Kölnische
Rundschau vom 7. Oktober 1948-
-
Rüben,
lauter Rüben rollen an
-
-
Hoffnungsvoller
Entbräunungsprozeß - Optimisten hoffen immer
-
Na, weißt du,
vertraut mir die an der Zerkleinerungsmaschine aus der Bahn
gesprungene Rübe an und versteckt sich für einige
Augenblicke in meiner Rocktasche, während ihre Kolleginnen
schon einem weißlichen Zucker entgegenbrotzeln, na,
weißt du, das waren damals noch Zeiten: keine anständige
Rübe wollte da mehr zu Zucker werden. Obwohl wir recht schön
wuchsen und gediehen, wurden wir nur brauner Zucker. - Jetzt hat
sich das ja wesentlich gebessert seit hier nach Kriegsende einige
Maschinen neu dazu kamen. Und es gibt Menschen - Optimisten nenn ihr
sie wohl -, die behaupten, unsere Enkel würden nie mehr
bräunlich werden. Was euch Menschen in dieser Beziehung
betrifft ...
Ich schmiß die Rübe weg. Eine
andere Rübe meldete sich und sagte: Sehen Sie, dieses
Jahr haben Sie eine gute Ernte. Der Zuckergehalt liegt ungefähr
bei 16 Prozent. Und vielleicht könnt ihr schon Ende des Jahres
mit seiner Erhöhung der Zuckerration rechnen. Ganz frei? Daran
glaube ich nicht. Im übrigen - Rüben sind genug da.
- Und auch die zweite Rübe flog wieder .. aber ehe wir
verraten, wohin sie flog, wollen wir mit chronistischer Genauigkeit
berichten, daß wir uns in einer Zuckerfabrik befinden, die im
Zeichen der Rübenkampagne auf Hochtouren arbeitet, wenn Waggons
und Pferdewagen voll dieses kostbaren Rohstoffes auf den großen
Fabrikhof fahren. Im ganzen Lande hat die Zuckerschlacht
begonnen.
Und nun zurück zu den Rüben. Rüben,
die sich aus vielen Kreisen des Rheinlandes in die Fabrik verirren,
wo sie verwogen, in Schwemmen abgeladen, gewaschen und wieder
verwogen werden. Eine große Schneidmaschine schnitzelt die
Rüben, und die Diffusionsbatterie die die Zuckerparzellen der
Rübe öffnet, läßt auf der einen Seite Rohsaft,
auf der anderen ausgelaugte Schnitzel erscheinen.
Die
Schnitzel gehen durch Pressen, werden getrocknet oder als
Naßschnitzel (die Bauern einigten sich hier auf den Namen
Patsch) wieder zuzückgegeben.
Der Rohsaft
wird zwecks Reinigung mit gebranntem Kalk versetzt. - Übrigens
wir der Kalk in eigenen Kalköfen gebrannt. - Dann bedient man
sich noch der durch das Brennen des Kalkes gewonnenen Kohlensäure.
Ein Filter läßt den Rohsaft über und in sich ergehen
und der sog. Dünnsaft wird aufgefangen. Ehe es zur
Verdampfstation geht, wird nochmals filtriert und dann verdickt sich
der Dünnsaft zu, nun, Dicksaft. Der Saft ist noch immer dunkel
und wird in die Kochstation bis zur Kristallisation eingedickt. In
den Zentrifugen, wo der Sirup abgeschleudert wird, wäscht man
den Zucker ab, und bei einer minütlichen 1000er Umdrehung
erhalten wir das weiße Etwas, was wir nun wohl als kostbare
Süße hoffentlich immer nur bekommen werden. Der Überrest
dieser Produktion ist die Melasse: man verwendet sie in den
Hefefabriken und - zum Schwarzbrennen.
Das ist in kurzen
Worten der Werdegang einer Rübe vom Acker bis zum Zucker. - Ein
Gang durch die Fabrik zeigt uns die ineinandergreifenden Arme, die
sich alle mühen, möglichst große Zahlen zu
erreichen. Etwa 2 Mill. dz Rüben erwartet man in diesem Jahr. -
Dort rutschen die Schnitzel, hier duftet es schon nach Süße,
und wieder anderswo brausen die Dünn- und Dicksäfte in
großen Bottichen bei einigen Grad Hitze. - Ein eigenes
Laboratorium untersucht die jeweils angefahrenen Qualitäten. -
Große Lastarme legen die Treibbänder in die Zentrifugen.
Und ganz oben, unter dem Dach: da stapeln sich die Säcke. Auch
Kubazucker liegt noch dort: nach Beendigung der Rübenkampagne
um Weihnachten wird man sich dieses Zuckers wieder annehmen und ihn
weißen. - Selbstverständlich erhalten die
Zuckerrübenbauern eine Zuckerprämie. Wer über 250 dz
pro ha abliefert, darf sich einer Zusatzprämie erfreuen,
während es die hier beschäftigten 400 Arbeiter mit einem
Kilo Zucker pro Monat auch schon tun.
Tag und Nacht
schwemmt, fließt, kocht, dampft und zuckert es.
Früher wollte ich immer Bauer werden. - Als ich jedoch
Rüben vereinzeln mußte, gab ich es auf und wurde
Journalist. Wenn ich gewußt hätte, daß es pro dz
Zuckerrüben durchschnittlich 4 DM gibt, vielleicht hätte
ich dann doch weiter Rüben vereinzelt.
Es gibt
ein Schlagwort: Der Apfel ist ab. - Das hat hier jedoch
keinen Zuckergehalt. - Die Rübe ist - ab, kam auch
nur in Gerichtsberichten vor. Sagen wir darum: Der Zucker ist
da. - Wo? - Nun, vorerst in den Zuckerfabriken.
Am
Ausgange der Fabrik begegne ich noch einem Rübenschnitzel. O
weh, o weh, klagt es wenn ich das gewußt hätte,
wäre ich nicht so schnell gewachsen. Ich kondoliere
eilig: denn drüben auf dem Bahnhof steht der Zug. Er merkt
nichts von dem süßlichen Geruch, der über dem
Städtchen liegt und ein hoffentlich gutes Zuckerjahr ankündigt.
- nst
© Copyright
2003 wisoveg.de
Zur
Homepage