Beilage
zur Kölnischen Rundschau - An Erft und Gilbach, Nr. 7, Mai 1950
Omagen
bei Kaster, eine Burg- und Ortswüstung im Kreise Bergheim
Von Dr. Hans Welters
Volle
sechs Jahrzehnte sind es nun her, daß die Registrierung der
Kunstdenkmäler der Rheinprovinz in Angriff genommen
wurde. Wer heute einen der ersterschienenen Bände dieses großen
Sammelwerkes - und zu diesen Erstbänden gehört die unseren
Kreis Bergheim betreffende Ausgabe - zur Hand nimmt, muß sich
das wohl vor Augen halten. Denn das dort festgehaltene Bild des
Jahres 1890 ist nicht unverändert in die Gegenwart überkommen,
vielmehr sind der Einbußen, die wir zu beklagen haben, nicht
wenige. So wird, falls unsere mit dringenderen Aufgaben überlastete
Zeit es überhaupt dazu bringen sollte, eine neue
Bestandsaufnahme der Baudenkmäler des Kreises gegenüber
der vor 60 Jahren manchen schmerzlichen Verlust buchen müssen.
Auf einen dieser Verluste möchten wir hier aufmerksam
machen. Es handelt sich um Burg Omagen bei Kaster. Doch bitten wir
die Herren von der Kunstgeschichte um Nachsicht, wenn wir nicht nur
diesem Burghause in Omagen nachtrauern. Der Siedlungshistoriker hat
die Verpflichtung, darauf hinzuweisen, daß jener Ortsname, der
noch vor einem knappen Jahrhundert einen aus mehreren Großhöfen
bestehenden Weiler kennzeichnete, heute nurmehr einem einzelnen Hof
gilt. Das aber gesagt, daß außer der Burg auch der Ort
Omagen zur Wüstung, genauer gesagt, zur Teilwüstung
geworden ist.
Der Weiler Omagen mit seinen drei
Burglehen im Jahre 1521
Die Burg
Clemens
beschreibt im Jahre 1890 die Gebäude der Omagener Burg unter
Verzicht auf eine bildliche Darstellung kurz mit folgenden Worten:
Zweigeschossiger, an der Nordseite des achteckigen
Wirtschaftshofes gelegener Ziegelbau von sechs Fensterachsen mit
geschweiften und abgetreppten Giebeln aus dem 17. Jahrhundert. An
der Nordostecke des Hauses ein bis zum Hauptgesims hochgeführter
Turm mit zierlich geschweifter Schieferhaube. Der westliche Teil des
Hauses wird von einem einfachen rundbogigen Tor durchbrochen, an dem
noch die Spuren einer Zugbrücke erkennbar sind. Die
Wirtschaftsgebäude sind modern, die Wassergräben der
Anlage zugeschüttet. Diesen letzten Satz Clemens
aufgreifend, müssen wir heute feststellen, daß jene schon
vor 1890 erfolgte Zuschüttung der Wassergräben der
eigentliche Anfang vom Ende der Omagener Burg gewesen ist. Die in
Unkenntnis der folgen aus wirtschaftlichen Interessen vorgenommene
Maßnahme ist nicht nur ihr zum Verhängnis geworden. Eine
Reihe anderer Wasserburgen hat dasselbe Schicksal ereilt. Man wird
fragen: Was hat schon die Beseitigung der Wassergräben mit dem
zustand der von ihnen umschlossenen Burgbauten zu tun? Da die
Adelssitze des platten Landes aus natürlichen Gründen
durchweg tiefgelegene Stellen des Geländes bevorzugen, muß
das Zuwerfen der Wassergräben für sie in jedem Falle von
Übel sein, und zwar insofern, als es plötzlich die Vorflut
abriegelt und damit einen Aufstau des Grundwassers bewirkt, der die
Feuchtigkeit in den Außenmauern der Burggebäude
hochtreibt. Für das am westlichen Hang der breiten Erftmulde
unmittelbar neben einer Wasserrinne gelegene Burghaus Omagen mußte
die Auffüllung der Gräben besonders gefährlich
werden. Tatsächlich zeigte sich bald, was man angerichtet
hatte. Die Keller des Hauses standen des öfteren vollkommen
unter Wasser, das Zerstörungswerk begann. Doch war das
Schicksal der Burg erst besiegelt, als sich erwies, daß dem
neuen Besitzer, der sie 1926 erstanden hatte, jedes Verständnis
für das wertvolle, kulturhistorische Erbe fehlte, das ihm zu
Eigen geworden war. Das Burgland hatte ihn zum Kauf gelockt, nicht
die Burggebäude. Haus Omagen war in seinen Augen nur ein alter,
ungesunder und unmoderner Wirtschaftshof, den man am besten durch
einen Neubau ersetzte. Die Denkmalpflege, der die Absicht des neuen
Eigentümers, die Gebäude abzureißen, bekannt wurde,
versuchte einzuschreiten. Sie fand trotz der Erklärung, aus
ihren Mitteln zur Restaurierung der Anlage beitragen zu wollen,
wenig Verständnis und keinerlei Bereitschaft des Burgherrn,
selbst an dieser Aufgabe mitzuarbeiten. So kam es, obwohl sich der
Provinzialkonservator der Rheinprovinz mit allen Kräften für
die Erhaltung einsetzte, zur Niederreißung des Burghauses und
der damit verbundenen Wirtschaftsgebäude.
Burg
Omagen im Jahre 1931
Zeichnungen: Welters
Wir freuen uns, die obige knappe
Beschreibung der Kunstdenkmäler hier durch eine
Abbildung der verschwundenen Burganlage ergänzen zu können.
Das Bild, nach dem unsere Zeichnung angefertigt wurde, befindet sich
in der Hand der Familie Effertz, die heute auf dem Hofe in Omagen
sitzt, der allein von dem einst fünf Anwesen zählenden
Weiler übrig geblieben ist. Die Darstellung sammt aus dem Jahre
1931. Damals also, vor rund 20 Jahren, waren Burghaus und Turm noch
wohl erhalten, die Wirtschaftsgebäude dagegen schon im offenen
Verfall. Klar ersichtlich aus dem Bilde ist,daß der adliche
seeß in Omagen eine einfache, in der Burgenkunde mit
Burghof oder Hofesfeste bezeichnete Anlage war, d. h. zu jener
Gruppe von Wasserburgen gehörte, din denen Wohn- und
Wirtschaftsgebäude einen geschlossenen, sich um einen Hof
gruppierenden Baukomplex bildeten. Dasselbe bestätigt der
Lageplan aus dem Jahre 1821. Er verrät nichts von jenem
Zweiinselsystem, das für die Mehrzahl der ehemaligen Adelssitze
im Flachland typisch ist. Weitläufig umziehen die Gräben
die Burggebäude, nur dort stoßen sie unmittelbar an das
Herrenhaus, wo sich einstmals die Zugbrücke befand. Der
schlichte Charakter der Anlage findet auch im Bau selbst seinen
Ausdruck; außer Stallungen und Scheune war nämlich das
Wohnhaus, wenigstens in seinem Obergeschoß, gleichfalls in
Fachwerk errichtet. Erhalten geblieben und in unsere zeit überkommen
ist einzig und allein jenes früher als Remise benutzte kleine
Fachwerkhäuschen im Vordergrunde des Bildes. Es dient heute als
Wohnung des Verwalters einer Trockenanlage, die gegenüber dem
Burgplatz von einer Genossenschaft Kasterer Landwirte gegründet
wurde.
Die freundliche Wirtin des Effertzhofes weiß
dem Gaste mancherlei interessante Einzelheiten zu berichten, sowohl
von den malerischen Burggebäuden selbst, die sie noch wohl
gekannt hat, als auch von ihren letzten Besitzern. Lange Jahre
gehörte Haus Omagen der Familie Kaumanns, deren Söhne als
Bürgermeister in Kaster-Königshoven und Bedburg tätig
waren. Als letzte lebten die drei Geschwister Anton, Margarete und
Josef auf dem Burghof. Sie alle sind kinderlos gestorben. Wenige
Jahre vor seinem Tode hat Josef Kaumanns die Burggebäude mit
den ihm verbliebenen 50 Morgen Land, das ist etwa ein Drittel des
früheren Umfangs der Burgländereien, an den Tierarzt Dr.
Franken in Kaster-Tollhausen verkauft. Dieser verwirklichte seinen
Plan, an der Stelle des abgerissenen Hauses einen modernen Gutshof
zu errichten, nicht, sondern überließ das erworbene Land
alsbald den Gebrüdern Rath im benachbarten Harff, die es
seitdem von dort aus bewirtschaften.
Der Weiler Omagen
Es wurde schon erwähnt, und unser Lageplan von 1821
liefert den eindeutigen Beweis dafür, daß Omagen noch im
vorigen Jahrhundert einen Weiler bildete, der aus fünf
Großhöfen bestand. Erste Kenntnis von dieser
Weilersiedlung gibt, soweit wir feststellen könne, eine Urkunde
des Jahres 1346. Hier ist von drei Hofstätten zu Omeyhen
by Caster die Rede, die zehntpflichtig an das Apostelstift in
Köln waren. Vier Jahre darauf, 1350, schlichtete Graf Gerhard
von Berg einen wegen dieses Zehntens ausgebrochenen Streit zwischen
den Rittern Volmershoven und Heinrich von Overbach einerseits und
dem Apostelstift andererseits zugunsten der Stiftsherren. Hier ist
Omagen Ombecheim by Caster genannt. Später erscheinen die
drei Höfe - es sind das mit dem Burghof jene beiden anderen,
die wir auf dem Lageplan gleichfalls von Wassergräben umzogen
sehen - als zur Stadt und Festung Kaster gehörige Burglehen.
Als Inhaber der Lehen werden die Familien v. Reiferscheid, v.
Rottkirchen, v. Eyll und v. Zweiffel aufgeführt. Wer von diesen
das eigentliche Burghaus innehatte, ist nicht festzustellen,
ebenfalls entzieht sich unserer Kenntnis, wann die Güter in
bürgerlichen Besitz übergegangen sind. An die Eigentümer
der nördlichsten, von Wassergräben umschlossenen Hofanlage
erinnert ein Kreuz, das heute noch in Omagen steht, und zwar an der
Stelle, wo früher die Straße Kaster-Königshoven von
einem in SO-NW-Richtung verlaufenden Wege gequert wurde (s. Plan).
Aus der Inschrift des Kreuzes ersehen wir, daß es 1861 von
Heinrich Anton Becker und dessen Ehefrau Margaretha geb. Koenen, den
damaligen Inhabern jenes zweiten Burglehens,errichtet worden ist.
Als diese Familie Becker zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausstarb,
fiel das zum Gut gehörige Areal an einen Landwirt von Kaster,
der die Gebäudlichkeiten noch vor dem ersten Weltkrieg
niederlegen ließ. Heute sind auch seine Wassergräben
vollkommen beseitigt, so daß der Standort nicht mehr genau
ausgemacht werden kann. Vorher schon war die dritte Hofesfest,
zuletzt im Besitz einer Familie Rademacher, zur Wüstung
geworden. Mit dem Burghaus, das man, wie oben ausgeführt, kurz
nach 1931 abriß, verschwand auch das letzte der drei Omagener
Burglehen. Es blieb, da der nicht von Wassergräben umzogene
vierte, zwischen Burg und Effertzhof gelegene Gutshof schon vorher
eingegangen war, nur noch das südlichste Anwesen des Ortes.
So hat sich der einstmalige Weiler im Laufe eines knappen
Jahrhunderts zum Einzelhof zurückgebildet. Weiß das
allein übriggebliebene Effertzgut, daß es der letzte
Träger des Namens Omagen ist? Würde doch sein Untergang,
den wir nicht zu erleben hoffen, bedeuten, daß ein alter
Siedlungsname zu einer immer mit wehmütigen Erinnerungen
verbundenen bloßen Flurbezeichnung herabsinken würde!