Kölnische Rundschau Beilage Nr. 3, März 1948-
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Kerpen in
Geschichte und Gegenwart
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Nur noch eine kleine
Erderhebung, an der in neuerer Zeit Siedlungen entstehen, deuten auf
die Burg hin, die Jahrhunderte zwischen den Kölner Erzbischöfen
und den Spaniern, von den Niederländern und deutschen Fürsten
heiß umkämpft war und um deren Besitz viel Blut geflossen
ist. Aber nicht erst mit der Burg aus dem 12. Jahrhundert beginn die
Geschichte Kerpens, vielmehr führt uns der Fund von römischen
Altertümern, Steinsarkophagen und Münzen fast um 2000
Jahre zurück, da ein Ausläufer der Römerstraße
Kerpen berührte.
Erstmalig wird Kerpen in dem berühmten
Güterverzeichnis der Abtei Prüm aus dem Jahre 893 erwähnt.
Außer dieser sind uns noch viele andere Urkunden erhalten, die
uns von dem Ort Kerpen und seinen Schicksalen erzählen. In
ihnen erscheint der Name in verschiedener, aber sich nicht
wesentlich ändernder Schreibweise. Im 13. Jahrhundert lesen wir
Carpena, Karpene, Karpense, Karpensum, 1344 Kerpena und schon im
Jahre 1513 finden wir Kerpen.
Das Kollegiatstift, erst im
Jahre 1178 urkundlich genannt, führte doch seine Errichtung ins
9. Jahrhundert bis auf Karl den Großen zurück, den das
Stift bis zu seiner Aufhebung als Stifter verehrte. König
Philipp von Schwaben verwies die Probstei 1204 dem Kölner
Erzbischof Adolf I. Die Stiftskirche, die aus 12 Kanonikern unter
einem Propst bestand, den nach einer Verleihungsurkunde von 1336 der
Herzog von Jülich ernannte, erlebte im Laufe der Jahrhunderte
zahlreiche bauliche Veränderungen und Erneuerungen. So wurde
sie 1817 durch Brand heimgesucht, und durch Blitzschlag verursacht,
brannte die Turmhaube nieder und wurde dann durch eine niedrigere
ersetzt. Im Lauf der Jahrhunderte wurde auch ein viertes Schiff
angefügt. Der Turm ragt noch heute weit über die Häuser
Kerpens in's Land hinein, aber die Kirche ist seit dem schrecklichen
Fliegerangriff des Jahres 1945 vollständig zerstört.
Das
Schicksal Kerpens im Mittelalter wurde durch die Burg bestimmt, die
vor den Toren der Stadt lag und wechselvolle Tage erlebte. Schon
Karl der Große besaß hier einen Meierhof, der auch unter
seinen Nachfolgern zu den kaiserlichen Kammergütern gehörte.
1122 erlebte die Burg ihre ersten Kämpfe. Sie wurde von
Erzbischof Friedrich von Köln eingenommen und erlitt dabei
Zerstörungen.
Im Laufe des 13. Jahrhunderts fiel die
Herrschaft über Kerpen den Herren von Gymnich zu. Von diesen
erwarb sie schon 1282 Herzog Johann I. Von Brabant, der das Schloß
wieder aufbaute und befestigte.
Von allen Orten unseres
Kreises hat dann in der Folge kaum ein anderer eine so wechselreiche
Vergangenheit wie Kerpen. Während der fast 200jährigen
Zugehörigkeit zu Spanien war es eins der vielen exponierten und
hart umstrittenen Bollwerke jener Weltmacht. Im Falle Kerpen tritt
die schlichte Heimatkunde in Berührung mit der Geschichte der
Niederlande, Burgunds, Habsburgs und Spaniens.
Wie Kerpen
spanisch wurde
Wenn wir wissen wollen, wie Kerpen
spanisch wurde, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß
unser Ort als Anhängsel des niederländischen Brabant im
Laufe der Erbfolgen schließlich der Krone Spaniens zufiel.
Herzog Johann I. griff in den Limburgischen Erbstreit ein, nachdem
1281 der Herzog Walram von Limburg kinderlos gestorben war. Um
dessen Erbe stritten sich Graf Adolf von Berg und Graf Reinald von
Geldern. Der erste fühlte sich zum Kampfe nicht stark genug und
verkaufte seine Anrechte an den Brabanter. Am 5. 6. 1288 wurde der
Streit durch die denkwürdige Schlacht von Worringen
entschieden, wobei die Partei des bergischen Grafen den Sieg davon
trug. Herzog Johann I., jetzt der Siegreiche genannt,
behielt Brabant mit Kerpen, nahm Limburg in Besitz und vereinigte
Kerpen mit dem limburgischen Lommersum.
1404 kam Brabant mit
Kerpen an Anton, den Bruder des burgundischen Herzogs Johann ohne
Furcht. Nach dem Tode Antons und seiner Söhne erbte der Herzog
Philipp der Gute von Burgund das Herzogtum Brabant und nach ihm sein
Sohn Karl der Kühne. Dieser fiel 1477 in der Schlacht von Nancy
und hinterließ Burgund und die Niederlande seiner Tochter
Maria. So klein das Erbland war, so reich war es an Schätzen
von Gold, Edelsteinen und Kunstwerken. Kein Wunder, daß es
gleich nach Karls Tod einen Wettlauf unter den europäischen
Fürsten gab, um die Hand des neunzehnjährigen Fräuleins
von Burgund. Sieger blieb Maximilian I., der letzte Ritter,
seit 1486 römischer König und von 1493 - 1519 deutscher
Kaiser. Mit Burgund fiel ihm das brabantische Erbe zu und damit war
er auch Herr von Kerpen. Maximilians Sohn aus der Ehe mit Maria von
Burgund war Philipp der Schöne. Aus Philipps Ehe mit Johanna
von Spanien stammte der Erzherzog Karl, der 1516 in Brüssel als
Karl I. zum Könige von Spanien ausgerufen und nach dem Tode
Maximilians als Karl V. Kaiser von Deutschland wurde. 1522 fand eine
Erbteilung statt zwischen Karl V. und seinem Bruder, dem späteren
Kaiser Ferdinand I. (1556-1564). Dabei erhielt Karl Spanien und die
Niederlande mit Brabant und Kerpen. Nach Karls V. Abdankung (1556)
wurde sein Sohn Philipp II., König von Spanien. Er verpfändete
die Herrschaft Kerpen an den Herrn von Harff zu Alsdorf. Nach dem
Abfall der nördlichen Niederlande übergab König
Philipp 1598 den südlichen Teil des Landes einschließlich
Brabant und Kerpen seiner Tochter Isabelle Clara Eugenie als
Hochzeitsgabe und verehelichte sie mit Albert von Oesterreich, seit
1595 Statthalter der Niederlande. Von 1598 bis zu seinem Tode 1621
führte Albert den Titel eines Erzherzogs der Niederlande. Am
12. 10. 1600 unterzeichnete das fürstliche Paar die Brieven
van den acceptatien, (Privilegien-Briefe) in denen die von der
Herrschaft Kerpen zu entrichtenden Abgaben auf jährlich
höchstens 5000 brabantische Gulden oder 2030 Reichstaler
festgelegt wurden. Isabella war wohl die einzige spanische
Persönlichkeit, die in engeren Beziehungen zu Kerpen gestanden
hat. Sie war am 12. 4. 1566 im Sommerschlößchen Balsin
bei Sergovia in Spanien geboren. Das anmutige Kind war der Liebling
seines Vaters, der es zärtlich seine Luz de mis ojos,
(Licht meiner Augen) nannte.
Wie hübsch sie war, zeigen
ihre vielen noch vorhandenen Porträts, z.B. dasjenige des
Hofmalers Felipe de Liano im Prado zu Madrid. Nach Philipps Tode war
sie nach einem alten Chronisten der einzige Mann der Familie.
Milde, Freigebigkeit und Sanftmut, Liebenswürdigkeit, die
alle Herzen gewann, paarten sich in ihr mit Großmut,
Gerechtigkeitsliebe, männlicher Standhaftigkeit und Kraft auch
im Unglück. Isabella starb kinderlos am 21. 11. 1633 in
Brüssel. Nach ihrem Tode fiel Brabant mit der Herrschaft Kerpen
wieder an die Krone Spaniens zurück.
Nach dem
Geschichtsschreiber Streversdorff residierte 1648 die französische
Herzogin von Scheverois auf dem Kerpener Schloß.
Es handelt sich um die Herzogin von Chevreuse, eine geborene Maria
von Rohan, an die der spanische König Philipp IV. im Jahre 1646
die Herrschaft Kerpen und Lommersum mit Einwilligung der
brabantischen Stände gegen eine Zahlung von 55000 Philippstaler
verpfändet hatte. Während des langen Krieges zwischen
Spanien und Frankreich wurde die Chevreuse des Treubruchs angeklagt
und Philipp IV. Sah sich veranlaßt, das ihr gewährte
Lehen zu konfiszieren. 1654 verpfändete der König die
Herrschaft Kerpen an Herzog Maximilian Heinrich von Bayern, Kurfürst
von Köln gegen 75000 Philippstaler. Beim Pyrenäenfrieden
1659 erhielt die Chevreuse ihre Pfandgelder zurück. 1702
erklärte der Rat von Brabant den Herzog Maximilian Philipp von
Bayern für besitzberechtigt in den Herrschaften Kerpen und
Lommersum, womit deren Zugehörigkeit zu Spanien ein Ende nehme.
Von dem Einfall der Franzosen wird berichtet: Anno
1689 den 21ten aprilis dess Morgens um 5 Uhr ist dass Schloss
gesprengt worden alhie zu Kerpen, erstlich haben die Franzosen ess
angesteckt, darauf seint die Minen angegangen, und ist also in die
Luft geflogen. Dann entstehen Besitzstreitigkeiten um Schloß
und Herrschaft und erst, nachdem die Franzosen 1704 das Land
verlassen und Kurfürst Wilhelm von der Pfalz 1710 durch Karl
IV. von Spanien Kerpen und Lommersum zu vollem Eigentum erhält,
wird Friede für die durch Krieg, Brand und Plünderung
geplagten Kerpener Bürger und Bauern.
Der Kurfürst
überließ den Besitz dem Grafen von Schaesberg, und 1712
wird die Herrschaft von Kaiser Karl den VI. zur Reichsgrafschaft
erhoben. Von den Untertanen verlangen die Grafen so große
Abgaben, daß die Unzufriedenen beim hohen Rat von Brabant
zweimal die Aberkennung der Landeshoheit der Grafen und die Belegung
mit Sequester erlagen (1735-42 und 1748-86) bis man sich auf die
schon im Jahre 1600 bewilligten 5000 Brabänder Gulden als
Abgabe einigte. Erst dabei im März 1786 wurden die
Hoheitsansprüche des Rates von Brabant durch Kaiser Josef II.
niedergeschlagen. Durch den letzten regierenden Grafen von
Schaesberg wurde die Burg völlig abgetragen; den geplanten
Neubau verhinderte der Einzug der französischen
Revolutionsheere.
Nicht vieles ist an der reichen Geschichte
Kerpens an Sehenswürdigkeiten übriggeblieben und nur Burg
Lörsfeld, die im 14. Jh. Stammsitz der Herren von Lörsfeld
ist, vielfach den Besitzer wechselt und 1696 zum Fideikommis wird.
Hat auch den letzen Krieg noch überstanden, der sonst der heute
bald 5000 Köpfe zählenden Bevölkerung nur Unglück
brachte und an die Hälfte des Ortes zerstörte. Vieles ist
mittlerweile wieder neu erstanden, und die Bewohner Kerpens, die zum
größten Teil in den Braunkohlenwerken arbeiten, wie schon
so oft in ihrer Geschichte daran auch diesmal wieder die Spuren des
Krieges durch eigene Tatkraft und durch eigener Hände Arbeit
beseitigen zu können.
A.S. - E.V. -
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