Kölnische
Rundschau Beilage Nr. 7, Juli 1948-
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Alte Straßen
und Wege im Erftland
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Von Otto Böcker (Quadrath)
Nach der Umlegung und Zusammenlegung der Grundstücke
durch das Kulturamt sind die alten Wege unserer Heimat zu einem
großen Teil verschwunden. Sie waren Urkunden aus alter und
ältester Zeit, geben mancherlei Aufschlüsse zur
rheinischen Geschichte, und stellten sehr oft Eigentumsgrenzen und
sogar Gemeindegrenzen dar. So verdienen sie es, vor Vergessenheit
geschützt zu werden.
Als 58-53 v. Chr. der germanische
Volksstamm, der im Erftgebiet wohnte, von den Römern fast
vollständig vernichtet wurde, siedelten die Sieger um 40 v.
Chr. In dem fast menschenleeren Gebiet die Ubier an, die vorher
zwischen Sieg und Lahn gewohnt hatten. Um diese Zeit legten die
Römer auch ihre Militärstraßen an, die in Meilen
vermessen wurden. Bei der Aufteilung des Geländes an die Sippen
der Ubier nahm man als Teilpunkte vielfach die Meilensteine, weil in
dem meist mit Wald bestandenen Gebiet andere Anhaltspunkte fehlten.
Von den Meilenpunkten gingen die Grenzen aus. Diese wurden zur
Aufschließung des Hinterlandes zu Wegen und Straßen
entwickelt. Von 29 Meilenpunkten der Militärstraße Köln
- Jülich konnten 17 festgestellt werden, an welchen solche
Querwege abgingen.
In der fränkischen Zeit entstanden
die Siedlungen als Anfänge unserer heutigen Dörfer. Der
Verkehr ging von Ort zu Ort und entwickelte so neue Wege. Durch
diese neuen Straßen verschwanden aber die alten nicht ganz,
sondern blieben als Nebenstraßen, Feldwege oder Fußpfade.
Es ist erstaunlich, mit welcher Zähigkeit sie sich nach Namen
und Lage in Landschaft und Volksmund erhalten haben. Von diesen
alten Resten früherer Straßen seien hier einige erwähnt
..
Von den alten Straßen, die das Erftgebiet
durchzogen, ist außer der von Köln nach Jülich die
Straße Zülpich - Neuß besonders bemerkenswert. Die
Forschung zählt sie zu den ältesten des Rheinlandes. Wenn
sie auch nicht im Itinerar, dem Verzeichnis römischer
Marschstraßen aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., enthalten war,
so ragt sie doch noch über die römische Zeit hinaus. Wir
sollen es hier sogar mit einem uralten, schon in der Steinzeit
benutzten Handelsweg zu tun haben.
Welchen Verlauf hat nun
die Straße Zülpich - Neuß gehabt? Wo war ihr
Kreuzungspunkt mit der Militärstraße Köln - Jülich?
Unter Tiberius (14-37 n. Chr.) wurden zwei Legionen aus dem
sogenannten Kölner Urlager nach Neuß verlegt. Seitdem
nahm der Verkehr auf der Straße Zülpich - Neuß
erheblichen Aufschwung. An dem Kreuzungspunkt entstand damals das
Kastell Tiberiacum.
Tiberiacum
Die Lage
des Kastells ist durch das Itineriarium Antonini und durch die
Peutingersche Tafel einwandfrei bestimmt. Die Entfernung von Jülich
wird von beiden Autoren mit 8 Leugen gleich 12 römischen Meilen
(1 Meile = 1480 m) angegeben. Demnach lag Tiberiacum an der Straße
Köln - Jülich, zwischen Grouven und Thorr, auf der Höhe
des 17. Meilensteins.
An dieser Stelle zweigt von der Straße
Köln - Jülich nordwärts und südwärts je ein
Feldweg ab. Hier haben wir die Flucht der Straße Zülpich
- Neuß vor uns. Auf den Meßtischblättern (1:25.000)
der Landesaufnahme von 1897 ist der Verlauf der Straßen und
Wege leicht zu verfolgen. Der südliche Feldweg läßt
sich Widdendorf feststellen, verschwindet hier und taucht bei
Blatzheim wieder auf. Von hier folgt er nicht dem Lauf des
Neffelbaches und dem Zuge der Ortschaften, sondern verläuft,
was für sein Alter spricht, ungefähr bis Zülpich
gradlinig. Der nördliche Feldweg läßt sich in
gerader Richtung bis Paffendorf verfolgen. Hier ist er unter dem
Namen Luhweich von altersher bekannt. -
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In dieser geraden Flucht alter
Feldwege haben wir die Straße Zülpich - Neuß vor
uns. Sie hat ein halbes Jahrtausend und länger den Verkehr
getragen, ehe die Straße über Thorr - Zieverich aufkam.
Unterhalb Paffendorf wird der Verlauf der alten Straße unklar.
Daß sie der linken Talhöhe der Erft gefolgt wäre,
hatte seine Schwierigkeiten, da zwischen Glesch, und Blerichen die
Niederung des Finkelbaches lag. Ein direkter Fahrweg zwischen den
beiden Orten besteht erst seit 60 Jahren. Vorher dürfte ein
solcher kaum bestanden haben. Wer von Glesch nach Blerichen oder
Bedburg wollte, mußte über Kirdorf ausholen, oder mußte
vorher über die Erft. Ein alter Flußübergang war bei
Paffendorf im Zuge der heutigen Lürgasse, einer
schmalen, geraden Gasse, die bis an die Erft führt. Paffendorf
lag in frühester Zeit hart an der Erft. Es ist bemerkenswert,
daß die Lürgasse am Eingang von der Hauptstraße
einen Schlagbaum hatte und das rechte Eckhaus im Volksmunde noch
heute die Bezeichnung an Schlaborns trägt. Am
Schlagbaum wurde Straßengeld erhoben von denen, die über
die Erft wollten. Genau in Richtung Lürgasse kamen vor 50
Jahren bei Wegearbeiten in den Wiesen vier Brückenpfähle
aus Eichenholz zum Vorschein. Anzeichen vom Vorhandensein eines
alten Flußbettes gibt es nicht. Die Benutzung der Brücke
muß also weit zurückliegen. Weiterhin dient die Flucht
der Lürgasse als alte Eigentumsgrenze zwischen den Wiesen der
Gemeinde Paffendorf und einer von Bongartschen Waldparzelle, die
früher wohl zu Haus Bohlendorf gehört hat.
Aufstieg
zum Vorgebirge
Hier beginnt der Aufstieg der Straße
zum Vorgebirge. Dessen westliche Kante, der Erftsprung, setzt sich
in zwei Terrassen ab. Die erste Stufe erstieg die Straße im
Walde. Ihre Rampe zeichnet sich hier sehr deutlich, z.T. als
Hohlweg, ab. Die zweit Stufe wurde im Wiedenfelder Walde genommen.
Dieser Aufstieg ist noch als breite Vertiefung im Waldgelände
zu erkennen. Der Wald trägt hier im Volksmunde den Namen in
der Mohl. Eine Mohl ist eine Mulde. Jedenfalls ist
diese früher erheblich tiefer gewesen. Kurz vor dem Gehöft
Harfereiche wird die Höhe des Vorgebirges erreicht. Von dort
geht ein Fußpfad in ungefähr nördlicher Richtung
nach Wiedenfeld, wieder die gleiche Flucht, die wir an dieser Straße
schon kennen. Der Fußweg bildet auf der größeren
Strecke die Grenze zwischen den früheren Bürgermeistereien
Bergheim und Paffendorf. Er verläuft in ungefähr 400 m
Abstand zur Straße Bergheim - Wiederfeld parallel; hinter
Wiedenfeld in derselben nördlichen Richtung bis Frauweiler,
weiter als Fußweg nach Gommershoven, von Gommershoven bis
Neuhöfchen als Gemeindeweg. Später biegt der Gemeindeweg
Nanderath - Ingenfeld in seine Richtung ein. Als Fußweg führt
er dann von Ingenfeld bis Allrath. z.T. als Gemeindegrenze, führt
er dann von Ingenfeld bis Allrath *). Hinter Allrath, das
bemerkenswert ist durch römische Funde, beginnt der Abstieg vom
Vorgebirge. Als Fußweg und Feldweg führt die alte Straße
nach Barrenstein; weiter in nördlicher Richtung als
Gemeindeweg. Ähnlich läßt sie sich in dieser
Richtung weiter bis Neuß verfolgen.
Kehren wir nun zu
unserem Ausgangspunkte, dem 17. Meilenstein an der Straße Köln
- Jülich zurück. Der nördlich abzweigende Feldweg
wird nach ungefähr 600 m von zwei anderen Wegen gekreuzt, so
daß ein sechsstrahliger Wegestern entsteht. Die Anhäufung
der Wege kommt nicht von ungefähr. Zwischen diesem
Kreuzungspunkt und der Straße Köln - Jülich hat
Tiberiacum gelegen, hier am Wegestern war sein Nordausgang. Von hier
aus strahlten die Wege nach Norden aus. Der Weg, der nach Nordwesten
verläuft, läßt sich über Aparte Höfe und
Niederembt zum Finkelbach hin verfolgen. Der nach Norden verlaufende
Weg ist der schon genannte Luhweich.
Der nach
Nord-Osten führende Weg trifft auf das Dorf Zieverich, das vor
120 bis 30 Jahren Siveken hieß. Zieverich gilt als
Namensträger des alten Tiberiacum, das doch über eine
römische Meile entfernt lag. Nach römischer Auffassung
vertrugen sich bürgerliches Leben und militärischer Dienst
nicht. Darum lagen die Zivilwohnungen meist auch etwas von den
Militärlagern getrennt. So auch hier: In Tiberiacum war das
Militärlager und in Zieverich die Zivilwohnungen.
Maßstab
1:50.000 - Otto Lehmann
Unweit des von der Straße Köln
- Jülich nach Süden abzweigenden Feldweges stand bis vor
einigen Jahrzehnten ein altes Kreuz, das Közzer Krüzz
genannt. Es galt als letzter Überrest des Herrenhofes des
Hauptortes des früheren Kuzziggaues. Auch von hier strahlen
verschiedene Wege aus, so einer, der in gerader Richtung über
Grouven - Brockendorf - Desdorf - Kirdorf bis Millendorf, also
ungefähr bis zur Grenze des einstigen Kuzziggaues verläuft.
Zwischen Desdorf und Kirdorf ist dieser Weg z.T. Gemeindegrenze
zwischen Paffendorf und aparte Höfe und führt dort die
Bezeichnung Detweich. Man kann ihn als die Achse des
Kuzziggaues ansehen. Ob sich der Name nicht mit Dienstweg übersetzen
ließe?
Noch eine alte Straße sei erwähnt.
Vom 19. Meilenstein, der in Elsdorf stand, wo heute der Weg nach
Grouven, also der früheren Römerstraße, abzweigt,
führte damals eine Militärstraße nach den
Rhein-Kastellen Buruncum (Worringen) und Durnomagus (Dormagen). Ein
Teil ist als Landstraße Bergheim - Rommerskirchen noch heute
in Gebrauch. In dieser Flucht besteht in der Gemarkung Paffendorf
noch ein Feldweg, der im Volksmunde den namen Ahl Landstroß
führt. Er bildet die Gemeindegrenze zwischen Paffendorf und
Zieverich und verläuft aus der Nähe von Brockendorf bis
Zievericher Mühle. Die jetzige Straße Elsdorf - Bergheim
ist wohl erst im 13. Jahrhundert entstanden, als die Grafen von
Jülich sich in Bergheim festsetzten und den nächsten Weg
zu ihrer Burg in Bergheim nahmen. Fortan zog diese Straße
nicht nur den Verkehr der Römerstraße vom jetzigen
Elsdorf bis Bergheimerdorf, sondern auch den der Straße bis
Quadrath an sich und die alten Straßen wurden kaum mehr für
den Fernverkehr benutzt. Die Römerstraße muß in
Bergheimerdorf südlich vom jetzigen Pfarrhaus verlaufen sein,
so daß das Gelände, welches der Pfalzgraf bei Rhein 1055
dem Kloster Cornelimünster schenkte, nördlich der damals
noch benutzten Römerstraße lag. Damit stimmt auch die
Senkung im Gelände überein, die sich bei der Gärtnerei
Knüchel befindet. Von hier läßt sich die Einsenkung
über das Vorgebirge bis vor Niederaußem verfolgen, wo sie
mit der jetzigen Landstraße zusammenfällt.
Heute
geht der Pflug über alle diese Erinnerungen aus Jahrtausenden.
Um so mehr sollte uns dieses Stück Vor- und Frühgeschichte
unserer engeren Heimat vertraut und lebendig bleiben!
*)
wisoveg: Übernahme des Satzes mit Doppelbegründung
aufgrund des Zeitungsdrucks. -
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