Kölnische
Rundschau vom 29. Juli 1950-
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Eine Fahrt ins
Blaue
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Zur Kornbranntweinbrennerei in
Oberaußem
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Oberaußem. Wenn jemand
eine Reise tut ... Wem stiegen nicht Traumbilder von blauen
Fernen, blauen Bergen und Meeren auf? Unsere Reise führte uns
wenige Kilometer vom Redaktionstisch auch ins Blaue, ins Blaue an
sich sozusagen. Die Kornbranntweinbrennerei Esser in Oberaußem
war unser Ziel. Und hier, am Ziel, - welch ein Widersinn - wieder
Ausgangspunkt der Reise, einer Traumreise allerdings: auf den
Flügeln des Münsterländers ins Westfalenland, mit
einem Schuß Hamburger Tropfen an die Wasserkante,
curacao-beflügelt an ferne blaue karibische Gestade.
Apropos
blau! - Noch lassen wir uns nicht vom Alkohol ins Traumland
entführen. Noch wandern wir mit gezücktem Bleistift durch
den Betrieb, um recht viel von der Herstellung des männermordenden
Stoffs festhalten zu können. Für den, der in der Zeit vor
der Währungsreform gelegentlich von verschwiegenen
Cherry-Knolly-Brennversuchen hörte, doch ein
eigenartiges Gefühl, den gleichen Vorgang, diesesmal legal, en
gros und im Stadium technischer Vollkommenheit betrieben zu sehen.
Allerdings, - auch hier hält Vater Staat seinen Finger fest
darauf. Die Steuerschraube, oder besser gesagt, die fiskalische
Plombe an jeder wesentlichen Schraube dokumentiert recht
eindringlich das einnehmende Wesen der Finanzhoheit. Wer
kann das noch bezahlen? -
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Rohbranntgerät
und Brennblase
Ansonsten jedoch sind die
schwarzbrennenden Zeiten vorbei. Wir dürfen uns vom Knolly
Brandy distanzieren. Schnaps vom Esser schmeckt dir
besser - denn sein Ausgangsstoff ist nicht die profane Rübe,
sondern edler Roggen, der zur besseren Überwachung gleich
staatlicherseits zugeteilt wird. Auf dem Boden lagert er in großen
Mengen, wird in einer dampfbetriebenen Mühle verschrottet, im
Vormaischbehälter mit Malz verzuckert und unter Zusatz von Hefe
dem Gärbottich zugeführt. Den weiteren Verlauf kann man in
wenigen Stichworten zusammenfassen: das Brennen im Rohbrandgerät,
der Kühlvorgang, das Sammeln des nun 70prozentigen Alkohols in
besonderen, wieder plombierten Behältern. Rückführen
in die Brennblase, wo der Alkohol seine Gebrauchsprozente erhält.
Sauber geht es in so einer Brennerei zu, das muß man
sagen. Steinböden und Eisentreppen jederzeit schrubbfeucht,
sehr zum Leidwesen des kreppbeschuhten Reporters, der auch ohne
Alkoholgenuß kaum die Balance zu halten weiß. Wir sind
froh, als wir endlich im tiefen Keller gelandet sind, in der
Zauberküche, in der der Alkohol durch die Beimengung der
verschiedensten Essenzen in Likör, Weinbrand, Korn und
Wachholder - verschnitten wird. Hier, im tiefen Keller, wird uns
eine vergnügliche Lektion erteilt, eine kleine
Branntweingeographie. Die Reise geht ins Münsterland (siehe
oben!), zum Ostseestrand (Danziger Goldwasser), in den Schwarzwald
(Kirschwasser) und in alle Richtungen des menschlichen (Wohl-)
Geschmacks: Kakao mit Nuß prangt in sauberen
Etiketten auf den verlockenden Flaschen, Orange,
Mokka-Kirsch, Vanille, Pfefferminz,
Kirsch mit Rum, Anisette, Zitrone,
Cherry-Brandy.
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Hier
wird der männermordende Stoff eingefüllt.
Eine erlesene Folge köstlicher Liköre! Eine
Kostprobe von allen genügt, den reiseseligen Geist an ferne
blaue Gestade zu entführen.
Von dieser Entführung
laßt mich nicht reden. Sie gehört nicht zum Thema. Zum
Thema gehört noch, daß die sauber etikettierten Flaschen
wohlverpackt in die nähere und weitere Umgebung verschickt
werden. Rheinland und Westfalen sind die wesentlichen Absatzgebiete.
Zum Thema gehört auch,daß die nichtseligmachenden
Abfallprodukte, die die Schlempe bilden, gleich an Ort und Stelle an
einige zwanzig Kühe verfüttert werden. Vom Schnaps zur
Milch! - Schließlich sei noch vermerkt, daß der etwa 30
Meter hohe Schornstein Wahrzeichen eines Betriebes ist, der sich
seit 1823 im Familienbesitz befindet. Um diese Zeit wurde die
frühere Brauerei, deren Entstehung sich im Dunkel der Zeit
verliert, in eine Brennerei umgebaut. Sie hat alle Stürme der
Zeit überdauert, zwei Weltkriege, eine Teilzerstörung als
Folge des letzteren, und die branntweinlose, die schreckliche Zeit.
Stoßen wir also alle, die wir uns gelegentlich einen Alten
Oberaußemer genehmigen, an auf weitere 125 Jahre ihres
Bestehens!
Hi
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