Kölnische Rundschau vom 7. November 1947

Neue Kraftwerke im Erftland

Bergheim. Im rheinischen Braunkohlengebiet sollen im Zuge des europäischen Wiederaufbaues neue Kraftwerke erstehen. Gedacht ist hierbei an den Neubau eines Kraftwerkes bei Frimmersdorf. Dieses Großkraftwerk soll mit einer Leistungskapazität von 300.000 KW ausgestattet werden. (Das Goldenbergkraftwerk, das größte europäische Werk auf der Kohle, hat zum Vergleich eine normale Maschinenleistung von 450.000 KW.) Der Neubau dürfte für den Kreis Bergheim von besonderer Bedeutung sein. Im Laufe der Jahre werden also große Flächen wertvollen Landes der Ernährungswirtschaft verlorengehen. Als Kohlengrundlage soll das Werk die Garsdorfer Felder und das sogenannte Westfeld erhalten. Die Bohrungen sollen Braunkohlenvorräte von 400 bis 500 Millionen Tonnen ergeben haben, die in einer im Braunkohlenbergbau normalen Tiefe von 20 bis 80 Meter liegen. Sie können also im Tagebau abgebaut werden. Die hier anstehende Kohle ist nicht brikettierfähig, kann also mit Nutzen nur an Ort und Stelle für die Stromerzeugung verwertet werden. Der Bedarf des projektierten Kraftwerks beträgt jährlich 5 Millionen Tonnen.

Ein weiteres Kraftwerk mit derselben Maschinenleistung steht im zweiten Bauplan des RWE und soll bei Weisweiler errichtet werden. Die zu dessen Versorgung in Frage kommenden Gruben haben Vorräte von 200 bis 300 Millionen Tonnen. Eine weitere Aufgabe des RWE ist die Umstellung des Betriebes auf dem Goldenbergwerk und dem Kraftwerk Fortuna auf Dampferzeugung mit hohen Drucken. Durch Vorschaltanlagen kann die Leistung der beiden Kraftwerke ohne Mehrverbrauch an Kohle um 400.000 KW erhöht werden, so daß die Maschinenleistung der Braunkohlenkraftwerke insgesamt um 1 Million KW gesteigert würde. Dazu reichten die Braunkohlevorkommen im Rheinland bis Ende dieses Jahrhunderts aus. Man rechnet, daß bis dahin die im Kölner Becken noch anstehenden Braunkohlenvorräte von 30 Milliarden Tonnen aufgeschlossen sind.

Mit dem Bau des neuen Großkraftwerks auf der Braunkohle ist die Streitfrage Steinkohle, Braunkohle oder Wasserkraft nicht etwa zugunsten der Braunkohle entschieden. Man wird auf den Ausbau leistungsfähiger Steinkohlenkraftwerke ebensowenig verzichten können, wie auf die Weiterentwicklung der im Ausbau befindlichen und noch projektierten Wasserkraftwerke. Im Schluchseekraftwerk kann durch Ausbau der letzten Stufe eine zusätzliche Leistung von 180.000 KW gewonnen werden. Das Problem ist lediglich: wo sollen die Arbeitskräfte und die Materialien zunächst angesetzt werden, um so schnell wie möglich zu einer Steigerung der Leistung zu kommen? Der Ausbau und die Modernisierung der Steinkohlenkraftwerke an der Ruhr bleibt eine Frage von nicht geringerer Dringlichkeit. Selbst bei einer verfeinerten Wäsche der Steinkohle werden im Ruhrbergbau immer Kohlensorten anfallen, die kaum oder überhaupt nicht verkäuflich sind und die nur für die Verwertung unter den Kesseln eines Kraftwerkes in Frage kommen, ohne daß hiermit dem Markt Kohlen entzogen werden müssen.

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