Kölnische
Rundschau vom 2. August 1949
Burgen-Wanderfahrt durch den Kreis
Efeuumsponnene Türme und lichtdurchbrochene Binnenhöfe
Wolken, milchige Kleckse, liegen sanft in das unwahrscheinlich satte Blau des sommerlichen Himmels getupft, wie die Schneeflocken, die zum Mittagtisch auf der Vanillecreme herumtreiben. Gelbe Kornschwaden säumen das Band der Straße. Klatschig-roter Mohn hält an dem schmalen Graben leuchtende Wacht, und in dem goldschimmernden Meer arbeiten gekrümmte Rücken, braune Arme und buntgesprenkelte Kopftücher. Hier und da ragt ein Wagen, schwerbeladen, hoch über die Ähren heraus. Andere rumpeln geräuschvoll zum nächsten Dort. Fußgänger, die wir überholen, und Wanderer gehen beinahe auf der Stelle. Vielleicht haben sie mehr als wir von der Landschaft, können sie in sich hineintrinken - wenn sie nicht unempfindlich geworden wind. Unser Wagen aber rafft die Landschaftsbilder, holt sie nacheinander vor die Windschutzscheibe, und da rollt der Film dieser Erftlandschaft ab: Greifbar und trotz der unendlichen Weite eindringlich.
Burg Bergerhausen
An wogenden Feldern vorbei und durch die winklige Enge dörflicher Gassen, und überall ist der schroffe Gegensatz zu spüren: Die kleinsten Ortschaften mit unansehnlichen, aneinanderklebenden Häusern haben die mächtigsten Kirchen. Sie steigen von weitem in die glasige Wand des Horizonts. Sie waren die Wegweiser dieses Landes, bevor die Zivilisation an allen Kreuzungen ihre Bezeichnungen anbrachte. Bergerhausen, das langgestreckte Bauerndorf ist erreicht. Das gleichnamige Schloß reicht mit seiner Geschichte bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts zurück. Ende des 16. Jahrhunderts wurde es im Stil der Spätrenaissance neu errichtet. Deutliche Spuren dieser Zeit haben auch die im 19. Jahrhundert vorgenommene völlige Restaurierung überdauert und neben dem Flügelbau und dem achteckigen mächtigen Turm sind noch starke Befestigungsreste erhalten geblieben, so ein efeuumrankter Rundturm, dessen Mauern, in denen eine Wendeltreppe läuft, die stattliche Dicke von 3,20 Meter aufweisen. Ein Gußerker und Schießscharten geben eine deutliche Kunde seiner einstigen Wehrhaftigkeit, die mächtigen Platanen rings um das schilfbestandene Wasser jedoch und die zierlichen Pappeln, die ihre Schlankheit über den blanken Spiegel werfen, atmen das beschauliche Bild friedvoller Romantik.
Abstecher nach Lörsfeld
Ein Abstecher in Richtung Bergheim bestätigt die Regel, nach der alles Improvisierte seinen erhöhten Reiz besitzt, denn die jetzt in die Augen springende Burg Lörsfeld vereinigt mit dem Zauber steingewordener Geschichte das Erlesene des Seltenen, - hier erhebt sich eine der wenigen Wasserburgen gotischen Stil: ein Steinschloß mit Spitzbogenfries, mit vier entzückenden Rundtürmchen, denen das Barock eine welsche Haube aufgesetzt hat, und mit den deutlich sichtbaren Spuren eines inzwischen ausgemauerten Wehrgangs. Eine wundervolle Freitreppe, von wappenbehaltenden Löwen flankiert, gibt zu Vergleichen mit dem im 18. Jahrhundert von Couven errichteten Schloß Wickrath bei M.Gladbach Anlaß, und ein schöner Park verleiht dieser baulichen Kostbarkeit eine würdige Fassung.
Flämische Renaissance in Frenz
Nahe bei Quadrath liegt eines der schönsten Wasserschlösser des Erftlandes: Burg Frenz. Ein holländischer Baumeister hat sie erbaut. Und wer den Torbogen der Vorburg erreicht, der schaut im Hintergrund ein märchenhaftes Bild, in dem die bauliche Kunst flämisch-niederländischer Renaissance ein Werk hinterlassen hat, das den Zauber harmonischer Vollendung in sich birgt. Von Ecktürmen eingeschlossen, erheben sich an den Seiten zwei hochstrebende, in der Mitte ein kleinerer Giebelbau, und während die beiden seitlichen von nüchterner Hand ihres Schmuckes entkleidet sind, prunkt die Fassade des Mittelstücks mit überreicher Bandelwerkornamentik, deren Muster in der Eisenvergitterung eines zierlichen Balkons aufgenommen ist. Pilaster leiten den Blick nach unten, wo in kleinen Nischen den Hauspenaten, ein Platz eingeräumt wurde. Über eine lafettenbestückte Brücke, deren letzter Teil die alte Zugbrücke darstellt, führt den Weg ins Innere und auf einen mit Palmen bestandenen efeuumrankten Binnenhof, der einen kostbaren Renaissancebrunnen birgt. Nach italienischem Vorbild sind hier drei Nischen in die Wand gefügt, deren größte das Becken des Brunnens faßt. Oberhalb des Kapitells zeiht sich ein kunstvolles Relief hin, darüber läuft ein Bandfries und darüber wieder eine Rollwerkornamentik voller Schwung und Eleganz. Ein letzter Blick streift beim Verlassen die efeuumsponnene Rückseite des Schlosses, dessen Rundtürme bis zum Wasser reichen, und hier zaubert das moorige Braun der wellenlosen Ebene ein Spiegelbild hervor, das die uralte Märchenburg mit dem warmen, satten Schein des Altgolds übergießt.
Drei Bauperioden in Bedburg
Drei Bauperioden haben der ehemaligen Rheinischen Ritterakademie in Bedburg ihr heutiges Aussehen verliehen. Aus dem Mittelalter stammen die Mauerreste und die beiden mächtigen Rundtürme, aus der Renaissance ist der Mittelbau und verhältnismäßig jung (1765) sind die schwungvolle Freitreppe und der Balkon mit dem spiraligen Gitter. Auch hier stellt ein Binnenhof, der hier zweigeschossig in doppelter Arkadenstellung verläuft, das Prunkstück des Schlosses vor. Die früher offenen, später zugemauerten Arkaden sind jetzt von kleingefaßter Verglasung geschlossen und zum Hof hin mit Keramik verkleidet. Auch in dieser modernisierten, wenn auch glücklich vor Jahren gelösten Wiederherstellung schlummerte der Einfluß italienischer Renaissance und und dichte, nur von zierlich verstrebten Fenstern durchbrochene Efeuwände, geben dem Hof etwas Lauschiges, eine trauliche Weltabgeschiedenheit.
Ausklang von Schloß Harff
Von allen Schlössern unserer Heimat dürfte das prächtige Schloß in Harff am stärksten durch Kriegseinwirkungen gelitten haben. Dämmerung streut bereits ihre Schatten, da beansprucht der aus dem vierzehnten Jahrhundert in unsere zeit ragende Bergfried dieses gewaltigen Baues noch einmal alles Interesse und lenkte von seiner barocken Haube den Blick zu dem Renaissancebau der Burg, die in ihrem mittleren Giebel die Erinnerung an den Friedrichsbau in Heidelberg weckt. An der Vorburg sticht ein Laufgang aus Holzbaracken in die Augen. Früher beherbergte das Schloß seltene Sehenswürdigkeiten. U. a. die aufbewahrte erste Handschrift des Sachsenspiegels (1295), prunkvolle Gobelins, schwere Teppiche, eine berühmte Bibliothek und nicht zuletzt die prachtvolle Waffensammlung. Bitter und weh zugleich war für uns der ungepflegte Park mit seinen herrlichen alten Baumbeständen.
Später versinkt der Schritt im mulmigen Sand eines alten Reitweges und ein letzter Blick streckt noch einmal über die Türme und Zinnen, um die der sinkende Abend bereits seine ersten Schleier gewoben hat.