Kölnische
Rundschau vom 27. Mai 1950-
-
Die uralte
hochlöbliche Bruderschaft des hl. Sebastianus
-
-
500jähriges Bestehen der
St.-Sebastianus-Bruderschaft in Bergheim
-
Bergheim. Das älteste Leben
der Bergheimer St.-Sebastianus-Bruderschaft ist vollends
verschüttet. Keine Stiftungsurkunde, keine älteren
Statuten oder Bruderbücher sind auf uns gekommen. Den
Verwüstungen des Burgundischen Krieges, der niederländischen
und truchsessischen Wirren, des Jülicher Erbfolgestreites, des
Dreißigjährigen Krieges und des Einfalles der Franzosen
unter Turenne dürften auch sie alle zum Opfer gefallen sein.
Aber andere Bruderschaften in Nachbarorten sind in der glücklicheren
Lage, ihre alten Urkunden und Akten noch zu besitzen. Sie können
daher zum Verständnis der zeit, aus der heraus die Bergheimer
Bruderschaft um 1450 entstand, herangezogen werden und dabei auch
Wesentliches darüber aussagen, was die Bruderschaft allgemein
in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens für Bergheim
bedeutete. Dabei sei besonders auf Geilenkirchen und Euskirchen,
Düren und Neuß und - wenigstens seit dem Stadtbrande von
1547 ab - nicht zu letzt auch auf Jülich verwiesen, dessen
geschichtliches enges Verhältnis zu Bergheim als bekannt
vorausgesetzt werden darf.
-
-
Die Bergheimer St.
Sebastianus-Bruderschaft selber tritt erst recht spät in das
Licht der Geschichte. Und zwar im Jahre 1638 mit der bloßen
Erwähnung in den Kirchenrechnungen, daß die
St.-Sebastianus-Bruderschaft das Vermögen der
Muttergottes-Bruderschaft (die also um diese Zeit nicht mehr
besteht!) verwalte und für ihre Zwecke verwende. In dem
ältesten uns erhaltenen anno 1774 renovierten Bruderbuch
trägt daher die Bruderschaft entsprechend den Doppelnahmen
-
-
Sancti Sebastiani et Beatae
Mariae Virginis.
-
-
Selbst der unermüdliche
Forscher und verdienstvollste Sachkenner heimatlicher Geschichte,
der im Jahre 1924 verstorbene Pfarrer Karl Adolf Füssenich -
Sohn des ehemaligen Bergheimer Bürgermeisters Füssenich -
beginnt seine Geschichte der Bergheimer St.-Sebastianus-Bruderschaft
mit der schlichten Feststellung: Die
St.-Sebastianus-Bruderschaft der Pfarre Bergheim (erdorf), deren
Errichtung wohl in das 15. Jahrhundert fällt .. Die ältesten
uns erhaltenen Statuten der Bergheimer Bruderschaft sind
verhältnismäßig jüngeren Datums, wir dürfen
aber von ihnen wohl annehmen, daß sie sich ziemlich eng an
ältere Satzungen anlehnen und diese im wesentlichen
reproduzieren. Und über die eingehenden Forschungen
Füssenichs hinaus haben auch weitere Untersuchungen kein neues
Material über die Bergheimer Bruderschaft zutage gefördert.
-
-
Dieses gänzliche Fehlen
Bergheimer Statuten und Nachrichten bis zur Wiedererrichtung der
Statuten im Jahre 1774 ist um so bedauerlicher, als es damit
unmöglich bleibt, einwandfrei nachzuweisen, welche Rolle die
Bergheimer Bruderschaft in den ersten drei Jahrhunderten ihres
Bestehen nun tatsächlich in Bergheim gespielt hat. Aus den
eingangs erwähnten Unterlagen anderer Orte kann jedoch
allgemein erkannt werden, daß ihr im kirchlichen und darüber
hinaus im öffentlichen Leben eine außerordentliche
Bedeutung zugekommen sein muß. Ihr oblag es zunächst
einmal wie auch in den Statuten von 1774 ausdrücklich
wiederholt wird der Gottes-Tracht, also der Fronleichnamsprozession,
die ehedem in der Bergheimer Pfarre von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr
mittags dauerte, Ehre und Ansehen zu geben. Das gleiche galt für
die übrigen Prozessionen. Eigenster Ehrentag der Bruderschaft
war das Patronatsfest ihres Schutzpatrons. Ihre Mitglieder waren
verpflichtet, an der Beerdigung verstorbener Brüder
teilzunehmen und allen Bruderschaftsmessen beizuwohnen. Diese
Seelenämter wurden in Bergheim an dem mittlerweile
verschwundenen St.-Sebastianus-Altar in der Pfarrkirche gelesen. Daß
die Bruderschaft daneben aus ihren Renten und Gefällen am
kirchlichen Dienst beteiligt war, lassen die Wachsablieferungen
erkennen.
-
-
Diese Renten und Gefälle waren
durchweg erheblich, da die Bruderschaft vielfach mit besonderen
Stiftungen bedacht wurde. Welche Funktion aber damit gleichzeitig
den Bruderschaften innerhalb der Gemeinwesen zukam, bezeugt das
Testament eines Heinrich Hompesch vom Jahre 1486, der der
Bruderschaft in Jülich eine alljährliche Roggenrente für
die Hausarmen der Stadt vermachte. Aus dem Gedanken der Bruderschaft
wurde also dem
-
-
in Not befindlichen Mitmenschen
tätige Hilfe
-
-
gewährt. Schließlich
ließen es sich die Bruderschaften besonders angelegen sein,
Geselligkeit und Freundschaft zu pflegen. Hierbei stand das
alljährliche Vogelschießen mit Ringelstechen und Wettlauf
an erster Stelle. Dazu gehörte, abgesehen von dem üblicherweise
gewährten Traktament, das Bruderschaftsessen. Für
die allgemeine Hochschätzung der Bruderschaften spricht die
Tatsache, daß die Fraternitas Scti. Sebastiani in
Elsdorf einzelne Kölner Bürger, die sich um die Elsdorfer
Kirche besonders verdient gemacht hatten pro honore in
ihr Bruderbuch einschrieb, diese also zu Ehrenmitgliedern ernannte.
-
-
Neben den fehlenden frühen
Urkunden der Bruderschaft sind auch die authentischen Quellen für
die allgemeine Geschichte des älteren Bergheim allzu dürftig,
um der von dem Kölner Erforscher rheinischer Volkskunde,
Professor Wrede, allerorts aufgeworfenen Frage nähertreten zu
können. Ob die Bergheimer Bruderschaft auch gleichzeitig die
Wehrmannschaft für die Stadt darstelle. Nach 1300 hatte sich
nämlich in allen Städten nach niederländischem Muster
die Sitte herausgebildet, anstelle der ursprünglich allen
Bürgern obliegenden Verpflichtungen für alle einzutreten,
aus der gesamten Bürgerschaft besonders tüchtige Männer
für die Stadtwehr auszuwählen. Diese schlossen sich bald
allenthalben zu sogenannten Gilden zusammen. Die praktische Aufgabe
dieser in den Gilden vereinigten, geschworenen Bürgerschützen
blieb bis um 1600 der städtische Sicherheitsdienst. Die hatten
also
-
-
die Stadt gegen Gefahren von
außen zu verteidigen,
-
-
daneben den Warenzügen der
Kaufleute Geleit zu geben und erhielten hierfür von den Städten
ansehnliche Vergünstigungen. So stellte die Aachener
Bürgerschaft bei der Kaiserkrönung im Jahre 1240 aus ihren
Reihen Schützen für das kaiserliche Geleit und die
kaiserliche Leibwache. Mit dem Aufkommen der Söldnerheere um
1600 verloren die Schützengilden bald vollends ihre praktische
Bedeutung und verfolgten nur mehr gesellige Zwecke.
-
-
Ebenso wie die Zünfte der
damaligen zeit stellten sich diese Schützengilden unter den
Schutz eines erwählten Patrons, als deren ältesten wir den
hl. Georg anzusprechen haben. Daneben finden wir im ganzen
Niederrheingebiet den hl. Antonius, den hl. Hubertus und die hl.
Barbara. Die Schützengilden gaben sich ihre eigenen Satzungen,
wählten ihre eigenen Vorstehen und übten sich in der
Handhabung ihrer Waffen. Dabei schossen sie bis um 1100 mit Bogen
und Pfeil, anschließend mit der Armbrust und seit etwa 1550
mehr und mehr mit Haken- und Handbüchsen nach der Scheibe oder
dem Vogel, dem aus den Kreuzzügen bekanntgewordenen Papagei.
Hierbei ging es um die hohe Ehre, König zu werden, und bald
waren diese Schießspiele, die - wie bereits erwähnt -
ebenfalls in der Geselligkeit der Bruderschaften eine gewichtige
Rolle spielten, zu wahren Volksfesten geworden. Wie beliebt sie
ehedem in der reichen Stadt Köln waren, berichtet der Kölner
Chronist Hermann Weinsberg aus dem Jahre 1589. Daß sie neben
den aufblühenden Städten auch von Fürsten und Rittern
hochgeschätzt waren, beweist gerade für unsere Heimat die
Einladung des Rompilgers Arnold von Harff aus dem Jahre 1493 zu
einem Schießspiel nach Kaster.
-
-
Eine solche besondere Schützengilde
tritt uns in den Bergheimer Urkunden nirgendwo entgegen. Ob eine
solche eigens für den Sicherheitsdienst der Stadt bestanden
hat, um vielleicht später in der Bruderschaft aufzugehen - oder
ob die Sicherung der Stadt der Bruderschaft unmittelbar anvertraut
war, muß unentschieden bleiben. Ebenso die naheliegende Frage,
ob die in unserer Heimat damals übliche
-
-
Verehrung des hl. Sebastianus
gegen die Pest
-
-
für die Bruderschaft selber
oder für die Errichtung des Sebastianus-Altars von Bedeutung
war. Immerhin führten die schlimmen Pestzeiten in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts in Engers bei Neuwied zur
Errichtung einer besonderen St.-Sebastianus-Bruderschaft, wurde in
dem benachbarten Allrath im Kreise Grevenbroich im Jahre 1553, als
dort die Pest am schlimmsten wütete, ebenfalls eine besondere
Sebastianus-Bruderschaft gegründet; daneben wird die im Jahre
1570 in Hambach errichtete St. Antonius- und
Sebastianus-Bruderschaft mit dem dortigen Auftreten der Pest in
Verbindung gebracht. Angesichts dieser Feststellungen aus den
Nachbarkreisen Grevenbroich und Jülich ist es durchaus
wahrscheinlich, daß auch die Bergheimer Bruderschaft in den
Pestjahren zu besonderer Geltung kam.
-
-
Rückschauend kann gewissenhaft
nur festgestellt werden, daß uns trotz möglicher
Parallelität mit Nachbarorten das Eigenleben der Bergheimer
St.-Sebastianus-Bruderschaft in den ersten drei Jahrhunderten ihres
Bestehens in seinen einzelnen Äußerungen verschleiert
bleibt. Die Gründung der uralten hochlöblichen
Bruderschaft - wie sie in dem erwähnten, anno 1774
renovierten Bruderbuch eingangs bezeichnet wird - kann derselben
Zeit zugerechnet werden, für die gleiche Bruderschaften unter
Herzog Reinald von Jülich (1402-23) für Jülich selber
und 1438 für Kaster bezeugt werden. Die Bergheimer Gründung
fällt damit
-
-
in die für Bergheim
allgemein bedeutsame Zeit,
-
-
in der die städtischen
Eigenschaften der bereits 1317 erstmals erwähnten stat
von Bercheym öffentlich dokumentiert werden, so: 1412 als
Grenzzollstätte (Zollrecht) und 1423 mit Goldgulden und
Weißpfennigen Bergheimer Prägung (Münzrecht) und
1433 als Feste (Festung).
-
-
Erst von 1744 ab ist alsdann das
weitere Leben der Bruderschaft genauer zu verfolgen. Es war in
diesen letzten zwei Jahrhunderten mehrfach in Gefahr, zu verlöschen.
Als am 4. Oktober 1804 die französische Revolutionsarmee in
Bergheim einzog, brachte der neue Zeitgeist die Bruderschaft bald in
arge Bedrängnis. Als plötzlich im Jahre 1848 die uralten
Satzungen völlig aufgegeben wurden, schien mit solcher Lösung
vom Althergebrachten die Bruderschaft vollends untergegangen. Daß
sie trotz aller Fährnis weiterlebte, daß sie sich daher
heute - wiederum lebensstark - auf ihr Wesen und Wirken in einem
halben Jahrtausend zurückbesinnen darf, ist Beweis, daß
sie stets lebensecht geblieben ist. Und diese Erkenntnis berechtigt
zu der Zuversicht, daß die uralte hochlöbliche
Bruderschaft des hl. Sebastianus in Bergheim auch in weiteren
Generationen leben - und wirken wird.
H.S.
-
© Copyright
2002 wisoveg.de
Zur
Homepage