Kölnische
Rundschau vom 11. April 1947-
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Unsere
schwerringende Wirtschaft
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Ein Streifzug durch die Industrie
des Kreises Bergheim
Bergheim. Nach dem allgemeinen
Zusammenbruch im Frühjahr 1945 lag auch die gesamte Industrie
des Kreises Bergheim zerschlagen am Boden. Und doch ist in den
vergangenen zwei Jahren dank der Initiative der Betriebsleitungen
und der heimischen Arbeiterschaft Großes geleistet worden. Aus
einem Bericht der Industrie- und Handelskammer Köln,
Außenstelle Bergheim, über die Wirtschaft des Kreises
Bergheim seit Kriegsende entnehmen wir folgendes: Die Eisenbahnen
kamen ab Juli 1945 langsam in Gang. Die Strecke Bedburg-Horrem wurde
infolge Zerstörung der Erftbrücke bei Zieverich erst Mitte
November betriebsfertig. Durch Zerstörung des Königsdorfer
Tunnels bestand keine direkte Verbindung über Horrem nach Köln,
sondern nur eine Umleitung über Grevenbroich oder
Rommerskirchen. Der südliche Kreisteil ist, abgesehen von der
Omnibuslinie Horrem - Kerpen, völlig abgeschnitten. Bis heute
konnte der Verkehr auf der Strecke Horrem - Mödrath noch nicht
aufgenommen werden.
Um die Milch- und Fettversorgung der
Bevölkerung zu sichern, mußten die Molkereien
vordringlich in Betrieb genommen werden. Nach Überwindung
großer Schwierigkeiten konnten die Zuckerfabriken Pfeifer &
Langen Elsdorf, sowie die Bedburger Zuckerfabrik die Arbeit wieder
aufnehmen und im Herbst 945 die geringe Rübenernte zu Zucker
verarbeiten. Die Reparaturen sind inzwischen so weit
fortgeschritten, daß etwa zwei Drittel der Normalproduktion an
Weißzucker erreicht wurden. Auch die einzige Konservenfabrik
F. Hintzen & Co. in Elsdorf, die hauptsächlich Marmelade
herstellt, kämpft noch mit Schwierigkeiten. Die
Leistungsfähigkeit der vier Rübenkrautfabriken wurde nur
teilweise ausgenutzt, da keine ausreichenden Mengen Rüben für
die Krautherstellung zur Verfügung standen. Die drei Brauereien
stellen Süßgetränke her, während die Brennerei
Buir im letzten Jahr Braumalz für die Besatzung verarbeitete.
Feinsprit wie auch Trinkbranntwein erzeugt die Brennerei Esser in
Oberaußem.
In den Kohlengruben des Kreises wurde
sofort nach dem Einmarsch der Amerikaner mit Aufräumungsarbeiten
begonnen und die Brikettfabrikation wieder aufgenommen. Das
Elektrizitätswerk Fortuna lief schon Mitte April 1945 an. Die
Rheinischen Linoleumwerke R. Holtkott in Bedburg wurden in den
letzten Kriegstagen durch deutsche Artillerie fast völlig
zerstört. Die Maschinenanlagen sind zwar teilweise erhalten
geblieben, aber die Instandsetzung des Werkes wird durch den Mangel
an Baumaterialien und Arbeitskräften sehr behindert. Die
Abteilung Jutespinnerei arbeitet seit 1946. Zurzeit werden
Rohjutesäcke für die Landwirtschaft hergestellt. Bei der
Bedburger Wollindustrie sind nach langer Kleinarbeit die wertvollen
Textilmaschinen aus dem Schutt herausgezogen und sichergestellt
worden. Die Firma I. H. Gerdemann in Ichendorf verarbeitet die
Rückstände des vorgenannten Werkes und stellt in
beschränktem Umfange Eisenerze her. Seit Mitte vorigen Jahres
arbeitet auch die Ichendorfer Glashütte. Etwa ein Drittel der
Vorkriegsmenge an Gläsern wird verarbeitet.
Die
Prolignitwerke in Horrem, die Schwelkoks aus Braunkohlenbriketts
herstellen, sind zu etwa 30 v. H. wieder aufgebaut und in Betrieb;
desgleichen die Agep-Bautenschutz Gnacke & Braun. Das
Elektromotorenwerk Dornhoff & Co, Horrem, ist für die
Wiederinstandsetzung der elektrischen Anlagen des
Braunkohlenbergbaues eingesetzt. Die Schuhfabrik Rädelstein,
Bedburg, arbeitet voll und stellt Arbeitsschuhe her. Zwei der fünf
Ziegeleien des Kreises konnten bereits im Jahre 1945 ihre Produktion
aufnehmen und haben im folgenden Jahre ihre Erzeugung wesentlich
erweitert.
Die allgemeine Lage der Industrie, auch bei den
kleineren und kleinen Betrieben, ist gekennzeichnet durch Mangel auf
allen Gebieten. Der Ernährungszustand der Bevölkerung ist
schlecht, die körperlichen Reserven sind aufgezehrt.
Minderleistungen sind die Folge. Hinzu kommt der Mangel an
Bekleidung, insbesondere Arbeitskleidung und Schuhen. Der Mangel an
Kohlen ist katastrophal. Kohle fehlt nicht nur für die
Produktion, sondern auch für die Beheizung der Arbeitsstätten
und Büros. Im Kreise Bergheim besteht bei den Arbeitern
vielfach der Wunsch, zu den Braunkohlegruben zu kommen, um die den
Bergarbeitern bewilligten Vorteile zu erhalten. Dadurch werden den
anderen Industriezweigen viele Fachkräfte entzogen, deren
besondere Qualitäten im Braunkohlenbergbau zum Teil nicht
ausgenutzt werden können. Ein besonderes Problem ist die
Transportfrage. Es fehlt ganz allgemein an Kraftfahrzeugen und
Ersatzteilen, hinzu kommt, daß beim Einmarsch der Alliierten
fast alle Fahrzeuge fortgeschafft wurden.
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