Kölnische
Rundschau - Beilage Nr. 7, Juli 1949
Thorr und die Römerstraße
Von Georg Vetten (Kenten)
Unser stilles, von Wiesen und Feldern umgebenes Erftdörfchen ist reich an Erinnerungen vergangener Jahrhunderte. Schon zur Römerzeit kreuzten sich am Eingang des Ortes auf Grouven zu die Straßen Neuß - Zülpich und die in Köln ihren Anfang nehmende Straße nach Jülich, Maastricht, Tongern und Bavai. Gleich einem Verkehrspolizisten steht an diesem Brennpunkt des früheren Reiseverkehrs die Thorrer Burg, von der heute das Herrenhaus noch gut erhalten ist. Es ist anzunehmen, daß diese Burg an Stelle eines früheren Wartturmes, der zum Schutze der Straßenkreuzung dort gestanden hat, errichtet wurde. Nach einer alten Abbildung war die Thorrer Burg von drei Türmen flankiert und von einem breiten Wassergraben, von dem heute noch ein Teil erhalten ist, umgeben. Im Gipfel dieses Adelssitzes ist ein Allianzwappen mit folgender Inschrift angebracht: Bernhard Knox Drossard der Frey Bannerherrschaft Merode und Sybilla Catharina van Weverden genannt Droff, Gewesene Eheleute Anno 1680. Über dem Hochaltar der seit dem Jahre 1896 nicht mehr benutzten und inzwischen bis auf den Turm abgebrochenen alten Kirche befand sich im Gewölbe ein ähnliches Wappen, nur daß dort die Namen etwas anders lauteten, und zwar Knox Rox, statt Weverden und Drove. Da aber dieser Teil der alten Kirche 1688 restauriert worden war, ist mit ziemlicher Gewißheit anzunehmen, daß das Wappen um diese Zeit dort angebracht wurde und mit dem Burgwappen von 1680 identisch ist. Früher hat man die Namen ja oft verschiedene Formen gekannt.
Über die alte Römerstraße, die das Dorf in seiner ganzen Länge durchläuft, kommen wir am Ausgang auf Quadrath zu an den Turm der vorerwähnten abgebrochenen Kirche. Inmitten dicht aneinandergereihter Gräber des alten Friedhofs erhebt sich der Recke, dessen Sockel noch romanischen Ursprungs ist, über die Häuser und Wirtschaftsgebäude seiner Umgebung. Ehemals zierte dieser Turm einen Kapellenanbau, der um das Jahr 1500 beträchtlich erweitert wurde. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts war die Römerstraße auch die Grenzscheide zweier Pfarrgemeinden. Die Häuser nordwärts der Straße gehörten zur Heppendorfer Pfarre und die andere Seite zur Pfarrkirche nach Paffendorf. Alte Thorrer wollen sich an einer Tafel erinnern, die darauf hinwies, daß Karl der Große auf einer Durchreise in dem alten Gotteshause eingekehrt sei.
Die ursprüngliche Ausdehnung der alten Römerstraße läßt sich von Quadrath bis durch den Ort Grouven gut verfolgen. Im Volksmunde wird der untere Teil von Quadrath Em Rouhland genannt. Hier führt die Römerstraße durch, die zu beiden Seiten von sehr alten Häusern bestanden ist. Wenn auch nicht in unmittelbarer Nähe dieser Straße, so doch in ihrem Bereich, tauchen die alten Erftschlösser auf. Zur Linken liegt Schloß Frens, das schon im Jahre 1263 erwähnt wird. Während dieser bewehrte Sitz direkt in der Erftniederung liegt, schaut die Fassade vom Schloß Schlenderhan von den Ausläufen des Villengebirges auf die Römerstraße nieder. Auch heute noch führt diese Straße der alten Römer durch die Wiesen. Bei guter Witterung wird sie als abgekürzte Verbindung zwischen Quadrath und Thorr benutzt. Wenn sie zu der Zeit, als Ritter und Reisige, Kaufleute und Weltenbummler auf ihr verkehrten, nicht fester war als heute, mag der Teil Römerstraße in den Erftwiesen manchem Vorfahren zum Ärgernis und Anlaß zum Fluchen gewesen sein.
Während Burg Laach etwas abseits von der Römerstraße erbaut wurde, ist die Burg Grouven direkt an der alten Straße errichtet worden. Hier handelt es sich allerdings um einen Bau vom Jahre 1716. Ob an dieser Stelle, als auf der Römerstraße Handel und Wandel in voller Blüte standen, ein Rittersitz erbaut war, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Lange vor 1550 stand der jetzigen Burg gegenüber ein Hospital, zu dem die jetzt noch erhaltene Brigida-Kapelle gehörte.
Als jüngst längs der Römerstraße ein Gaskanal gegraben wurde, hob man viele Funde aus der Römerstraße. Am meisten bringt Thorr reiche Erinnerungen, lag es doch am Brennpunkt zweier wichtiger Straßen eines ehemals kriegerischen, wie auch handelstüchtigen Volkes. Damals mag das Dörfchen im bunten Gewoge der Durchreisenden nicht so verträumt und friedlich still gewesen sein wie heute, wo es eingeschlossen liegt zwischen den sturm- und wettererprobten Baudenkmälern der alten Burg und dem einsam stehenden, vom Zahn der Zeit benagten Kirchturm.