Kölnische Rundschau - Beilage Nr. 9, September 1949


Der vorsichtige Fahrgast

Seit dem 1. August 1940 braucht man bei einer Fahrt von Bergheim nach Köln in Horrem nicht mehr von einem Bahnhof zum anderen zu laufen. In früheren Jahren, als das Kreisbähnchen noch durch die Gegend gondelte, gab's hierbei außer den Unannehmlichkeiten auch viel Ärger und Verdruß. Fuhr man nach Köln, und kam man mit dem Bummelzug in Horrem an, konnte man oft trotz eiligem Lauf die Staatsbahn nicht mehr erreichen. Dies war ja auch nicht anders zu erwarten. Mußte doch zum Beispiel nach einer damaligen Verordnung der Lokomotivführer auf freier Strecke halten, wenn durch das Rattern und Fauchen des Zuges ein Pferd auf der Straße scheute. Dem Fuhrmann mußte man Gelegenheit geben, sein Gefährt aus dem Bereich oder besser der Schallweite des Zügelchens zu bringen.

Im ersten Jahr der Inbetriebnahme des Kreisbähnchens hat sich hier eine köstliche Begebenheit zugetragen, die bestimmt wert ist, ehe er Horremer Kleinbahnhof in Vergessenheit gerät, nochmals aufgewärmt zu werden. Eines schönen Tages entstieg der Staatsbahn in Horrem ein älterer Mann, der früher im Kreise Bergheim beheimatet war. Er wollte seinen Bruder besuchen, der in der Nähe der Kreisstadt die väterliche Scholle beackerte. Als unser Reisende das letztemal in der Heimat war, mußte er noch auf Schusters Rappen den Weg von Horrem aus zurücklegen. Nun aber war ihm bekannt, daß man im Erftland jetzt auch per Dampf fuhr. Der gute Onkel hielt sich dicht hinter den Leuten, die seines Erachtens auch das Kreisbähnchen benutzten. Hierdurch sparte er sich schon das Fragen nach Horrems zweiten Bahnhof. So kommt er dann richtig bis zum funkensprühenden Klüttenpüffer. In den Zug steigt er aber nicht. Mißtrauisch geht er vom letzten Wagen bis zur Maschine und wieder zurück. Diese Wanderung wiederholte er mehrere Male - er kann sich zum Einsteigen nicht entschließen. Schließlich schreitet er nochmals bis zum Lokomotivchen, entziffert hier die Inschrift eines Messingschildes - klemmt den Paraplui *) unter den Arm und verläßt den Bahnhof.

Auf dem ihm bekannten Wege trottelt er gegen Bergheim. In der schönsten Mittagsglut schneit er schweißgebadet bei der Familie des Bruders herein. Hier wundert man sich, daß der Uehm das Bähnchen nicht benutzt haben; die Kinder waren schon frühzeitig am Bahnhof gewesen, um den seltenen Besuch abzuholen. Der Onkel meinte, daß die Fußtour von Horrem aus nicht angenehm gewesen wäre „Das Zügelchen in Horrem konnte ich aber nicht benutzen“, sprach er, „denn das fuhr in eine mir fremde Gegend, ich habe zum Glück noch das Schild an der Maschine gelesen, worauf stand: „Benz & Co.

G.V.

*) Anm. Wisoveg Regenschirm

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