft! Gerade in dem Augenblick, wo du aufzuatmen und zu hoffen wagtest, streckte das Schicksal schon wieder seine unerbitterliche Hand nach dir aus.

Vom Lipper Kirchturm, der einen Blick über die Mauern in Bedburgs Straßen gewährte, klang feierliches Geläute. Das Pfarrpatrozinium war angebrochen. St. Ursula wurde von den Bewohnern der ganzen Umgebung sehr verehrt. Am 21. Oktober 1673 fehlten aber viele, die sonst altem Brauch gemäß nach Lipp pilgerten. Auch von Kaster, das früher in der Ursulakirche eingepfarrt war, erschien keine Menschenseele. Nicht minder von Bedburg, von wo man für gewöhnlich in hellen Scharen zum Fest in die benachbarte Gemeinde zog, fehlten die Beter. Neugierig forschte man noch in der selben Stunde nach dem Grund und fand, daß man in Kaster wie auch in Bedburg die Tore geschlossen hielt. Der 21. Oktober verlief jedoch ruhig.

Ein milder Herbstabend senkte sich über die Fluren und ließ mählich die Landschaft grau in grau erscheinen. Warmes Licht schimmerte durch das Bunt der Fenster im Ursulakirchlein. Der Priester sang die Festkomplet ... „Der Herr verleih uns eine ruhige Nacht ...“ Auf Bedburgs Mauern hörte man den Schritt der ersten Nachtwache. Stunde um Stunde verkündete der Türmer. Die zehnte Stunde wurde an diesem Abend aber nicht mehr angezeigt. Um diese Zeit läutete vom Lambertusturm in Bedburg die Sturmglocke. Von allen Seiten stürmten Feinde auf Bedburg zu. Holländische und spanische Truppen waren es, vor denen die Dörfler die Wohnungen verrammelten, die durch ihr wildes Geschrei alles erzittern ließen. Angstrufe, Flüche und Verwünschungen, Hundebellen und Pferdewiehern vermischte sich zu einer schaurigen Melodie, deren Ton sich mit jeder Minute stärker in der befestigten Stadt vernehmen ließ. Als die Mitternachtsstunde anbrach, stand der Feind bereits vor den Wällen.

Im Morgengrauen des 22. Oktober 1673 gingen die feindlichen Söldner gegen die Mauern vor. Sturmleitern wurden angesetzt. Trotz heftiger Gegenwehr war das schöne Bedburg dem Untergang geweiht. Die Feinde waren zu viele. Wurden zehn vom Mauerkranz hinabgestoßen, stand die doppelte Zahl Stürmender zu neuem Angriff bereit. Um die Mittagszeit war es am blutgetränktem Kölner Tor schon still geworden. Heftig wurde um die starke Burg gekämpft. Als auch diese vom Feind besetzt war, entstand nochmals ein fürchterliches Ringen in der Hundsgasse, wo die Bedburger den „Hund“, einen bewehrten turm, mit der letzten Kraft und dem letzten Blut verteidigten.

Wollte es denn heute nimmer Nacht werden? Fast schien es so. Bedburg, ein einziges Flammenmeer, wehrte der Dunkelheit den Eintritt. Gespenstisch ragten die kahlen Wälder auf den Höhen um die unglückliche Stadt. Im „Johanneslust“ und den Gebüschen um Buchholz hockten die wenig entkommenen Bürger und sahen mit Wehmut, wie all ihr Hab und Gut ein Raub der gierigen Flammen wurde.

Länger als hundert Jahre hinterließ dieser schreckliche 22. Oktober seine Spuren und Erinnerungen. Bis ins 19. Jh. hinein blieb fast ein Drittel des schönen Erftstädtchens in Trümmern liegen. Außer dem herrlichen Schloß, das ein gütiges Geschick vor den schrecklichen Verwüstungen rettete und das heute noch stolz seine Zinnen über die Stadt erhebt, erinnert wenig mehr an die heldenhafte Vergangenheit diese Erftfeste. Lediglich die Bezeichnung „Hundsgasse“ weist darauf hin, daß hier ein Wehrturm gestanden hat.

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