Kölnische
Rundschau vom 3. Mai 1950-
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Das
Braunkohlengesetz und der Kreis
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Pflug und Bagger müssen sich
gegenseitig ablösen - Vernichterin und Segenspenderin
Braunkohle
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Die Braunkohle, die im vergangenen
halben Jahrhundert in immer zunehmendem Maße das Bild des
Gebietes westlich Köln prägte, wird auch in den nächsten
Jahrzehnten der Faktor sein, der das Landschaftsbild und auch die
soziale Struktur dieses Gebietes wandeln und gestalten wird. Viel
ist in den letzten Jahren gerade in unserem Kreis, aber auch darüber
hinaus, über das debattiert worden, was in Bottenbroich vor
sich ging. Auch manche ausgekohlte Grube, die zunächst so
liegen gelassen wurde, wie der letzte Bagger sie verlassen hatte,
rief unter der Bevölkerung große Sorge hervor, was bei
weiterem Vordringen der Gruben aus unserer Heimat werden würde.
Zwar haben die Firmen, die den Abbau der Braunkohle betreiben, auch
Musterflächen der Rekultivierung ausgebeuteter
Gruben geschaffen, aber maßgebliche Männer waren der
Ansicht, daß dieses große Problem, das den Namen
Rekultivierung trägt, nicht dem Ermessen der
Industrie allein überlassen werden dürfe und drängten
darauf, daß ein Gesetz die Verpflichtungen der Industrie
festlege und allen an der Frage Beteiligten Gelegenheiten bieten
müsse, ihre Interessen zu vertreten. Der Kampf um dieses Gesetz
erstrecke sich auf mehrere Jahrzehnte. Nach dem Kriege trat er
erneut in ein akutes Stadium, als der neuernannte
Regierungspräsident, Dr. Warsch, bald nach seinem Amtsantritt
die Frage der Rekultivierung als die historische Aufgabe eines
Kölner Regierungspräsidenten bezeichnete und mit großer
Energie den Erlaß eines entsprechenden Gesetzes betrieb.
Hierbei wurde er besonders unterstützt von dem Vertreter
unseres Kreises im Landtag und später auch im Bundestag,
Johannes Even, und von dem Abgeordneten Johannes Albers, dem
Bezirksvorsitzenden der CDU und Leiter der CDU-Sozialausschüsse,
der selbst lange Jahre Einwohner des oft genannten Ortes
Bottenbroich war. Was aber war denn in Bottenbroich vor sich
gegangen?
Das im Braunkohlegesetz festgelegte
Planungsgebiet, dessen Herzstück der Kreis Bergheim ist.
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Ein Bagger hatte
begonnen, den Ort zu fressen,
bevor die Bewohner des
Ortes alle ordnungsgemäß anderswo untergebracht worden
waren. Zwar war auch der Krieg sehr viel daran schuld, daß
dies geschehen konnte und die Wohnungsnot der Nachkriegszeit
verschlimmerte die Lage nur noch mehr. In aller Eile wurde eine
neue, und zwar eine vorbildliche Siedlung geschaffen, in die alle
umzogen, deren Heim dem Bagger am nächsten stand. Aber heute
noch weichen die Bewohner erst unmittelbar dem Bagger. Wie dem aber
auch sei, Bottenbroich wurde geradezu der Schlachtruf der Verfechter
des Gesetzes und machte viel von sich reden. Der Gesetzesvorschlag,
den Dr. Warsch vorlegte, war ebenso Gegenstand heftiger Anfeindungen
wie herzlicher Sympathiekundgebungen. Mit geringen Änderungen
wurde er nach langen Beratungen am 13. April durch den Landtag von
Nordrhein-Westfalen in dritter Lesung angenommen und damit
Landesgesetz.
Welches ist die Bedeutung dieses Gesetzes für
unseren Kreis? - Dem Gesetzesvorschlag war eine Skizze beigefügt,
auf der die Grenzen des vorgesehenen Planungsgebietes eingezeichnet
waren. Diese Darstellung zeigt, daß der Kreis Bergheim das
herz dieses Planungsgebietes ist. Er ist der einzige Kreis, der in
seiner vollen Ausdehnung zu diesem Gebiet gehört, während
von den anderen Kreisen Euskirchen, Bonn-Land, Köln-Land,
Köln-Stadt, Düren, Jülich, Aachen-Land, Erkelenz und
Grevenbroich mehr oder weniger erhebliche Teile dazu gehören.
Das Neue, das dieses Gesetz bringt, liegt darin, daß die
kohlenfördernde Industrie nun verpflichtet ist, einmal ihre
Planungen auf weite Sicht
mit maßgeblichen
Stellen des Staates und der Wirtschaft zu beraten und durch einen
Ausschuß aller daran Interessierten genehmigen zu lassen. Zum
anderen aber ist die Rekultivierung in jeder Weise zur Pflicht
gemacht und durch eine Gemeinschaftskasse auch finanziell gesichert.
Der jährlich von den Mitgliedern an diese Kasse zu entrichtende
Mindestbetrag ist 1 Dpf pro Tonne geförderter Rohbraunkohle,
der je nach Bedarf ausgesetzt oder auch erhöht werden kann.
Die Probleme, die bei einer solch umfassenden und
tiefgreifenden Umgestaltung der Landschaft auftauchen, sind
vielfältig. Das eigentliche Planungsgebiet, das aus dem Kreis
Bergheim als Kerngebiet und Teilen von 9 angrenzenden oder
nahegelegenen Kreisen besteht, umfaßt 109 Gemeinden und hat
eine Ausdehnung von 1251 qkm, auf denen rund 307.000 Menschen
wohnen. Einige dieser Gemeinden werden noch das Schicksal
Bottenbroichs erleiden und eines Tages von einem der neuen
Riesenbagger gefressen werden. Im Zusammenhang mit der Verkündung
des Gesetzes wurden einige Orte des Kreises Bergheim genannt, die
wahrscheinlich die nächsten 25 Jahre nicht mehr überstehen
werden. Unter ihnen sind Balkhausen, Frauweiler, Wiedenfeld,
Garsdorf. Diese erste mehr zufällige Nennung ist weder
verbindlich noch vollzählig. Im Norden unseres Kreises stehen
auch mehrere Ortschaften auf dem Aussterbeetat. Für diese
Siedlungen müssen rechtzeitig neue geplant und gebaut werden,
so daß die Umsiedlung nach und nach vor sich geht. Mit den
Ortschaften müsse auch stellenweise
wichtige
Verkehrswege
dem Bagger weichen. Auch diese Regelung
obliegt nun dem auf Grund des Gesetzes gebildeten Planungsausschuß.
Durch die Ausbaggerung großer Flächen werden sich die
Wasserverhältnisse zum Teil wesentlich ändern. Dies
wiederum wird sich nicht nur unmittelbar auf die Bevölkerung
auswirken, sondern auch die Fruchtbarkeit dieser gesegneten Streifen
Landes sicher beeinträchtigen. Es ist immerhin zu bedenken, daß
die Bagger sich nun auch in einen Landstreifen einzuwühlen
beginnen, der nach der Magdeburger Börde als der fruchtbarste
in Deutschland angesehen wird. Auch wenn der Tiefbau, der zur Zeit
im Versuchsschacht bei Morschenich ausprobiert wird, eine Zukunft
haben sollte, werden die -
Veränderungen im
Grundwasserspiegel und auch im Landschaftsbild
erheblich
umfangreicher sein als etwa im Steinkohlenuntertagebau an der Ruhr.
Das eigentliche Problem aber, das dem Gesetz zugrunde liegt,
ist das der Rekultivierung. Es geht darum, die ausgekohlten Gruben
wieder zuzuschütten und das Land wieder land- und
forstwirtschaftlichen Zwecken nutzbar zu machen. In der Begründung
der Gesetzesvorlage wurde das Ziel gesteckt, im Endeffekt
mindestens dieselben, vielleicht sogar stellenweise besseren
Verhältnisse zu schaffen, als sie bisher bestanden. Es
wird nicht zu umgehen sein, daß die ganze Landschaft sich
senkt, denn es fehlen ja bei den Zuschüttungen die geförderten
Kohlenmassen. Auch ist
die Wiederfruchtbarmachung
ausgekohlter Flächen
nur so zu erreichen, daß
der abgetragene Mutterboden erst abgehoben und an den zu
rekultivierenden Flächen gleich wieder als Oberschicht
abgelagert wird. Man kann ihn nicht, wie die Sand- und Lehmschichten
auf Halden legen, um ihn später wieder überzudecken, denn
dann wäre der Boden durch die jahrelange, vielleicht
jahrzehntelange Ablagerung tot und bedürfte neuer ungeheurer
Finanz- und Arbeitsaufwendungen, um wieder fruchtbar zu werden. Auch
soll der Bauer, dessen Land dem Bagger zum Opfer fällt, nicht
auch in die Industrie gezwungen werden, sondern er soll möglichst
bald wieder an anderer, rekultivierter Stelle zu Grund und Boden
kommen.
Um all diese Probleme und deren Bewältigung im
Rahmen des Bestmöglichen ist in den vergangenen Jahren gerungen
worden. Für ihre Lösung wird nun, nachdem der Plan
Gesetzeskraft erlangt hat,
der sogenannte
Braunkohlenausschuß
sich mühen. Nicht regeln
kann er die vielen menschlichen Probleme, die die fortschreitende
Industrialisierung mit sich bringt. Der Abbau der uralten
Wallfahrtskirche in Bottenbroich hat ein Schlaglicht auch auf diese
Fragen geworfen. Manch ein Bewohner des Erftlandes wird mit Wehmut
dies oder jenes liebgewordene Fleckchen Erde unter den Greifzähnen
des Baggers verschwinden sehen. Viele Bauern werden ihren seit
Generationen angestammten Hof aufzugeben haben und noch manches alte
Bauwerk wird eines Tages nicht mehr sein. Aber diese mehr
gefühlsmäßigen Momente werden zurücktreten
müssen vor den
Forderungen einer neuen Zeit
und
die Braunkohle wird nicht nur gesehen werden als die Vernichterin
der Altangestammten und Liebgewordenen, sondern sie wird auch dem
Erftland Segen bringen, indem sie seine Menschen ernährt und zu
Wohlstand führt. Der Abbau der Braunkohle und die weitere
Industrialisierung unserer heimat ist nicht aufzuhalten.
Unverrückbar bleibt aber die Forderung, daß der Bagger,
der den Pflug verdrängte, überall da, wo es nur irgend
möglich ist, seinen Platz wieder an den Pflug zurückgeben
muß.
nka
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